Stößt Indien China vom Thron?

18.04.2024

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Diejenigen, die in den vergangenen zwei Jahrzehnten über Investmentmöglichkeiten in Asien nachdachten, kamen am chinesischen Riesen kaum vorbei. Der ferne Kontinent im Osten und die kommende Weltmacht gingen sozusagen Hand in Hand. Spätestens mit der Corona-Pandemie und der schwelenden Immobilienkrise ist Peking ins Schleudern geraten. Ganz anders der indische Nachbar. Das Land hat sich gemausert und zieht Investoren an. Nach einer fulminanten Rallye ist die Frage, ob in Neu-Delhi noch Luft nach oben ist.

„Indien wird zur wirtschaftlichen Supermacht“, titelte der ARD-Weltspiegel. „Wachstumsland Indien: Welche Chancen bieten sich Investoren?“, fragte das Magazin Capital im Herbst des vergangenen Jahres. Keine Frage, das Land am Ganges ist wieder im Kommen. Investoren hoffen auf ordentliche Renditen und legen ihre Gelder an. Oftmals wurde der Staat nur als verlängerte Werkbank Chinas abgetan. Doch die Fortschritte, insbesondere die Wirtschaftsleistung, sind erheblich. Gepaart mit einer jungen, wachsenden Bevölkerung strebt Indien zur Weltmacht heran. Die Börse frohlockt. Zu viel der Euphorie?

Dynamisches Bevölkerungswachstum und attraktive Unternehmenslandschaft

Laut des GTAI (Germany Trade and Invest) ist Indien seit Sommer des vergangenen Jahres das bevölkerungsreichste Land der Welt. Wirtschaftlich schließt der Subkontinent ebenfalls zu den Großen auf. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt liegt Indiens Wirtschaft derzeit auf Platz 5, so die Forscher des GTAI. Laut Prognosen wird die jährliche Wirtschaftsleistung bis Ende der Dekade die von Deutschland und Japan überholen. Respekt! Vinay Agarwal, Director bei FSSA Investment Managers, stößt in den positiven Grundtenor ein: „Indien dürfte bis 2030 zur drittgrößten Volkswirtschaft der Welt aufsteigen. Seine Anziehungskraft als Investitionsziel wird durch eine große Bevölkerung von aufstrebenden und jungen Verbrauchern untermauert. Mehr als die Hälfte der Bürger des Landes ist unter 30 Jahre alt, und mit der zunehmenden Formalisierung der Wirtschaft und dem steigenden Pro-Kopf-Einkommen ändern sich auch ihre Konsumpräferenzen. Das beeindruckende Wachstum des Landes, die gestärkten Corporate-Governance-Standards und das große Universum an Unternehmen, die hohe Kapitalrenditen erwirtschaften, tragen zur Attraktivität des Landes bei.“

SENSEX Performance

Quelle: https://www.finanzen.net/index/sensex, Abruf am 07.02.2024

Modi vor einer neuen Regierungsperiode?

Die Erfolgsgeschichte Indiens ist untrennbar mit einem Namen verbunden: Narendra Modi, dem seit 2014 amtierenden Premierminister. Er hat viel bewirkt und Reformen angestoßen. In Kürze wird in der größten Demokratie der Welt ein neues Parlament für eine fünfjährige Amtszeit gewählt. Modis Bharatiya Janata Party (BJP) tritt gegen den Indischen Nationalkongress, der das Land nach der Unabhängigkeit 1947 die meiste Zeit regiert hatte, und mehrere regionale Parteien an. „Werden die Wahlen zu einer Fortsetzung der bisherigen Politik führen oder einen politischen Kurswechsel einläuten? Diese Frage beschäftigt die Anleger am meisten. Modis Anhänger interpretieren die Erdrutschsiege seiner Partei bei Regionalwalen in mehreren Bundesstaaten Ende 2023 als klare Bestätigung seiner wachstumsorientierten Politik“, sagt Avinash Vazirani, Investment Manager Indian Equities bei Jupiter Asset Management. In der Tat ist es die gelungene Kombination entscheidender Faktoren, die das Ansehen Indiens im internationalen Konzert der Weltmächte gehoben hat. Und das lockt Investoren und Unternehmen an. Auch für die deutsche Unternehmenslandschaft spielt das Land in Südasien zunehmend eine bedeutende Rolle. Das schlägt sich im wachsenden bilateralen Handel nieder. Im Jahr 2022 handelten beide Länder erstmals Waren im Wert von mehr als 30 Mrd. US-Dollar, so das GTAI. Zudem hofft die Regierung, dass das Land zusätzliche Marktanteile im Zuge der Verlagerung von Lieferketten erringt. Die junge Bevölkerung kurbelt den Konsum an, was Rückenwind gibt. „Auch andere Branchen wie Infrastrukturausrüster, insbesondere Farben- und Zementunternehmen, können vom Streben des Landes nach einer verbesserten Qualitätsinfrastruktur profitieren. Gut geführte Unternehmen in diesen Branchen, die sich durch hohe Renditen und eine geringem Verschuldung auszeichnen, werden mit der Entwicklung Indiens florieren. Im Rampenlicht steht auch der Finanzsektor, wo private Banken von der zunehmenden Verbreitung von Finanzdienstleistungen im ganzen Land profitieren dürften“, bemerkt Experte Agarwal in diesem Zusammenhang.

Und die Börse?

„Indischer Aktienmarkt überholt Börse Hongkong“, lautete eine Schlagzeile Ende Januar bezogen auf die Marktkapitalisierung. Tatsächlich schlägt sich die Erfolgsstory Indiens auch an der Börse nieder. Der SENSEX 30 steht Anfang März bei mehr als 74.000 Zählern und hat auf Ein-Jahressicht mehr als 20 % zugelegt. Experten sind indes uneins, wie lange der nun schon Jahre andauernde Höhenflug anhält. Vieles könnte und ist eingepreist. Hinzu kommt, dass Kapital wieder nach China abfließen könnte, sobald die dortige Lage wieder hoffnungsvoller erscheint. Aktuell ist der Subkontinent noch einen Blick wert. (ah)