Sekundensache mit System?

30.04.2025

Tradingexperte Tim Grüger. Foto: © TF Daytrading

Was einst institutionellen Investoren vorbehalten war, ist heute auch für Privatanleger Realität: Dank Internet und Online-Brokern lassen sich Aktien und andere Finanzprodukte in Sekundenschnelle handeln. Besonders junge Menschen unter 30 interessieren sich dabei zunehmend für Finanzmärkte. Sie investieren lieber – in Aktien, ETFs und Kryptowährungen –, als zu sparen und vor allem traden sie auch. YouTube, Instagram, Twitch oder TikTok haben sich dabei zu neuen Taktgebern entwickelt. Tutorials und Tipps versprechen allerdings allzu oft einen schnellen, einfachen Einstieg ins Trading. Und genau hier liegt die erste Hürde: Der Eindruck trügt. Hohe Handelsfrequenzen, schnelle Entscheidungen und komplexe Abläufe machen das Daytrading zur echten Herausforderung. Wer hier bestehen will, braucht mehr als Glück – nämlich Geduld, Disziplin und ein klares System.

Bereits ein einziger unkontrollierter Trade kann ein mühsam aufgebautes Konto erheblich schädigen. Grund dafür ist nicht unbedingt mangelndes Wissen, sondern fehlendes Risikomanagement. Denn was simpel klingt, wird in der Praxis häufig unterschätzt: Einsätze begrenzen, Verluste akzeptieren, Disziplin über Emotion stellen. Zentrale Stellschraube ist die Positionsgröße, also die Begrenzung des eingesetzten Kapitals pro Trade. Bewährt hat sich hier die 1-Prozent-Regel. Um das Portfolio vor größeren Rückschlägen zu schützen, wird maximal 1 Prozent des Gesamtkapitals riskiert. Die Herausforderung liegt dabei in der Konsequenz: Kann man auch nach mehreren Verlusten noch diszipliniert klein bleiben? Hier helfen Stop-Loss-Orders und Take-Profit-Orders, die Gewinne sichern und emotionale Entscheidungen vermeiden. Ein weiteres Tool im Trader-Arsenal ist die Berechnung des Chance-Risiko-Verhältnisses (CRV). Es hilft dabei, die Relation zwischen möglichem Gewinn und möglichem Verlust zu bewerten. Viele Einsteiger gehen Trades mit einem CRV von 1:1 oder schlechter ein, weil sie hoffen, statt zu analysieren. Wer aber dauerhaft unter einem CRV von 1:2 handelt, bewegt sich rechnerisch in Richtung Verlustzone, wenn die Trefferquote nicht entsprechend hoch ist.

Klar denken, besser traden

Auch Emotionen spielen beim Trading eine zentrale, wenn auch unterschätzte Rolle. Gier, Angst und Euphorie führen zu impulsiven Entscheidungen, unüberlegten Einstiegen oder unnötigem Festhalten an Verlustpositionen. Nach Gewinnserien neigen vor allem unerfahrene Trader zur Selbstüberschätzung, nach Verlusten zu lähmender Unsicherheit. Beide Extreme führen zu Abweichungen vom Plan – mit oft teuren Konsequenzen. Auch der Einsatz von Hebelprodukten wie CFDs – Differenzkontrakte, mit denen auf Kursbewegungen spekuliert wird, ohne den Basiswert zu besitzen – lockt mit der Aussicht auf schnelle Gewinne, doch genau hier lauert eine weitere Gefahr: Die Dynamik eines gehebelt laufenden Trades kann emotional überwältigend sein und bei Überhebelung kann der Trade schnell zur Existenzbedrohung werden. Um solche emotionalen Fallen zu vermeiden, ist mentale Ausgeglichenheit entscheidend. Zum Trainieren kann hier wieder ein Demokonto zum Einsatz kommen. Außerdem sorgen regelmäßige Pausen, ein durchdachtes Money Management und realistische Zielsetzungen dafür, fokussiert zu bleiben. Selbst das Führen eines Trading-Journals ist ein effektiver Weg zur emotionalen Kontrolle. Es dokumentiert nicht nur technische Details, sondern auch die Gedanken, Gefühle und Motive hinter jedem Trade. So lassen sich wiederkehrende Muster erkennen, Fehler vermeiden und lässt sich das eigene Verhalten gezielt verbessern. Letztlich entscheidet Disziplin, also die Fähigkeit, sich selbst im Griff zu haben, über Erfolg und Misserfolg im Trading – sie schützt vor emotionalen Kurzschlussreaktionen und sorgt für langfristige Stabilität.

Trading braucht Stil und System

Ohne feste Regeln und systematisches Handeln steht der Markt meist gegen den Trader. Entsprechend wichtig ist es, mit klar definierten Set-ups und statistischen Vorteilen – dem sogenannten Trading-Edge – zu arbeiten. Der sollte sich auch über viele Trades hinweg als profitabel erwiesen haben. Außerdem sollten Trader präzise Regeln festlegen, etwa für Ein- und Ausstieg durch Stop-Loss-Orders oder TakeProfit-Orders, die automatisch Gewinne realisieren, sobald ein Ziel erreicht ist. Auch die Wahl des richtigen Tradingstils ist entscheidend – nicht nur für den Erfolg, Gastbeitrag Finanzwelt sondern auch für die eigene mentale Belastbarkeit. Jeder Ansatz birgt dabei eigene Herausforderungen. Um Strategien zu testen und die eigene Disziplin zu schärfen, sollten Einsteiger mit Demokonten üben. Das bietet ihnen auch die Gelegenheit, ihren Tradingstil zu finden. Aktive Trader, die blitzschnelle Entscheidungen treffen können, fühlen sich oft mit dem sogenannten Scalping wohl. Hier werden Positionen meist wenige Sekunden bis maximal 30 Minuten gehalten. Ziel ist es, durch viele kleine Gewinne ein Gesamtplus zu erzielen. Beim Daytrading hingegen bleiben Positionen meist mehrere Stunden offen, werden aber innerhalb eines Handelstages geschlossen – etwa über Stop-Loss oder Take-Profit. Swingtrading bietet hingegen einen entspannteren Rhythmus: Positionen bleiben mehrere Tage oder Wochen im Markt, um von mittelfristigen Kursbewegungen zu profitieren. Noch langfristiger agieren Positionstrader, die Finanzprodukte über Wochen, Monate oder sogar Jahre halten, um von stabilen Trends zu profitieren. Entscheidend ist, den eigenen Stil zu finden, der zeitlich, mental und strategisch zu einem passt. Nur so lässt sich beispielsweise Overtrading vermeiden, also das übermäßige Eingehen von Positionen ohne klare Strategie.

Wachsen mit jedem Trade

Trading ist keine Glückssache, sondern ein Job – und der beginnt mit System, Selbstkenntnis und Disziplin. Wer diese Herausforderungen annimmt, legt das Fundament für nachhaltigen Erfolg an den Märkten. 

Ein Gastbeitrag von Tim Grüger, Trader & Finanzexperte, https://www.tradingfreaks.com/