Keine Rekorde, aber gut gewappnet

09.05.2023

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Die zurückliegenden Jahre verliefen für den Beteiligungskapitalmarkt gut. Mit der Inflation und der drastischen Zinswende gab es eine Zäsur. 2022 konnte nicht mehr an die Erfolgsmeldungen der Vorjahre anknüpfen. Mega-Deals sind kaum noch zu sehen Börsengänge eine rare Ausnahme. Dennoch bleibt Private Equity für Investoren bei näherem Hinschauen weiter einen Blick wert.


Der Beteiligungskapitalmarkt konnte 2022 nicht an die Erfolgsmeldungen der Vorjahre anknüpfen, wie der Bundesverband Beteiligungskapital (BVK) jüngst darlegte. Demnach erreichten die Investitionen 2022 ein Volumen von knapp 14 Mrd. Euro. Das entsprach einem Rückgang um 29 % im Vorjahresvergleich.

Schwierigere Rahmenbedingungen

Die Gründe für die rückläufigen Zahlen sind vielfältig. Einerseits die Vielzahl an Krisen rund um den Globus, zum anderen sicherlich und wohl bedeutsam die auch in Europa eingeläutete Zinswende. Es verwundert nicht, dass das Investitionsniveau in allen Marktsegmenten unter dem Vorjahr blieb, wie der BVK ausführte. Frederick Michna, Principal MIG Capital, konstatiert: „Die Herausforderungen im vergangenen Jahr trafen die VC-Fonds gleichermaßen wie den gesamten Private Equity-Sektor. Es bedurfte eines Umdenkens, um in diesem veränderten Umfeld die richtigen Entscheidungen zu treffen. Resilienz beispielsweise ist inzwischen wichtiger als sehr hohes Wachstum. Gleichzeitig sichern die erfolgreichen Player im VC-Markt ihre Cash-Positionen, um aktionsfähig zu bleiben.“ Resilienz ist in diesem Zusammenhang ein gutes Stichwort, das auch der Vorstand der RWB PrivateCapital Emissionshaus AG, Norman Lemke, anbringt: „Private Equity ist eine resiliente Anlageklasse und hat sich im vergangenen Jahr mit einer guten Performance als stabilisierender Portfoliobaustein erwiesen, während öffentliche Märkte gleichzeitig eine deutliche Korrektur erlebten.“ Mit Blick auf die Volatilität an den Aktienmärkten und dem Crash bei den Anleihen hat sich perspektivisch an der Attraktivität des Beteiligungssegments nichts geändert. Alternative Assets sind gerade bei institutionellen Investoren sehr stark im Kommen, allerdings gibt es dort Restriktionen, die ein Aufstocken des PE-Anteils unmöglich machen. 2022 war sicherlich ein außergewöhnliches Jahr. Aber mitnichten ein Abgesang. Speziell die Suche nach „sicheren“ und ertragreichen Anlagealternativen im volatilen Umfeld führt zu einem steigenden Interesse im Privatkundensegment, wie RWB-Vorstand Lemke sagt. Unterfüttert wird diese Aussage durch Befunde des Bain-Reports. Die Autoren kommen zum Fazit, dass sich gerade bei den Kapitalgebern eine sichtbare Veränderung zugunsten der privaten Anleger abzeichne. Stefan Echter, Leiter Alternative Investments bei Wealthcap, zieht die jüngere Historie bei der aktuellen Betrachtung zurate. „Unsicherheiten wirken sich auf alle Equity-Beteiligungen aus. In schwierigen Phasen in der Vergangenheit (z. B. dot.com-Bubble, Finanzkrise) war aber der maximale Verlust zum Quartalsende bei Private Equity-Buyout-Fonds geringer als z. B. beim MSCI-World-Aktienindex und die Erholungszeit kürzer. Ein ähnliches Bild hat sich auch beim Beginn der Corona-Pandemie abgezeichnet.“ Die generelle Zuversicht speist sich mitunter ferner auch aus dem nichtinvestierten Kapital („Dry Powder“), über das die (globale) PE-Branche Ende 2022 verfügte.

Kleinere Deals im Vordergrund, IPO bleibt eher schwierig

Insbesondere die aufkommenden konjunkturellen Sorgen und die Zinswende haben dafür gesorgt, dass große Deals weniger bis kaum standfanden. Im aktuellen Bain-Report (https://www.bain.com/de/publikationen/topics/global-private-equity-report) ist dazu zu lesen: „In der zweiten Jahreshälfte kam es insbesondere in Europa zu einem drastischen Einbruch. Angesichts der Zurückhaltung der Banken war es vor allem schwierig, kreditfinanzierte Mega-Deals zum Abschluss zu bringen. Die entsprechenden Kredite blieben in Summe in Europa und in den USA zuletzt 50 % unter Vorjahresniveau.“ MIG Capital-Experte Michna bringt es folgendermaßen auf den Punkt: „Wir achten stärker auf Einstiegsbewertungen und die Reichweite der Finanzierungen. Kleinere Deals sind aus Investorensicht besonders attraktiv, weil sie uns eine Diversifizierung des Portfolios ermöglichen. Gleichzeitig müssen VC-Investoren ihren Beteiligungen aber auch ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung stellen, damit diese eine längere Wegstrecke fokussiert arbeiten können.“ Diesen Grundtenor unterstreicht auch Vorstand Lemke und führt aus, dass im unteren und mittleren Marktsegment die Abhängigkeit von Fremdkapital deutlich geringer sei, weil weniger Leverage zum Einsatz käme. „Mit unserem Investitionsfokus auf das mittlere Buyout-Segment sehen wir uns daher in der aktuellen Phase gut positioniert und verzeichnen auch weiterhin Rückflüsse aus erfolgreichen Unternehmensverkäufen", so Lemke. Neben dem Fundraising und der Haltedauer an den Portfoliounternehmen spielt natürlich auch der Exit eine Rolle. Er erfolgt in der Regel durch Veräußerung der Beteiligung an einen strategischen Investor („Trade Sale“), einen anderen Finanzinvestor („Secondary Private Equity“), durch Börsengang („IPO“) oder durch ein Buyout. Während die Exit-Option durch Beteiligung eines strategischen Investors 2022 zwar auch sank, war insbesondere der Einbruch bei IPOs drastisch. Anders ausgedrückt – Börsengänge fanden kaum statt. In einem Jahr, in dem eine rekordhohe Inflation und Rezessionsängste die Märkte beherrschten, wagte sich kaum ein Unternehmen an die Börse. Dazu passt die Meldung, dass es im vergangenen Jahr hierzulande nur vier IPOs gab. Auch im ersten Halbjahr 2023 wird sich daran nach Einschätzung wenig ändern. „Das Exit-Volumen hängt in gewisser Weise von der Entwicklung der Aktienmärkte sowie von der Entwicklung der Wirtschaft ab. Insbesondere der Exit über IPOs hängt sehr stark von einer positiven Entwicklung der Aktienmärkte bzw. Sektorenindizes ab“, fügt Stefan Echter in diesem Zusammenhang an. Sektoren, in denen vergleichsweise viele Deals stattfinden, sind die TMT-Branche, aber auch industrielle Produktion, Konsumgüter und Life Science bzw. Digitalisierung. (ah)