Schwächelnde Konjunktur stärkt die Aussichten für US-Staatsanleihen

03.07.2025

James McAlevey - Foto: Copyright BNP Paribas Asset Management

Exklusiv

„One Big Beautiful Bill“ – das Gesetzespaket mit dem einprägsamen Namen hat die fiskalische Lage der USA zuletzt stark ins Scheinwerferlicht gerückt und ganz nebenbei mit dazu beigetragen, dass dem Land das letzte verbliebene AAA-Rating entzogen wurde. Die jüngste Auktion von US-Staatsanleihen verlief entsprechend verhalten. Im zweiten Quartal dieses Jahres haben diese Entwicklungen auf die Kurse langfristiger US-Staatsanleihen gedrückt.

Mit Blick nach vorn steht nun die Frage im Raum, ob es zu weiteren Abverkäufen bei langlaufenden US-Staatsanleihen kommt. Meine Einschätzung: Ich halte es für unwahrscheinlich, denn viele negative Faktoren sind bereits eingepreist. Die finanzpolitischen Rahmenbedingungen mögen für die Entwicklung der Anleiherenditen keineswegs unerheblich sein, aber letztendlich bleiben die Konjunkturdaten der wichtigste Bestimmungsfaktor. Ich halte den Inflationsdruck in den USA für weniger gravierend, als von einigen Investoren befürchtet. Die Auswirkung neu eingeführter Zölle dürfte einmaliger Natur sein, die wirklich entscheidenden Treiber der Inflation sind hingegen Lohnentwicklung und die Bedingungen am Arbeitsmarkt. Mit rückläufigem Wirtschaftswachstum werden sowohl die Löhne als auch die Kerninflation im Dienstleistungssektor (ohne Wohnkosten) weiter nachgeben, gleichzeitig setzt der Deflationstrend in China die Rohstoffpreise unter Druck. Und die US-Wirtschaft zeigt bereits deutliche Anzeichen einer Abschwächung – das BIP-Wachstum könnte bald unter den langfristigen Durchschnitt fallen. Steigt daraufhin die Arbeitslosenquote, wird die Fed sehr wahrscheinlich mit einer weiteren Zinssenkung noch in diesem Jahr reagieren. Der Markt rechnet derzeit mit zwei Zinsschritten nach unten um insgesamt mehr als 50 Basispunkte. Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass es in diesem Jahr sogar zu mehr Zinssenkungen kommen könnte als der Markt derzeit einpreist. Für die Kurse langfristiger US-Staatsanleihen wäre das zuträglich.

US-Haushaltslage besser als gedacht? Dass der Markt Trumps „großes, schönes Gesetz“ kritisch beäugt, ist nachvollziehbar. Dennoch lohnt es sich, dabei die Haushaltslage der USA als Ganzes nicht aus dem Blick zu verlieren. Selbst wenn Trump bei den Zöllen Abstriche macht, dürfte das Zollniveau nicht auf jenes vor dem „Liberation Day“ von zwei bis drei Prozent zurückfallen, sondern sich eher bei 8 bis 9 Prozent einpendeln. Genug, um dem Staat jährliche Einnahmen von 250 bis 300 Milliarden US-Dollar einzubringen und damit in etwa die Kosten der „One Big Beautiful Bill“ zu kompensieren. Vor diesem Hintergrund könnte die Haushaltsproblematik also weniger dramatisch sein als vom Markt angenommen.

Von US-Staatsanleihen abgesehen sorgt sich der Markt außerdem um die Rolle des US-Dollars als globale Reservewährung. Auch wir schauen eher verhalten auf die Währung und haben dementsprechend unsere US-Dollar-Allokationen reduziert – allerdings nicht, weil wir grundsätzlich an der Funktion der US-Währung als Wertaufbewahrungsmittel zweifeln. Schauen wir uns doch einmal an, welche Alternativen die großen Staatsfonds und Zentralbanken haben. Im Prinzip nicht viel mehr als andere Staatsanleihen – mit AAA-Rating wie etwa Australien – oder Gold.  Deren Liquidität und Marktgröße reichen jedoch bei Weitem nicht an den US-Staatsanleihemarkt heran – ein vollständiger Rückzug aus US-Treasuries erscheint daher unrealistisch. Mehr Aufmerksamkeit verdient das Risiko von Kapitalabflüssen aus US-Dollar-Anlagen. In den vergangenen Jahren waren US-Aktien bei vielen Investoren ganz oben auf der Nachfrageliste, viele Portfolios sind dabei nahe an ihr US-Limit gekommen. Und nun bringt das Chaos der Trump-Regierung weltweit Investoren dazu, ihre bestehenden Allokationen anzuzweifeln. Reagieren könnten diese mit Reduzierungen ihrer US-Bestände, mit Absicherungsstrategien gegen Wechselkursrisiken und mit Umschichtungen in andere Märkte. All das würde den US-Dollar unter Druck setzen.

Inflationsgeschützte Anleihen und MBS bieten Chancen

Über weite Strecken der vergangenen zwei Jahrzehnte haben die großen Zentralbanken mit ihrer expansiven Geldpolitik die Volatilität am Anleihemarkt unterdrückt und damit natürliche Anlagechancen vom Markt genommen. Doch jetzt, mit dem Wiederanstieg der Volatilität, können aktive Manager wieder punkten. Für uns als aktiver Investor ist das ein günstiger Zeitpunkt.

Besonders attraktiv erscheinen uns derzeit langlaufende US-Staatsanleihen sowie inflationsgeschützte Anleihen – beispielsweise TIPS in den USA und ILBs im Vereinigten Königreich. Sollten wir mit unserer Einschätzung zur Zinsstrukturkurve falsch liegen, wäre das sehr wahrscheinlich einer über den Erwartungen liegenden Inflation geschuldet. In dem Fall dürften inflationsindexierte Anleihen besser abschneiden als konventionelle Titel, da im Zuge einer steigenden Inflation auch ein Zinsanstieg wahrscheinlich ist.

Auch hypothekenbesicherte Anleihen aus den USA mit staatlicher Garantie (Agency MBS) bewerten wir positiv. Sie gelten als sicherer als solche MBS, die nicht durch die US-Regierung abgesichert sind. Die Marktvolatilität hat die Risikoaufschläge steigen lassen: Neu begebene Papiere bieten derzeit eine Rendite zwischen 5,5 und sechs Prozent – ein attraktives Niveau. Darüber hinaus erscheinen auch einzelne Staatsanleihen aus Schwellenländern mit hohen Renditen für Anleger interessant.

James McAlevey, Head of Global Aggregate and Absolute Return, BNP Paribas Asset Management