Nachweis der Falschberatung

02.05.2024

Rechtsanwalt Jens Reichow. Foto: Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte

Nachweis der Falschberatung

Das Landgericht Halle erläuterte zunächst, dass der Versicherungsnehmer grundsätzlich die Beweislast bzgl. des Nachweis der Falschberatung trage (siehe dazu auch: Haftung und Beweislast für Beratungsfehler bei Vermittlung einer Versicherung). Im vorliegenden Fall habe aber der Versicherungsvertreter das Beratungsgespräch fehlerhaft dokumentiert. Es fehle der tatsächlich beratene Versicherungswert und die vermeintliche Empfehlung des Versicherungsvertreters bezüglich der Versicherungssumme. Daraus resultiere eine Beweiserleichterung für den Versicherungsnehmer.

Die Dokumentation eines solchen Gespräches müsse nicht detailliert erfolgen, aber zum Schutz des Versicherungsnehmers und als Ausdruck des Zwecks der Dokumentationspflicht müsse aus der Dokumentation hervorgehen, welches Absicherungsinteresse der Versicherungsnehmer verfolge, welche Umstände und Verhältnisse dieses beeinflussen, und der dem Absicherungsinteresse dienende Vorschlag des Versicherers. In dem fraglichen Dokument sei lediglich der Vermerk vorgefunden worden: „Kundenwunsch zum Wert von 200.000 € absichern“. In der Rubrik „Gibt es abweichende Kundenwünsche zu den empfohlenen Versicherungen?“ sei ein „Nein“ vermerkt worden. Zusätzlich wurde in der Rubrik „Nicht vom Kunden gewünschte Versicherungen/Absicherungen“ vermerkt: „Es bestehen keine abweichenden Kundenwünsche zu den vom Vermittler empfohlenen Versicherungen/zur empfohlenen Absicherungen.“

Auslegung der Dokumentation des Versicherungsvertreters

Das Gericht führte fort, dass nach diesen Angaben nicht davon ausgegangen werden könne, dass eine Beratung bezüglich des Versicherungswerts von 500.000 € stattgefunden habe. Es könne auch nicht nachvollzogen, worauf der Kundenwunsch des Versicherungsnehmers beruhe.

Die Dokumentation in dem vorliegenden Fall werde einer Beratung zu einer Gebäudeversicherung nicht gerecht. Besonders bei einer Gebäudeversicherung sei die Bestimmung des Versicherungswerts von besonders komplexer Natur und bedürfe daher auch eines besonderen Beratungsaufwands des Versicherungsvertreters. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Versicherungsnehmer besondere Kenntnisse über die Bestimmung des Versicherungswerts in der Gebäudeversicherung habe. Im Zuge dessen stehe die Dokumentation in Widerspruch zu den Behauptungen des Versicherungsvertreters. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Versicherungsnehmer die Unterversicherung gewünscht habe. Aus diesen Gründen sei dem Versicherungsnehmer der Nachweis der Falschberatung gelungen. Im Ergebnis stehe dem Versicherungsnehmer ein Anspruch auf Schadensersatz aus einer Verletzung der Beratungspflicht zu (§§ 61 und 63 VVG) (siehe dazu auch: Quasideckung: So ermittelt der BGH den Schaden des Versicherten bei einer Falschberatung des Versicherungsvermittlers).

Fazit zum Urteil des LG Halle

Das Urteil des Landgerichts Halle zeigt, dass dem Versicherungsnehmer bei einer fehlerhaften Dokumentation des Versicherers eine Beweiserleichterung zukommt. Der Nachweis der Verletzung der Beratungspflicht und einer daraus resultierenden Unterversicherung kann dann erleichtert gelingen. Insbesondere, wenn der Versicherungsmakler keine Beratungsdokumentation vorlegen kann, dreht sich die Beweislastverteilung und der Versicherungsmakler ist dann beweisbelastet (siehe BGH: Umkehr der Beweislast bei fehlender oder unvollständiger Dokumentation). Ebenso verhält es sich, wenn die Beratungsdokumentation über wesentliche Punkte der Beratung keine Angaben enthält (vgl. OLG Saarbrücken Urteil vom 26.02.2014 – Az.: 5 U 64/13 – VersR2015, 1248 ff.).

Im Einzelfall kann es daher durchaus sinnvoll sein, eine Leistungsablehnung des Versicherers zu prüfen und dabei auf die Unterstützung eines Fachanwalts für Versicherungsrecht zurückzugreifen.

Ein Gastbeitrag von Jens Reichow, Rechtsanwalt und Partner der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow.