„Das ist kein Sprint, sondern eher ein Marathon“

22.04.2024

(v.l.n.r.) Stefan Becker, Neuberger Berman Group LLC, Alexander Koch, Amundi Deutschland GmbH, Dr. Frank Ulbricht, BfV Bank für Vermögen AG und Vorstandsmitglied BCA AG, Dr. David Jansen, Partner, Willkie Farr & Gallagher LLP

Totgesagte leben länger, heißt es so schön. Wie schaut das Comeback des ELTIF aus? In diesen Wochen wird viel über den ELTIF 2.0 diskutiert. Seit die Novelle in Kraft getreten ist, fragen sich viele Marktteilnehmer, was es mit der Fondshülle auf sich hat. Grund genug, sich in größerer Runde auszutauschen. Vier Experten stellten sich den Fragen der finanzwelt.

finanzwelt: Die ELTIF-Reform, ausgedrückt im runderneuerten ELTIF 2.0, ist zu Jahresbeginn in Kraft getreten. Durch die Novelle sollten einige Probleme der Vorgängerversion ELTIF 1.0 beseitigt werden. Herr Dr. Jansen, wie kann dieses Update regulatorisch eingeordnet werden?

Dr. David Jansen» Ich glaube, dass die Novellierung an einigen entscheidenden und in der Vergangenheit vielfach kritisierten Aspekten angesetzt hat, um die Gestaltungsmöglichkeiten für Fondsinitiatoren zu erleichtern. So wurden Vereinfachungen im Bereich der erwerbbaren Vermögensgegenstände, der Fremdfinanzierung und, ganz wesentlich, des Vertriebs aufgenommen. Lassen Sie mich kurz beispielhaft erläutern: Der ELTIF 2.0 kann als Dachfonds ausgestaltet werden, wobei er bei dem Spektrum an potenziellen Zielfonds nicht mehr nur auf ELTIFs beschränkt ist. Auch die Anlage in Immobilien wird mit der neuen rechtlichen Hülle signifikant erleichtert, weil hier in der Praxis schwer handhabbare Anforderungen entfallen sind. Diese exemplarischen Erleichterungen machen deutlich, dass der Gesetzgeber den ELTIF konzeptionell überarbeitet hat, um letztlich auch die Attraktivität und Nachfrage nach diesem Vehikel zu erhöhen.

finanzwelt: Kurz nachgehakt, Sie haben es bereits angerissen: Die Novellierung betrifft ganz entscheidend den Vertrieb bzw. die Vertriebsaktivitäten. Dr. Jansen» Absolut. Beim ELTIF im Jahr 2015 wollte der Gesetzgeber beim Anlegerschutz zurecht keine Kompromisse eingehen. Doch gut gemeint ist nicht immer gut gemacht. Es gab dann eine nur für den ELTIF geschaffene Beratungspflicht und zusätzliche KYC-Vorgaben, die sich als Vertriebshürden entpuppten und jetzt gestrichen worden sind. Die Prüfung ist nunmehr an bewährte MiFID-Vorgaben, wie sie auch für andere Produkte gelten, angeglichen.

finanzwelt: Neuberger Berman ist mit drei ELTIFs am Markt. Teilen Sie die dargelegte Ansicht, Herr Becker?

Stefan Becker» Ich denke, dass die wirksamsten Änderungen dieser Reform tatsächlich die Vermarkung betreffen, und zwar in positiver Hinsicht. Der ELTIF 1.0 war tatsächlich ein Kind seiner Zeit, d. h. der Regulator hatte insbesondere noch die Fehlentwicklungen und den mangelnden Anlegerschutz bei geschlossenen Beteiligungen vor Augen. Dem wollte man entgegentreten und zeitgleich Kapital in langfristige Projekte in der EU anziehen. Mit dem ELTIF 2.0 soll insbesondere Privatanlegern ermöglicht werden, in Anlageklassen zu investieren, die ihnen vormals eher verschlossen waren. Wie der Markt den neuen regulatorischen Rahmen und die langsam auf den Markt kommenden Produkte annimmt, bleibt aktuell abzuwarten. Interesse, sowohl von Privaten als auch Institutionellen, ist zumindest vorhanden.

finanzwelt: Deckt sich das mit den Erfahrungen bei Amundi?

Alexander Koch» Ja, den geschilderten Eindruck bekommen auch wir so zurückgespiegelt. Die Komplexität und das Überdrehen der regulatorischen Schraube haben in der Vergangenheit nicht die Erfolge gezeitigt, die man sich 2015 erhofft hatte. Aber Erfahrungen und Lernen aus den Fehlern sind doch entscheidend; mit den Nachschärfungen und Verbesserungen soll nun der Zugang zu den Private Markets per Fonds weiter vereinfacht werden, bei ähnlich hohem Anlegerschutz wie bei UCITS-Fonds. Ein wegweisender Schritt, zumal die Bandbreite an Private Assets dem Endanleger im breiten Portfolio durchaus Mehrwert bieten können.

finanzwelt: Die BfV Bank für Vermögen mit angeschlossenem Haftungsdach ist kein Produktgeber, aber sehr nah dran am Vertrieb. Ist mit der Novelle die Basis für eine steigende ELTIF-Nachfrage geebnet?

Dr. Frank Ulbricht» Tendenziell ja. Die entscheidende Frage lautet, welchen Anlegerkreis das Produkt ansprechen soll. Für die privaten Investoren spielten Mindestanlagesumme und die Begrenzung auf maximal 10 % des liquiden Vermögens eine sehr bedeutende Rolle. Mit der ELTIF-2.0-Verordnung ist diesbezüglich eine spürbare Entlastung gekommen. Die Eintrittsbarrieren wurden gesenkt; das verschafft Rückenwind. Ich denke, damit ist grundsätzlich die Möglichkeit einer echten Alternativen zu offenen Immobilien-Publikumsfonds geschaffen worden. Neben Aktien und Anleihen wird dem Privatanleger die Welt der alternativen Anlagen zugänglich gemacht: Private Equity, Private Debt und vor allem das Thema Infrastrukturinvestments. Nachfrage muss natürlich auf ein entsprechendes Angebot stoßen und hier merken wir, dass viele Gesellschaften mit Produkten in den Startlöchern stehen.

finanzwelt: Gibt es aktuell noch etwaige Schwachstellen oder Unklarheiten bei der Reform?

Dr. Jansen» Die wichtigen technischen Regulierungsstandards (RTS) für die novellierte Verordnung über den ELTIF sind zwar als Entwurf veröffentlicht, aber noch nicht abschließend gebilligt worden. Wann dies im Jahresverlauf erfolgt, ist noch nicht absehbar. Die wichtigsten Themen betreffen hier Mindesthalteund Rücknahmefristen.

Becker» Es ist denkbar, dass die RTS jetzt auch in der vorliegenden Form einfach so angenommen werden, um Zeit zu gewinnen. Sonst könnten diese technischen Regulierungsstandards gegebenenfalls erst nach den Europawahlen im Sommer nochmals neu diskutiert und somit erst viel später verabschiedet werden.

finanzwelt: Welche Rechtsformen werden für den ELTIF genutzt?

Koch» Wir nutzen aus Gründen der regulatorischen Flexibilität Luxemburger Rechtsformen, den RAIF oder UCI Part II. Luxemburg ist für die Auflage neuer Fonds ein guter Standort und wir haben diesbezüglich in der Vergangenheit sehr gute Erfahrungen gemacht.

finanzwelt: Scope hat im vergangenen Jahr eine europäische ELTIF-Studie vorgelegt. Man schaut doch immer gerne über den Tellerrand hinaus. Lernen von den Nachbarn – ist dies auch bei diesem Thema möglich?

Koch» Zumindest überlegenswert. Es gibt in einigen Ländern auch steuerliche Anreize, um langfristig in die europäische Realwirtschaft zu investieren. Das könnte auch für Deutschland attraktiv sein.

finanzwelt: Nach der rechtlichen Einordnung und den damit verknüpften Herausforderungen möchten wir nun auf die Ausgestaltung der ELTIFs eingehen. Alternative Investments sind eine Geldanlage abseits der „Norm“. Was halten Sie in diesem Zusammenhang von der Formulierung „Demokratisierung einer Anlageklasse“?

Becker» Die Öffnung dieser vielfältigen Anlageklasse für Privatinvestoren ist zu begrüßen. Alternative Anlagen bieten aufgrund ihrer sehr langfristigen Orientierung einen Ausgleich, da diese Anlageklassen in der Regel weniger stark im Wert schwanken. Alternatives können Diversifikation und attraktive langfristige Renditen bieten sowie ein Engagement für eine nachhaltigere Zukunft sein.

Dr. Ulbricht» Die möglichen Vorteile von Investments in diese Assetklassen liegen auf der Hand. Ich möchte jedoch hervorheben, dass es sich bei Private Equity, Private Debt oder auch Infrastruktur im Unterschied zu Aktien und Anleihen um klassische Langfristanlagen handelt, die kaum liquide sind. Das sollten Privatanleger wissen und es liegt an uns, dies entsprechend in den Beratungsgesprächen deutlich zu machen. Hinzu kommt, dass Alternatives in der Regel ein hohes Maß an Investmentexpertise voraussetzen, über die eine Vielzahl der privaten Investoren nicht verfügt. Das gilt übrigens tendenziell auch für Berater. Der ELTIF 2.0 öffnet Türen, ermöglicht ein breiteres Spektrum an Investmentopportunitäten, ist jedoch auch kein Selbstläufer. Aufklärung und Wissenstransfer sind in diesem Zusammenhang, auch mit Blick auf die Erfolgsaussichten der Produkte, ganz entscheidend. Abgesehen davon ist hervorzuheben, dass der ELTIF (offen oder geschlossen) als Beimischung im bestehenden Portfolio dient und kein klassisches Basisinvestment darstellt.

Koch» Das kann ich nur unterstreichen. Für ELTIFs sollte es eine Beratungspflicht geben. In Deutschland haben viele Privatkundenberater vielleicht schon ein grundlegendes Wissen über die Anlageklassen, auch bedingt durch die Immobilienfonds. Doch rudimentäres Know-how reicht hierbei nicht aus. Der Informationsbedarf ist hoch und umfassend. Und ich glaube, an dieser Stelle sind wir alle in der Pflicht. Ob es jetzt ein Asset Manager, eine Vertriebseinheit oder ein Intermediär ist. Auf Augenhöhe mit den Beratern muss das Fundament dafür geschaffen werden, damit es ein ‚Erfolgsmodell‘ wird.

finanzwelt: Man liest überall, der ELTIF sei ein „Gamechanger“. Doch für welche Klientel ist das Produkt geeignet?

Becker» Auch wenn mit der Novellierung der Mindestanlagebetrag pro Anleger sowie der ELTIF-spezifische Eignungstest entfallen, ist es ein komplexer regulatorischer Rahmen, der sich nur als Beimischung im bereits diversifizierten Portfolio für Privatanleger eignet. Für den Umgang mit ELTIFs bedarf es, wie geschildert, spezieller Expertisen, sowohl auf Seiten der Kunden als auch bei Beratern. Aktuell sind viele noch in der Wartestellung und es existieren zwangsläufig viele Missverständnisse. Denken Sie nur an die verschiedenen Anlageklassen, die in den ELTIF 2.0 einfließen können. Ein Beispiel wäre Private Equity; eine Anlageklasse, die hierzulande nach wie vor mit viel Unwissen verbunden ist. Das müssen wir gemeinsam in Angriff nehmen und überwinden. Klar ist, der ELTIF 2.0 steht für eine langfristige Kapitalanlage.