Fels in der Brandung oder schwankendes Rohr im Wind?

27.02.2023

Foto: © Tiberius Gracchus - stock.adobe.com

Der Immobilienmarkt in Deutschland gilt als solide und krisenresilient. Die Corona-Pandemie und ihre Folgen haben der Branche allerdings ordentlich zugesetzt. Das neue Jahr bringt nun hoffentlich neue Chancen. Ob und wie erfolgreich die Immobilienbranche in 2023 bleibt, hängt jedoch von verschiedenen Faktoren ab.

„Unsichere und turbulente Finanzmärkte, die rasante Zinswende, immer noch anhaltende Materialkostenproblematik sowie Lieferkettenengpässe, Energiekostenexplosion und Rekordinflation, Angst und Zurückhaltung bei Käufern und Investoren durch den Ukrainekrieg und die daraus resultierenden geopolitischen Verwerfungen und, leider zu alle dem, ein schwerfälliger Verwaltungsapparat in den Städten, Gemeinden und Kommunen ohne jegliche Ambitionen auf Fortschritt und Digitalisierung mit elendig langen Genehmigungsprozessen“, listet Andreas Schrobback, Geschäftsführer der AS UNTERNEHMENSGRUPPE, die aktuellen Herausforderungen auf. Aus Projektentwickler-Sicht nennt Michael Weniger, Vorstandsvorsitzender PROJECT Real Estate AG, zudem das Sicherstellen der Wirtschaftlichkeit von Projektentwicklungen. „Durch zunehmende gesetzliche Anforderungen an Neubauten steigen die Herstellkosten, gleichzeitig sehen sich Kaufinteressenten immer höheren Zinslasten ausgesetzt und agieren deutlich zögerlicher“, so Weniger. Trotz alledem zeigt sich Nils Hübener, Co-CEO Dr. Peters Group, vorsichtig optimistisch: „Die volkswirtschaftlichen Fundamentaldaten sind unseres Erachtens zurzeit besser als dies im vergangenen Jahr erwartet wurde. Die Wirtschaftsleistung nahm 2022 in Deutschland nach vorläufigen Angaben um 1,9 % zu und es kann Ökonomen zufolge sein, dass die saisonale Konjunkturabschwächung in diesem Winter geringer ausfällt als prognostiziert.“ Trotz Belastung durch die hohe Inflation, gehe er davon aus, dass Deutschland diese Phase gut überstehe. Die größte Herausforderung für die Branche seien die Veränderungen im Zinsumfeld. Zudem hätten hohe Baukosten auch Einfluss auf den Bestand und sicherten dort die Preise nach unten ab. „Immobilieninvestitionen rechnen sich anders als noch vor einem Jahr. Darauf müssen sich alle Marktteilnehmer einstellen und das werden sie auch tun. Schließlich sind Fremdkapitalzinsen keine Novität, wenn man daran denkt, dass vor der Finanzkrise Immobilienkredite deutlich über 5 % im Sollzins gekostet haben.“

Blick nach vorne

Hübener rechnet im Laufe des Jahres mit einer Beruhigung der Märkte. Eine Konsolidierung der Branche könne dezenter ausfallen als erwartet. Der Immobilienbedarf und damit der Bedarf an Fremd- und Eigenkapital für Bestandserneuerung und Neubau sei enorm. Für Immobilienfonds gelten veränderte wirtschaftliche Parameter. Besonders Energie- und Umweltaspekte spielten dabei eine zentrale Rolle – durch die Energiepreise, aber auch durch neue Regulatorik. „Investoren und ihre Berater werden ein strenges Auge auf die Angebote haben und Investments, die nicht konservativ kalkuliert sind und zu wenig Stabilität ermöglichen, wenig Beachtung schenken“, so Hübener. Auch Schrobback sieht einen enormen Bedarf. Studien zufolge sei der Wohnungsmangel in Deutschland so hoch wie seit 30 Jahren nicht mehr. Er rechne wegen des starken Rückgangs beim Neubau deshalb mit steigenden Kaufpreisen in B- und C-Lagen im Bestand sowie stark steigenden Mieten. „Fremdvermietete Wohnungen werden also als Anlage,- und Vorsorgeinvestment attraktiver denn je.“

Sicher durch 2023

Um aktuell bestehen zu können, sollten sich Unternehmen der Branche vielfältiger aufstellen und verschiedene Strategien verfolgen, findet Weniger. Welche aktuell die erfolgreichste sein wird, lasse sich jedoch nicht leicht prognostizieren. „Der Neubau energieeffizienter Gebäude und die Sanierung von Bestandsimmobilien sind aufgrund der niedrigeren Nebenkosten für Mieter und Eigennutzer sicherlich Strategien, die zum Erfolg führen können.“ Auch Schrobback bewertet das Thema Nachhaltigkeit als zukunftsentscheidend. Es müsse im Bestand konsequent durch- und umgesetzt werden. Seine Strategie für 2023 setze auf vertriebs- und endkundenfinanzierungsfähige Produkte sowie eine umfassende Kundenberatung. „Die Zeit des ‚Verteilens‘ ist vorbei. Ab nun sind wieder Profis gefragt, die Kapitalanlageimmobilien inhaltlich beraten und verkaufen können.“ Hübener nennt zudem Achtsamkeit und kaufmännischen Weitblick als wichtige Faktoren in Phasen von Marktveränderungen. Prognosen mit konservativen Annahmen und stabile Cashflows als Ziel seien seine Strategie. Dabei stehe auch das krisenresiliente Segment Nahversorgung im Fokus, zudem sinnvoll: zentrale Mixed-Use-Objekte oder Verwaltungsgebäude. „Und last but not least sind wir davon überzeugt, dass auch die Hotelbranche, nach überstandener Coronakrise, in diesem Jahr wieder attraktive Opportunitäten bietet“, so Hübener.

Neue Chancen

Die beiden Bestands-Experten sind sich einig, dass 2023 gute Gelegenheiten in der Immobilienakquisition entstehen werden. Laut Hübener werde der käuferseitige Druck im Laufe des Jahres nachlassen, da viele professionelle Investoren sich zurückziehen. „Geduld und Beharrlichkeit werden sich bezahlt machen“, meint er. Schrobback sieht zudem besonders Produktanbieter im Vorteil, die Wohnbestand zu kleinen Kaufpreisen bei Renditen von über 3 % in B- und C-Städten anbieten können. „Sie werden in diesem Jahr zu den stabilen Marktteilnehmern gehören“, so Schrobback. Projektentwicklerseitig bewertet auch Weniger die anhaltende Nachfrage an Wohn- und Gewerbeimmobilien positiv. „Ich bin überzeugt davon, dass diejenigen von uns erfolgreich sein werden, die finanzierbare, energieeffiziente Immobilien errichten. “Gleichzeitig fordert er eine stärkere gesetzliche Förderung von Wohnungsbau, da gestiegene Nebenkosten die Nachfrage nach energieeffizientem Wohnen beschleunigten. (lb)