Nicht auf den Staat verlassen

08.02.2015

Man mag es kaum glauben, aber in Sachen Unfallversicherung sind die Deutschen weitestgehend ahnungslos. Die meisten von ihnen besitzen nicht mal eine eigene Police und verlassen sich stattdessen auf den Staat. Der Vertrieb ist hieran nicht frei von Schuld. Er sollte die geringe Vergütung hintenanstellen und an die Zukunft denken. Auch an seine eigene.

Das Auto ist des Deutschen liebstes Kind. Und was fürchten sie am meisten? Einen Autounfall. Das zeigt eine aktuelle YouGov-Umfrage im Auftrag der Helvetia. 62 % aller Befragten halten dieses Risiko für besonders bedrohlich, dabei Frauen mit 67 % stärker als Männer mit 57 %. Sportunfälle hinken mit gerade mal 10 % weit dahinter zurück. Das ist eine fatale Fehleinschätzung. Im Freizeitbereich ereignen sich nämlich laut Statistik mit einem Anteil von 27 % die meisten Unfälle beim Sport. Der Fußball steht dabei an erster Stelle. Und wer nun der Ansicht ist, zumindest beim Kicken in der Betriebsmannschaft ja über die Berufsgenossenschaft abgesichert zu sein, irrt ebenfalls ganz gewaltig. So erklärt Thorsten Pellnath, Leiter der Unfallsparte bei der Basler Sachversicherung: „Verletzungen, die während einer Unternehmensteilnahme an einem Marathon oder einem firmeninternen Fußballturnier entstehen, sind in der Regel nicht abgedeckt."

Es herrscht Unwissenheit hinsichtlich des Schutzes durch die gesetzliche Unfallversicherung.

Dies hat auch die Helvetia in ihrer Umfrage festgestellt, so Volker Steck, CEO der Helvetia Deutschland: „Vielen ist unklar, wann der gesetzliche Schutz aufhört und der private notwendig ist." Es müsse noch deutliche Aufklärungsarbeit geleistet werden. Zumal eine Millisekunde Unaufmerksamkeit zur vollständigen Vernichtung der finanziellen Existenz führen kann. Dies hat das Beispiel Michael Schumacher erschreckend bewiesen. Dennoch besitzen 60 % der Deutschen keine private Unfallversicherung. An den Kosten kann es kaum liegen, denn je nach vertraglicher Ausgestaltung sind die Policen eher preiswert. Und auch an Attraktivität fehlt es nicht, bietet der Markt doch eine riesige Palette an unterschiedlichen Modellen – vom Versicherungsschutz für die Kleinsten inklusive Absicherung gegen Krankheitsfolgen über Rundum-Absicherungen für die ganze Familie bis hin zu speziellen Seniorenabsicherungen, Assistance-Leistungen inklusive. Möglicherweise fehlt den Vermittlern der rechte Antrieb, gegen eher bescheidene Vergütungen eingehend zu beraten. Wie sonst wäre es wohl zu erklären, dass in der Helvetia-Umfrage jeder Fünfte der Meinung war, der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung erstrecke sich auch auf den heimischen Bereich.

Das Online-Geschäft überholt den Vertrieb. Geradezu fahrlässig geben viele Vermittler damit gleichzeitig ein Geschäft ans Internet ab, mit dem sie im Rahmen einer stimmigen Kundenbetreuung im ständigen Gespräch bleiben könnten. Denn so viel steht fest: Die Versicherer warten nicht auf den zögerlichen Vertrieb. Das hat erst kürzlich die Allianz unter Beweis gestellt. Bis zum Jahr 2018 will deren Vorstandschef Dr. Markus Rieß das Online-Geschäft kräftig ausbauen. Und auch die Bayerische schläft nicht. Im vergangenen Jahr brachte sie zum Start des Münchener Oktoberfestes gemeinsam mit der Düsseldorfer SituatiVe GmbH bereits eine zeitlich auf den Rummel begrenzte Kurzzeitpolice gegen Unfälle auf den Markt. Versichert waren dabei – entgegen marktüblichem Usus – auch Unfälle unter Alkohol. Natürlich online abschließbar. Aus diesem vermeintlichen Marketing-Gag aber könnte im Direktgeschäft durchaus ein Appetizer auf mehr werden.

Kurzinterview

„UNFALLVERSICHERUNG – JE FRÜHER, DESTO BESSER!"

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Martin Gräfer**, Vorstand der Versicherungsgruppe die Bayerische,

beantwortet im Interview Fragen zur Kinderunfallversicherung.

finanzwelt**: Ist eine Kinderunfallversicherung ohne die Absicherung schwerer Krankheiten überhaupt noch zeitgemäß?

Gräfer: Eine Unfallfallversicherung ist eine der wichtigsten Versicherungen für Familien überhaupt. Als vierfacher Vater weiß ich, wovon ich rede. Gerade bei den Kleinen ist die Unfallgefahr besonders hoch: Jedes Jahr verunglücken rund zwei Millionen Kinder in ihrer Freizeit bei Spiel und Sport. Und der gesetzliche Unfallschutz gilt nur auf dem direkten Weg zum Kindergarten oder zur Schule und während des dortigen Aufenthaltes. Eine Ergänzung durch eine Schwere-Krankheiten-Abdeckung ist nützlich, genauso wie die Vorsorge für das Krankenhaus durch eine Krankenzusatzversicherung – damit man im Fall der Fälle die optimale medizinische Versorgung genießen kann.

finanzwelt: Wann ist der ideale Zeitpunkt für Makler, Eltern auf das Thema Kinderunfall anzusprechen?

Gräfer: Am besten schon während der Schwangerschaft. Denn da haben die Eltern noch genügend Zeit, sich beraten zu lassen, können in Ruhe Entscheidungen treffen – und sind dann mit der Geburt abgesichert.

finanzwelt: Kann eine Kinderunfallversicherung bei Volljährigkeit ohne Gesundheitsprüfung in eine „normale" Unfallversicherung umgewandelt werden?

Gräfer: Das ist möglich. Sinnvoll ist es, gleich über ein „Kinderpaket" nachzudenken, wie es etwa die Bayerische anbietet. Damit sind alle wichtigen Risiken abgedeckt – und zugleich wird für die Ausbildung des Nachwuchses etwas getan. Je früher Eltern dafür Vorsorge treffen, desto größer ist später das Finanzpolster. _(hwt)

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Unfallversicherung - Printausgabe 01/2015