Lachnummer

02.07.2021

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Man muss es schon so deutlich sagen: Das große Reformprojekt von Jens Spahn – die Reform der staatlichen Pflege – fällt offenbar der Schlafmützigkeit im Gesundheitsministerium zum Opfer. Leidtragende sind die Pflegebedürftigen mitsamt Familien – und die Pflegekräfte. Doch das Geschäft mit privaten Zusatzpolicen dürfte davon profitieren.

Als Kanzlerkandidat ist Jens Spahn, ehemals Hoffnungsträger der CDU, gescheitert. Das lag auch daran, dass ihm als zuständigem Gesundheitsminister bei der Bewältigung der Corona-Pandemie ohne Unterlass schlimmste Fehler angekreidet wurden. Und jetzt droht ihm ein vollständiges Desaster. Vor vier Jahren angetreten mit seinem großen Reformpaket Pflege, wird auch daraus im Rahmen der jetzigen großen Koalition wohl nichts mehr werden. Ob er in einer neuen Bundesregierung erneut vertreten sein wird, steht angesichts der politischen Großwetterlage in den Sternen – Spahn droht als Bettvorleger zu enden. Ganz offensichtlich hat Spahns Ministerium über vier Jahre hinweg seine Hausaufgaben nicht gemacht. Klaus Holetschek (CSU), Gesundheitsminister in München, forderte jedenfalls von der Bundesregierung „mehr Tempo bei der Pflegereform“. Diese müsse „endlich angepackt“ werden, so Holetschek. Sie dürfe nicht Corona zum Opfer fallen – das sei man den Pflegebedürftigen und den Pflegekräften gleichermaßen schuldig, die eine Perspektive brauchten. Er setze sich deshalb dafür ein, die Pflegereform noch in dieser Legislaturperiode durchzusetzen. Ein frommer und eher populistischer Wunsch. Denn in Berlin bewegt sich so gut wie nichts. Schon im Februar hatte das Bündnis für Gute Pflege Spahn ultimativ aufgefordert, „unverzüglich“ einen Referentenentwurf zur Reform der Pflegeversicherung vorzulegen. Ende März dann kam aus dem Gesundheitsministerium in Berlin ein Arbeitsentwurf; danach wieder absolute Funkstille.

Viel wäre möglich

Der Pflegenotstand in Deutschland ließe sich durch bessere Arbeitsbedingungen deutlich abmildern. Auf einen Schlag gäbe es 26.000 Pflegekräfte mehr, wenn die Arbeitssituation und damit einhergehend die Gesundheit der Pflegerinnen und Pfleger besser wären. Das geht aus dem BARMER-Pflegereport 2020 hervor. Demnach sind Pflegekräfte in Deutschland deutlich häufiger krank und werden öfter frühverrentet als viele andere Berufstätige. „Die Pflegeberufe müssen dringend deutlich arbeitnehmerfreundlicher werden. Mit substanziell und nachhaltig besseren Arbeitsbedingungen könnten Bund, Länder und Arbeitgeber den Pflegeberuf zeitnah attraktiver gestalten. Mit dem Potenzial an 26.000 Pflegekräften könnten zusätzlich 50.000 Menschen versorgt werden“, so Prof. Dr. Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der BARMER. Bessere Arbeitsbedingungen zeichneten sich nicht nur durch eine angemessene Vergütung, sondern vor allem durch möglichst planbare und familienfreundliche Arbeitszeiten aus. Dies bedeute jedoch nicht, dass es nicht auch bei der Bezahlung einen ganz erheblichen Rückstand gibt. Er ist gerade jetzt in der Corona-Pandemie deutlich zu Tage getreten. „Helden“ muss man nicht nur feiern, man sollte sie auch ordentlich bezahlen. Doch damit nicht genug. Um die Situation in der Pflege zu verbessern, sei ein Maßnahmenpaket erforderlich, ergänzt Straub. „In den Pflegeberufen ist eine Aus- und Weiterbildungsoffensive zwingend erforderlich. Der Gesetzgeber hat hier mit der Konzertierten Aktion Pflege, die bis zum Jahr 2023 einen deutlichen Zuwachs an Ausbildungsplätzen vorsieht, einen wichtigen Schritt gemacht.“ Allerdings richte sich der Fokus dabei nur auf Pflegefachkräfte. „Das reicht nicht aus“, so Dr. Straub. Die Pflegedienste und -heime müssten verstärkt auch Ausbildungsplätze für Pflegehilfskräfte anbieten. (hdm)