Bevorstehende Klagewelle?

24.06.2025

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Viele Anleger hielten offene Immobilienfonds lange Zeit für eine sichere und lukrative Anlagemöglichkeit. Die signifikanten Wertverluste, die einige dieser Fonds jüngst zuverzeichnen hatten, zeigen aber, dass es sich hierbei um eine Fehleinschätzung handelte.

So wurde beispielsweise der Wert der Anteile am KanAm Leading Cities Invest (ISIN: DE0006791825) Ende letzten Jahres zum dritten Mal seit November 2023 nach unten korrigiert und die Anleger – mussten inklusive der vorherigen Abwertungen – einen Wertverlust von rund 28 % hinnehmen. Anleger des UniImmo: Wohnen ZBI (ISIN: DE000A2DMVS1) erlitten im Zuge einer Abwertung des Anteilspreises im Jahr 2024 Verluste in Höhe von rund 17 %. Es ist nicht auszuschließen, dass weitere offene Immobilienfonds mit deutlichen Abwertungen folgen werden. Bei dem offenen Immobilienfonds LLB Semper Real Estate (ISIN: AT0000622980) wurde bereits im Oktober 2023 die Auszahlung des Rückgabepreises an die Anleger ausgesetzt, und es gelang der Fondsverwaltung auch anschließend nicht, durch den Verkauf mehrerer Objekte ausreichend Liquidität für die Erfüllung der Verkaufsorders der Anleger unter gleichzeitiger Einhaltung der gesetzlichen Mindestliquidität des Fonds zu schaffen. Im Oktober 2025 soll deshalb die Abwicklung des Fonds beginnen. Welche Wertverluste die Anleger hierbei noch erleiden werden müssen, ist offen.

Die über Monate oder gar Jahre hinweg wenig schwankenden Preise für die Anteile vieler Immobilienfonds, die auf entsprechenden regelmäßig zu erstellenden Wertgutachten basieren, suggerierten eine Wertbeständigkeit der Fondsvermögen, die tatsächlich gar nicht real ist. Denn faktisch sind die Immobilienpreise in den letzten Jahren vor dem Hintergrund deutlicher Leitzinserhöhungen durch die Europäische Zentralbank, gestiegener Bau- und Energiekosten oder auch struktureller Veränderungen, wie etwa den Trends zu Homeoffice und Online-Shopping und hierdurch reduzierter Nachfrage nach Büro- und Einzelhandelsflächen, stark gefallen. Der wahre Wert der Fondsimmobilien zeigt sich somit erst dann, wenn die Immobilien am Markt angeboten und gegebenenfalls mit deutlichen Abschlägen veräußert werden müssen.

Haftung der Herstellerin des Basisinformationsblattes

Damit rückt die Frage in den Vordergrund, ob die Anleger solcher Fonds hinreichend über deren tatsächliche Risiken aufgeklärt wurden. Hierbei könnte eine aktuelle Entscheidung des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 21. Februar 2025, Az.: 4 HK O 5879/24, zum „UniImmo: Wohnen ZBI“ Sprengkraft für diesen und für viele weitere offene Immobilienfonds zukommen. Das Gericht befasst sich in dieser Entscheidung mit der Frage, welcher Risikoindikator auf einer Skala von 1 (risikoarm) bis 7 (risikoreich) zu diesem Fonds richtigerweise hätte angegeben werden dürfen bzw. müssen. Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass es unzulässig sei, in den Anlegerinformationen des UniImmo: Wohnen ZBI einen Risikoindikator von lediglich 3 oder niedriger anzugeben; vielmehr hätte der Risikoindikator auf 6 lauten müssen.

Rechtlicher Hintergrund ist, dass es sich bei offenen Immobilienfonds um sog. PRIIP (engl. „Packaged Retail and Insurancebased lnvestment Products“) handelt, also um verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukte, bezüglich derer durch die europäische PRIIP-Verordnung zum 01. Januar 2023 ein standardisiertes Basisinformationsblatt eingeführt wurde, um die Verständlichkeit von verpackten Anlageprodukten für Kleinanleger sowie die Vergleichbarkeit solcher Produkte zu verbessern. Damit die Basisinformationen für Kleinanleger leicht verständlich, gut lesbar und einfach vergleichbar dargestellt werden, wurde mit der Ergänzung durch die Delegierten Verordnung (EU) 2017/653 eine einheitliche Vorlage für das Basisinformationsblatt bereitgestellt. Dort ist geregelt, dass dann, wenn der Preis eines PRIIP nicht mindestens monatlich bewertet wird, im Basisinformationsblatt ein Risikoindikator von 6 anzugeben ist. Aus Sicht des Landgerichts Nürnberg-Fürth ist für eine solche mindestens monatliche Preisfestsetzung die Bestimmung des sogenannten Nettoinventarwertes, d. h. eine Bewertung aller Vermögensgegenstände des Fonds, erforderlich. Eine Bewertung der Immobilien wird bei offenen Immobilienfonds aber regelmäßig nur alle drei Monate vorgenommen – so auch im Falle des UniImmo: Wohnen ZBI.

Die Entscheidung des Landgerichts Nürnberg-Fürth kann weitreichende Folgen haben. Denn die in Deutschland vertriebenen offenen Immobilienfonds wurden regelmäßig nicht in Risikoklasse 6, sondern in die Risikoklassen 1 bis 3 eingeordnet. Nach der PRIIP-Verordnung haften PRIIP-Hersteller für falsche oder irreführende Basisinformationsblätter, wenn der Kleinanleger nachweist, dass ihm im Vertrauen auf die Angaben im Basisinformationsblatt ein Verlust entstanden ist.

Klagen gegen die Hersteller eines Basisinformationsblattes

Über mehrere Anlegerklagen gegen verschiedene Banken und Sparkassen wegen fehlerhafter Anlageberatung im Zusammenhang mit dem Erwerb offener Immobilienfonds wurde in den Medien bereits berichtet. Hierbei geht es primär darum, ob die Anlageempfehlung zu den individuellen Verhältnissen und Wünschen des Anlegers passte und ob der Berater den Anleger zudem hinreichend über die wesentlichen Eigenschaften der Anlage und insbesondere deren Risiken aufgeklärt hat. Solche Beratungshaftungsfälle sind jeweils individueller Natur und deshalb in aller Regel in Einzelklageverfahren zu behandeln.

Anfang Mai 2025 wurde nun jedoch von der TILP Rechtsanwaltsgesellschaft mbH die erste Anlegerklage gegen die ZBI Fondsmanagement GmbH in ihrer Funktion als Herstellerin des Basisinformationsblattes des UniImmo: Wohnen ZBI eingereicht, in der zugleich ein Antrag auf Einleitung eines Kapitalanleger-Musterverfahrens vor dem Oberlandesgericht Nürnberg gestellt wurde. Da die Frage nach der zutreffenden Risikoklassifizierung des Fonds und der (grundsätzlichen) Haftung des Herstellers des Basisinformationsblattes für dort enthaltene Fehler nicht die individuelle Anlageberatung betrifft, sondern die abstrakte Herstellerhaftung, ist diese geeignet, in einem KapitalanlegerMusterverfahren gegen die ZBI Fondsmanagement GmbH in einem gebündelten Verfahren beantwortet zu werden. An einem solchen Musterverfahren können sämtliche Geschädigte als Kläger partizipieren. Zudem bietet die Durchführung eines Musterverfahrens auch die Möglichkeit, die eigenen Ansprüche lediglich anzumelden, ohne eine eigene Klage erheben zu müssen. Damit erhalten Anmelder die kostengünstige Möglichkeit, den Ausgang des Musterverfahrens abzuwarten, ohne dass ihnen die zwischenzeitliche Verjährung der eigenen Ansprüche droht.

Auf der Basis der Rechtsauffassung des Landgerichts NürnbergFürth könnte eine Klagewelle zu offenen Immobilienfonds bevorstehen, die sowohl individuelle Beratungshaftungsklagen umfasst, als auch Klagen sowie Musterverfahren gegen die Hersteller der Basisinformationsblätter. Sollte sich die Rechtsauffassung des Landgerichts Nürnberg-Fürth hierbei durchsetzen, haben die Anleger gute Chancen, die erlittenen Schäden aus ihren doch nicht ganz so sicheren Immobilienfondsanlagen ersetzt zu bekommen.

Ein Beitrag von Axel Wegner, Partner & Rechtsanwalt, TILP Rechtsanwaltsgesellschaft mbH