Totgesagte leben länger

14.12.2021

Foto: © bildschoenes - stock.adobe.com

Die Ratingagentur Scope erfasst regelmäßig die von der BaFin gestatteten geschlossenen Alternativen Investment Fonds (AIF) und Vermögensanlagen für private Kapitalanleger. Dabei lesen sich die kürzlich veröffentlichen Zahlen wie ein Abschied auf Raten. „In den ersten neun Monaten des Jahres 2021 verharrt das Angebot mit 595 Mio. Euro prospektiertem Eigenkapital, verteilt auf 20 Publikums-AIF, auf annähernd gleich hohem Niveau wie im Vorjahreszeitraum (572 Mio. Euro) mit 21 Fonds“, schreiben die Analysten in ihrem aktuellen Report. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Auch wenn der Höchststand mit 11 Mrd. Euro vermitteltem Eigenkapital aus dem Jahr 2007 wohl nie mehr erreicht werden wird, gibt es jedoch eine Reihe von Entwicklungen, die der Branche Mut machen – trotz aller durch Corona verursachten Schwierigkeiten.

Der geschlossene Publikums-AIF ist eine Kapitalanlage, die sich nicht von selbst verkauft, denn es handelt sich dabei um unternehmerische Beteiligungen mit Chancen und Risiken. Berater und Vermittler müssen viele Dinge erklären und dabei herausfinden, ob ihr Kunde das Produkt versteht. In den ersten Wochen und Monaten nach Ausbruch der Pandemie im Frühjahr 2020 passierte daher erst einmal – nichts. Die Umsätze gingen gegen null. Potenzielle Anleger waren verunsichert und wollten keine langfristigen Investments eingehen, denn die Fonds haben nicht selten eine Laufzeit von zehn Jahren und länger. Außerdem hatten sich viele Banken und Vermögensberater eine Quarantäne verordnet. Oft war der Zugriff auf die Unternehmens-IT nicht möglich, was sogar ein telefonisches Beratungsgespräch verhinderte.

Doch schon im Mai 2020 wendete sich das Blatt, berichtete Reiner Seelheim, CEO der IT- und Vertriebsplattform efonds AG und: „Der Juni war besser als im Jahr zuvor.“ Seelheim hat aber auch bereits vor anderthalb Jahren erkannt, was seitdem den Markt der geschlossenen Publikums-AIF definiert: Bei den Assets hat ein Wandel stattgefunden. Seit Corona haben fast ausschließlich Investitionsobjekte eine Chance im Vertrieb, die sich in die Kategorie „Systemrelevanz“ einordnen lassen. Dabei spielen die persönlichen Erfahrungen der Vertriebspartner und Anleger eine bedeutende Rolle. Sie haben erlebt, dass Fach- und Lebensmittelmärkte durchgehend geöffnet hatten, Einkaufszentren dagegen geschlossen waren. Sie haben ihre Büros verlassen, um im Homeoffice zu arbeiten. Gewohnt wird immer, und viele Menschen wussten ihre Angehörigen im Pflegeheim gut aufgehoben.

Genau dieses Phänomen spiegelt sich im Angebot der AIF-Initiatoren wider. Dr. Peters zum Beispiel zog seinen damals geplanten Hotelfonds vom Markt und platziert stattdessen seit einigen Monaten einen Fonds, der ein Portfolio aus Supermärkten und Discountern finanziert. „Mit dem Fonds treffen wir den Nerv der Anleger“, sagt Benedikt Engels, Vertriebsdirektor bei Dr. Peters. Mit dem AIF „Immobilienportfolio Deutschland I“ hat der Anbieter gutes Timing beweisen, denn nur ein weiterer Initiator platziert derzeit einen ähnlichen Fonds: Das schon seit vielen Jahren auf Fach- und Lebensmittelhandel spezialisierte Emissionshaus ILG. Aktuell sammelt es Kapital ein für den „Immobilienfonds Nr. 43“, der ein bundesweites Nahversorgungsportfolio aufbauen will. Geplant ist der Kauf von rund zehn Lebensmittelmärkten mit Mietern wie Edeka, Rewe, Aldi, Lidl und Netto, die regional verteilt sind. Das Startportfolio besteht aus drei Märkten in Dortmund, Mülheim und Altötting, die an Edeka und zweimal an Netto vermietet sind.

Weiter auf Seite 2