Value - ein Toter sieht anders aus!

03.02.2020

Michael Keppler, Gründer von Keppler Asset Management / Foto: © Keppler Asset Management

Wachstumstitel (Growth) haben insbesondere dem US-amerikanischen Aktienmarkt in den vergangenen Jahren massiven Aufwind beschert. Einige Werte gingen förmlich durch die Decke. Value-Titel hatten bei diesem Rennen schon lange das Nachsehen. Hat sich der Value-Stil gar überlebt? Nein, sagt Michael Keppler, Gründer von Keppler Asset Management aus New York. Er gilt als einer der anerkanntesten Value-Manager. finanzwelt bat ihn zum Interview.

finanzwelt: Wie lautet eine einprägsame Definition von Value-Investing?

Keppler: Value-Investing bedeutet Vermögenswerte unter ihrem inneren Wert zu erwerben. Dem Anlagestil liegt die Prämisse zugrunde, dass die Märkte auf gute und auf schlechte Nachrichten überreagieren. Die dadurch ausgelösten Preise können weit von dem fundamentalen Wert des jeweiligen Investments abweichen. Diese Überreaktion bietet die Möglichkeit, Vermögensgegenstände – vorwiegend Aktien – günstig zu erwerben oder zu überhöhten Kursen zu veräußern. Value-Investoren sind deshalb davon überzeugt, dass – im Gegensatz zur modernen Portfoliotheorie – der Marktpreis nicht immer der richtige Preis ist.

finanzwelt: Wachstumswerte (Growth) haben seit einigen Jahren sogenannte Value-Titel outperformed. Schlägt nun das Momentum um?

Keppler: Mit Unterbrechungen wiesen Wachstumswerte seit dem Ende der Finanzkrise 2009 eine zum Teil deutlich bessere Wertentwicklung auf als sog. Value-Aktien. Gefördert wurde diese Entwicklung vor allem durch zwei Umstände. Zum einen begünstigen niedrige Zinsen die Kurse von Wachstumsaktien, weil deutlich höhere zukünftige Gewinne abgezinst mit niedrigen Zinssätzen einen höheren Barwert zur Folge haben. Zum anderen begünstigte das „Too Big to Fail“-Syndrom das Überleben großer Unternehmen, die eigentlich bankrott waren. Das schadete der Gewinnentwicklung wirtschaftlich solider Unternehmen weil nun die falschen Unternehmen staatlich gefördert wurden.

Nach mehreren Jahren einer teilweise deutlich besseren Wertentwicklung sind die Wachstumstitel weltweit gemessen an ihren fundamentalen Werten wie Buchwerten, Cashflows, Gewinnen und Dividenden heute doppelt so teuer wie die Value-Aktien. Andererseits liegt ihr Gewinnwachstum sogar um mehrere Prozentpunkte unter dem Gewinnwachstum der Value-Aktien. Niedrigeres Gewinnwachstum zum doppelten Preis macht für einen vorsichtigen Kaufmann keinen Sinn. Also ist es nur noch eine Frage der Zeit bis Value-Aktien wieder punkten.

finanzwelt: Welche Gründe sprechen derzeit für Value-Investing (auch im langfristigen Vergleich zu anderen Investmentstilen)?

Keppler: Die Preiswürdigkeit von Value-Aktien hat nach mehreren Jahren der Underperformance ein Niveau erreicht, von dem aus es zu einer Gegenreaktion kommen müsste. Nehmen Sie beispielsweise die Substanzbewertung des MSCI World Value Index: Diese liegt bei dem 1,7-fachen des Buchwerts. Die Buchwertbewertung des MSCI World Growth Index ist mit einem Faktor von 5,2 mehr als dreimal so hoch. Ähnlich sieht es bei den Dividendenrenditen aus: 3,4 Prozent gibt es jährlich für den MSCI World Value Index und nur 1,3 Prozent für das Wachstumsäquivalent.

finanzwelt: Ist demzufolge „Value nicht tot“, wie oftmals geschrieben?

Keppler: Ein Toter sieht anders aus!

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