Wirecard: Harte Urteile gegen EY und Berater drohen

29.08.2022

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Es ist das wahrscheinlich umfangreichste Verfahren in der Geschichte der Abschlussprüferaufsichtsstelle (Apas): die Ermittlungen gegen EY und gegen zwölf Prüfer von EY im Zuge der Wirecard-Affäre. Nach einer über zweijährigen Untersuchung steht das Urteil nun im Oktober kurz bevor. Quellen vom Handelsblatt prognostizieren einen harten Schuldspruch.

So soll die renommierte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY bei ihrem Mandat für den spektakulär untergegangenen Finanzdienstleister Wirecard über vier Jahre lang Berufspflichten missachtet haben. In dem Fall könnte die Apas drakonische Strafen verhängen. Doch obwohl das Urteil naht, ringen EY und die Aufsichtsbehörde laut Insidern noch immer um Positionen und Sanktionen. Dazu möchte EY allerdings keine öffentliche Stellungnahme abgeben. Nur eine sorgfältige Prüfung der Apas-Ergebnisse hat das Unternehmen bereits angekündigt. Nicht verwunderlich, denn der Ruf der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ist bares Geld wert. Daher könnten die wirtschaftlichen Konsequenzen verheerender ausfallen als das Apas-Urteil selbst.

Das Problem für EY: Zwar haben die Wirtschaftsprüfer das Wirecard-Testat für das Jahr 2019 verweigert, doch zuvor hatten sie die Abschlüsse des Skandal-Konzerns mehr als ein Jahrzehnt uneingeschränkt abgesegnet. Konkret im Fokus der Apas: die Abschlüsse aus den Jahren 2015 bis 2018. In allen sollen die Ermittler teils erhebliche Pflichtverletzungen entdeckt haben. Das berichten Insider laut Handelsblatt. Schwere Missstände festgestellt hat bereits Martin Wambach, Vorstand des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW). Der 168 Seiten lange Sonderbericht vom April 2021 legt verschiedene Verstöße gegen Berufspflichten nahe. Mehrmals seien bei EY keine Handlungsprüfungen auffindbar gewesen, obwohl Wirecard nur unvollständige Finanzinformationen präsentiert habe. EY hat den Vorwurf des Fehlverhaltens abgestritten.

Sollte die Apas zu einem ähnlichen Urteil kommen wie der Wambach-Bericht, drohen harte Strafen. Für einzelne Prüfer reichen die Geldbußen bis 500.000 Euro. Außerdem kann die Apas befristete Verbote für bestimmte Tätigkeiten verhängen und sogar zu einem Berufsausschluss greifen. Doch mögliche Apas-Strafen könnten die EY-Prüfer mit der Rückgabe ihrer Berufslizenz umgehen. Vor drohenden Zivilklagen rettet die Prüfer dieser Schritt allerdings nicht. So könnte das Urteil der Aufsichtsstelle EY und ihre Prüfer auch vor Gericht treffen. Denn alle Kläger verfolgen das Apas-Verfahren genau. Dessen Ergebnisse werden schließlich auch die Gerichte wahrscheinlich berücksichtigen.

Für EY selbst wäre eine Finanz-Strafe durch die Apas von maximal einer Mio. Euro zu verkraften. Viel schärfer wäre dagegen das Verbotsschwert: die Aufsichtsbehörde könnte EY für eine bestimmte Zeit untersagen, Neugeschäft von Unternehmen von öffentlichem Interesse zu übernehmen. Diese Strafe würde wohl durch Auftragsausfälle und Image-Verlust einen schweren finanziellen Schaden bedeuten. Schon jetzt hat EY das Mandat bei der Deutschen Telekom verloren. Dadurch entgeht der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ein geplantes Honorar von fast 40 Mio. Euro. Sogar der Auftrag der Deutschen Bank hat zwischenzeitlich gewackelt. Besonders hart trifft EY, dass sich mehrere große Unternehmen nicht von EY prüfen lassen wollen, weil sie möglicherweise gegen die angeschlagene Prüfungsgesellschaft klagen wollen. Dazu zählen die Commerzbank, der Vermögensverwalter DWS und die Staatsbank KfW. (sh)