"Für kein Unternehmen kann Entwarnung gegeben werden"

25.09.2019

Axel Kleinlein, Vorstandssprecher des Bundes der Versicherten / Foto: © BdV

Die aktuelle Niedrigzinsphase stellt für die Lebensversicherer ein massives Problem dar. Der Bund der Versicherten stellt nun eine Untersuchung vor, die zu erschreckenden Ergebnissen kommt.  Vor allem Gesellschaften, die sich im Run-Off befinden, kommen sehr schlecht weg.

Gemeinsam mit der Zielke Research Consult GmbH hat der Bund der Versicherten (BdV) die Solvenzberichte des Vorjahres der deutschen Lebensversicherer auf einen breiten Kanon von Kennzahlen untersucht. Über die Ergebnisse zeigt sich Axel Kleinlein erschrocken: „Uns besorgt, dass ein Viertel der Versicherungsunternehmen nur durch Übergangsmaßnahmen genügend Solvenz aufweist oder strukturell auf Verlust fährt“, erklärt der Vorstandssprecher des BdV. Dr. Carsten Zielke, Geschäftsführender Gesellschafter der Zielke Research Consult GmbH, kann der aktuellen Untersuchung immerhin etwas positives abgewinnen: „Die Transparenz der Berichte hat erneut zugenommen. Aber Run-Off-Versicherer haben auch weiterhin Probleme damit, mit offenen Karten zu spielen.“

Bei den Solvenquoten gibt es starke Unterschiede, die davon abhängen, ob sogenannte Übergangsmaßnahmen angesetzt werden oder nur die reine Solvenz betrachtet wird. „Zwölf Unternehmen hätten ohne Übergangsmaßnahmen keine ausreichende Solvenz“, erklärt Zielke. Auffällig ist, dass besonders solche Unternehmen, die sich im Run-Off befinden, eine sehr geringe Solvenz aufweisen. „Offensichtlich sind die Managerinnen und Manager der Run-Off-Unternehmen in Sachen Solvenz sehr risikofreudig“, erklärt Kleinlein. „Die Unternehmen kalkulieren zunehmend auf Kante“, ergänzt Zielke mit Blick auf die sinkenden Risikomargen über die gesamte Branche hinweg. Zudem erwarten zwölf Unternehmen künftig keine Gewinne. „Wir sehen solche Unternehmen in ihrer Resilienz, den Schwierigkeiten der Märkte auf Dauer zu trotzen, gefährdet“, analysiert Kleinlein. Der Markt driftet bei den Gewinnerwartungen zunehmend auseinander. So zeige sich bei einer Mehrheit der Unternehmen, dass sich je nachdem Verlusterwartungen oder überzogene Gewinnererwartungen verstärken würden. Der Markt bewegt sich ungesund auseinander“, kritisiert Kleinlein. Insgesamt erwarten von den 84 untersuchten Versicheren 21 keine Gewinne oder haben nur geringe Solvenzquoten. "Es ist besorgniserregend, dass ein Viertel der Unternehmen zwei der grundlegenden Voraussetzungen für ein dauerhaft funktionierendes Geschäftsmodell nicht aufweisen“, erklärt Kleinlein. „Dies sind deutliche Anzeichen für eine langandauernde und tiefgreifende Krise der deutschen Lebensversicherer. Wir erwarten mindestens zunehmend ineffiziente Verträge bis hin zu Insolvenzen von Unternehmen.“ Besonders auffällig sind die Probleme bei den Versicherern, die kein Neugeschäft mehr schreiben. „Run-Off- Versicherer zeichnen sich durch eine besonders hohe Intransparenz aus“, erklärt Zielke. Betrachtet man die Run- Off-Plattformen für die klassische Lebensversicherung, so zeigen sich noch deutlichere Probleme, da die reine Solvenz hier im Durchschnitt nur 37 % beträgt. „Offensichtlich zielen die Run-Off-Versicherer darauf ab, Gewinne abzuschöpfen ohne die Solvenz und damit die Sicherheit des Unternehmens zu stärken“, fasst Kleinlein einen Hauptkritikpunkt am Geschäftsmodell zusammen. Bereits im August hat der BdV zusammen mit dem Vermittlerverband AfW darauf hingewiesen, dass in Sachen Run-Off dringender Handlungsbedarf besteht (finanzwelt berichtete). Durch die Untersuchung sieht sich Kleinlein bestätigt. „Die Untersuchung der Solvenzberichte unterstreicht, dass Run-Off-Unternehmen deutliche Gefahren für die Versicherten bergen“. Daher müssten die Versicherten im Falle eines Run-Off gestärkt werden „Unterm Strich gibt es kein Unternehmen, bei dem in allen Prüfpunkten Entwarnung gegeben werden kann“, fasst Kleinlein die Untersuchung zusammen. (ahu)