Überschussbeteiligung 2023: Mögliche Trendwende

26.01.2023

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Das unabhängige Analysehaus MORGEN & MORGEN blickt hinter die Kulissen der Lebensversicherer und ordnet die Vielzahl steigender Überschussbeteiligungen im Gesamtkontext ein.

Rund 20 Versicherer haben zum Jahreswechsel ihre Überschussbeteiligung angehoben. Aufgrund der gestiegenen Zinsen am Kapitalmarkt erscheint diese vermeintliche Trendwende zunächst nicht überraschend und für die Versicherungsnehmer sehr erfreulich. Aber ist es nicht noch zu früh für großzügige Überschusserhöhungen? Können sich die Versicherer das leisten? Oder sollten nicht lieber die zuletzt knappen Reserven aufgefüllt werden? Das Analyseteam von MORGEN & MORGEN blickt hierfür hinter die Unternehmenskulissen der deutschen Lebensversicherer.

Die Marktlage

Nach einer jahrelangen Talfahrt hat in diesem Jahr erstmalig keine Versicherungs-gesellschaft ihre Überschussdeklaration gesenkt. Von den analysierten 53 Gesellschaften haben 20 Gesellschaften ihre Überschüsse von 2022 auf 2023 im Durchschnitt um 0,30 Prozentpunkte erhöht. Die höchste Steigerung liegt bei 0,85, die niedrigste bei 0,15 Prozentpunkten.

Im Mittel liegen die laufenden Verzinsungen der 53 Gesellschaften 2023 bei 2,1 %, im Vorjahr waren es nur 1,9 %. Die höchste Beteiligung an den Überschüssen bietet mit 3 % in beiden Jahren ein und derselbe Versicherer. Die geringste Verzinsung beträgt 1,25 %. Im Vorjahr waren es 0,90 % . Auch wenn in diesem Jahr eine beträchtliche Anzahl an

Gesellschaften ihre Überschüsse erhöht haben, bieten immer noch 21 Versicherer eine Beteiligung von unter zwei Prozent und das trotz Erhöhungen von bis zu 0,40 Prozentpunkten. 32 Versicherer liegen inzwischen bei über 2 %. 33 Versicherer passten ihre Deklaration nicht an. 19 von ihnen waren bereits 2022 sehr gut aufgestellt und beteiligten ihre Kunden mit über 2 % Überschüssen.

Überschusserhöhungen im Kontext

„Uns hat es überrascht, dass am Ende doch so viele Versicherer ihre Überschussbeteiligung erhöht haben. Diese Entscheidungen wollten wir besser einschätzen können und haben uns die relevanten Unternehmenskennzahlen der erhöhenden Gesellschaften sowie die Markt-entwicklung angeschaut“, so Thorsten Saal, Bereichsleiter Mathematik.

Der Zinsanstieg hat in vielen Bereichen Auswirkung auf die Situation der Lebensversicherer. Der große Hebel, der bei den meisten Gesellschaften kurzfristig Mittel für Überschuss-erhöhungen freigesetzt hat, sind die größtenteils sinkenden Aufwände für die Zinszusatz-reserve, die die Versicherer bilden müssen, um die teilweise hohen Garantiezinsen in den Beständen abzusichern. Wie die Zinszusatzreserve auf den durchschnittlichen Rechnungs-zins in den Beständen der Versicherer wirkt, verdeutlicht die Grafik „Rechnungszins im Bestand“. Sie zeigt die Werte des Bestandsrechnungszinses vor und nach der Zinszusatz-reserve (ZZR) im Zeitablauf – also wie er ohne Zinszusatzreserve aussehen würde und wie er sich durch die Zinszusatzreserve verändert hat.

Anhand der Linie des Bestandsrechnungszinses vor ZZR ist zu erkennen, dass die Bestandsrechnungszinsen im Laufe der Jahre sinken, allein durch den Effekt, dass die Altverträge mit den hohen Rechnungszinsen auslaufen. Je nachdem, wie viele Altverträge ein Versicherer hat, wie lange diese laufen und wie viel niedrig verzinstes Neugeschäft ein Versicherer schreibt, geschieht dies unterschiedlich schnell. In den letzten Jahren hätten die Bestandsrechnungszinsen von den meisten Versicherern ohne die Zinszusatzreserve deutlich über dem Referenzzins gelegen, der wiederum die Zinsentwicklung am Kapitalmarkt der letzten 10 Jahre widerspiegelt. Dies verdeutlicht die Notwendigkeit der Zinszusatzreserve.

Der Wert der Bestandsrechnungszinsen nach ZZR zeigt, wie die Bestandsrechnungszinsen sinken, wenn man den Effekt der Zinszusatzreserve zusätzlich betrachtet. Die ZZR drückt die Bestandsrechnungszinsen unter den Referenzzins. Hierfür waren große Aufwendungen seitens der Versicherer notwendig. Einige Gesellschaften konnten im Bilanzjahr 2021 die Rechnungszinsanforderung inklusive der Aufwände für die Zinszusatzreserve nicht ausschließlich aus den zuzuordnenden Kapitalanlagen stemmen, sondern mussten weitere Erträge – wie zum Beispiel aus dem Risikoergebnis – dafür verwenden. Wenn zukünftig der Referenzzins aufgrund der steigenden Zinsen am Kapitalmarkt nicht weiter sinkt, sondern zunächst konstant bleibt, werden die Zuführungen zur Zinszusatz-reserve deutlich kleiner ausfallen oder stellenweise sogar wegfallen oder umgekehrt Mittel aus der Zinszusatzreserve frei werden, da der Effekt durch die wegfallenden Altverträge weiterhin besteht.

„Die Auswirkung der Entlastung bei der Zinszusatzreserve ist bei jedem Versicherer unterschiedlich, je nach Anteil der hohen Garantiezinsen im Bestand des Versicherers. In Summe werden die nach und nach auslaufenden Altverträge mit hohen Garantiezinsen für Entlastung sorgen und mehr Spielraum für eine höhere Überschussbeteiligung geben“, erklärt Saal.

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