„Es gilt, Verlierer zu vermeiden“

24.04.2024

Tom Ackermans, Portfolio Manager Fidelity Germany Fund / Foto: © Fidelity

Deutschland im Frühjahr 2024. Wie ist es um die hiesige Wirtschaftsleistung bestellt? Gibt es Lichtblicke? Sehen wir ein Comeback der Nebenwerte? Viele Fragen, die finanzwelt in Kronberg mit Tom Ackermans, Portfolio Manager Fidelity Germany Fund, erörterte.

finanzwelt: IWF und EU attestieren der deutschen Wirtschaft ein Mini-Wachstum für das laufende Jahr. Wie ist es aus Ihrer Sicht um die hiesige Volkswirtschaft bestellt?

Tom Ackermans» Ja, die Wehklagen über die deutsche Wirtschaft sind groß, zumal die Wachstumsprognosen nach unten korrigiert wurden. Die Zeiten sind durchaus anspruchsvoll. Mit der Transformation der Wirtschaft und dem allgegenwärtigen Reformstau gibt es eine Reihe von schwerwiegenden Herausforderungen, denen sich die deutschen Unternehmen stellen müssen. Doch alles schwarzzumalen, trifft die Realität auch nicht. Einige Branchen, wie beispielsweise der Chemiesektor, blicken auf ein schwieriges Jahr 2023 zurück und sind jetzt in einer Übergangsphase, in der sich die Nachfrage langsam verbessert. Natürlich gibt es auch Schattenseiten, beispielsweise in der Baubranche. Doch in der Summe gibt es durchaus deutsche Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb sehr gut positioniert sind.

finanzwelt: Vom „kranken Mann“ Europas ist teilweise die Rede und es wird viel lamentiert. Die deutsche Wirtschaft agiert nicht im luftleeren Raum. Sind einige Probleme dennoch hausgemacht?

Ackermans» Absolut. Die überbordende Bürokratie ist ja in der öffentlichen Diskussion allgegenwärtig. Die hiesigen Unternehmen, oftmals auch global aktiv, müssen sich mit ihren Wettbewerbern in den USA oder Asien messen lassen. Das ist die Benchmark. Wir können uns nicht auf dem Erreichten ausruhen. Die Welt ist im steten Wandel; das gilt es, sich jederzeit zu vergegenwärtigen. Um mitzuhalten, müssen sich Unternehmen und ihre Geschäftsfelder weiterentwickeln und Innovationen vorantreiben können. Sonst werden wir abgehängt.

finanzwelt: Nun möchte die Regierung die Schuldenbremse einhalten und sparen.

Ackermans» Das ist in der gegenwärtigen Lage zu kurz gedacht. Viele multinationale Unternehmen fordern eine Aufweichung der Schuldenbremse, und ich kann das nachvollziehen. Sie führen z. B. das Argument an, dass der klimagerechte Umbau der Wirtschaft finanzielle Ressourcen benötigt. Ein zu rigider Sparkurs kann auf Kosten des Wachstums gehen.

finanzwelt: Lassen Sie uns kurz ein Thema streifen, das dieser Tage viel diskutiert wird. Ein (mögliches) Comeback der Nebenwerte.

Ackermans» Es stimmt, dass in den Vorjahren die Kursentwicklung an den Börsen nur von wenigen großen Unternehmen getragen wurde. Die kleineren Titel hatten angesichts Rezessionssorgen und höherer Inflationsraten oftmals einen schweren Stand. Unser Augenmerk liegt jedoch nicht auf der Indexbetrachtung, sondern im Stock Picking. Genauer gesagt investieren wir in Einzeltitel, die eine langfristig gute Wertentwicklung bieten und überzeugen. Es muss dabei nicht der nächste Überflieger sein. Das Vermeiden von Verlusten ist mindestens genauso wichtig, wenn nicht sogar wichtiger.

finanzwelt: Seit Herbst vergangenen Jahres sind Sie federführend beim Fidelity Germany Fund. Wo gewichten Sie derzeit über? Bleiben Sie der Investmentphilosophie treu?

Ackermans» Eine Übergewichtung haben wir aktuell bei Versicherungsunternehmen und im Bereich Software und IT. Dagegen sind wir im Chemie- und Automobilsektor eher untergewichtet. Ich bleibe dem erprobten Investmentansatz des Fonds treu, d. h. einerseits stehen Qualitätsunternehmen mit erstklassigen Wachstumsaussichten im Fokus, andererseits gilt es, Verlierer zu vermeiden. (ah)