Das ewige Für und Wider

23.02.2022

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Vor wenigen Wochen startete der zuständige Arbeitsausschuss des Deutschen Instituts für Normung (DIN e. V.) ein Projekt für eine ESG-Modulerweiterung zur Finanzanalyse-Norm DIN 77230. Verdrehen Sie die Augen, sobald Sie „DIN“ lesen oder haben Sie Vorteile für sich durch eine Zertifizierung erkannt?

Der allgemeine Ruf der Finanzbranche ist angeschlagen. Verbraucher verstehen oft zu wenig vom Thema und sind verunsichert. Skandale aus der Branche tun ihr Übriges. Verbraucherschützer und Politik fordern deshalb immer wieder stärkere Regulationen. Dabei lässt sich sicher sagen, dass der Branche damit Unrecht getan wird. Regulationen kommen trotzdem.

Die erste DIN-Norm für die Finanzanalyse von Privathaushalten sollte ab 2019 Abhilfe schaffen – eine freiwillige Regelung aus den eigenen Reihen. Für mehr Transparenz und Sicherheit auf allen Seiten. „Die Basis-Finanzanalyse für Privathaushalte wurde im Januar 2019 veröffentlicht. Es dauerte bis Ende 2019, bis eine gute Auswahl an Software-Applikationen zur Auswahl stand, die die Bedarfsanalyse nach DIN 77230 abbildete. Heute gibt es neun normkonforme Analyse-Tools,“ so Dr. Klaus Möller, Vorstand DEFINO Institut für Finanznorm. Dr. Möller zufolge habe zudem dann die Coronakrise die weitere Verbreitung der Norm unter Vermittlern gebremst. Heute sind es 2.000 Berater. Für Oliver Pradetto, Geschäftsführer bei blau direkt, ein Grund zur Kritik: „Tatsächlich gibt es hier keine Bewegung. Die Norm bleibt eine sehr akademische Idee.“ Laut Pradetto gebe es eine Fachorgie, Kunden funktionierten anders. Ein Ranking des Bewertungsportals WhoFinance von 2021 zeigt das Gegenteil: DIN-zertifizierte Berater waren mit 12 % überdurchschnittlich unter den Besten 1.000 vertreten. Dr. Möller wundert das nicht. Seiner Meinung nach helfe die Norm bei der Vertrauensbildung in Online-Beratungen und einer krisenfesten Aufstellung der Kunden. „Wir spüren anhand der Anfragen deshalb gerade aktuell ein wieder stark wachsendes Interesse an der Zertifizierung nach der DIN 77230.“ Auch die „Geschäftskundennorm“ 77235 bringe einen großen Mehrwert. Zur Umsetzung fehlt aber auch hier noch die richtige Software.

Währenddessen sind das ESG-Modul zur DIN 77230 und die DIN 77223 für eine standardisierte Risikoprofilierung von Privatanlegern in Arbeit. „Abgesehen davon, dass kein Vermittler mehr Regulierung ertragen kann, wollen Kunden auch gern mal in Ruhe gelassen werden“, meint Pradetto dazu. Dr. Möller versteht die Regulierungsmüdigkeit der Vermittler. Dennoch sehe er die Selbstregulierung durch Normen als ein probates Mittel gegen politische Regulierungswut. Und auch andere Vorteile leuchten ein: „Normen, von Praktikern für Praktiker, verhelfen im Gegensatz zu Regulierungen zu mehr Effizienz und Sicherheit“, so Dr. Möller. Ihm zufolge unterstützten Normen Vermittler bei der Umsetzung von Regulierungen und geben Haftungssicherheit. Besonders das ESG-Modul solle beispielsweise bei der Umsetzung der kaum überschaubaren Regelungen rund um Nachhaltigkeit dienen. (lb)