Altersgerechtes Wohnen darf nicht vergessen werden

22.04.2022

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Das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) hat mit der aktuellen bundesweiten Baulandumfrage wichtige Ansatzpunkte für den Bedarf an Wohnimmobilien gewonnen. Laut der Umfrage gibt es in Deutschland ausreichend Platz für Wohnungen. Der Pflegeimmobilienspezialist begrüßt die Umfrage, fordert aber auch, dass künftige Seniorengenerationen dabei berücksichtigt werden sollten. Denn bereits heute fehlen altersgerechter Wohnraum und Pflegeimmobilien.

Die Nachfrage an altersgerechtem Wohnraum übersteigt schon heute das Angebot deutlich und die Lücke wächst stetig weiter. Laut aktueller Carestone-Trendstudie (finanzwelt berichtete) wünschen sich künftige Seniorengenerationen, so lange wie möglich urban, mit größtmöglicher Unabhängigkeit in der Mitte der Gesellschaft zu leben. Der Zentrale Immobilien Ausschuss e.V. (ZIA) prognostiziert in seiner Studie zum Pflegemarkt 2030 beispielsweise einen Zusatzbedarf an Pflegeplätzen von 86,81 % in sehr zentraler Lage für NRW bis dahin. Bei der Vorstellung der jüngsten Studie erklärte das Bundesbauministerium, dass ausreichend Land zum Bauen da sei.

Bedarf an altersgerechtem Wohnen wird unterschätzt

Aus der Sicht der in der Carestone Trendstudie befragten Expertinnen und Experten wird aber besonders die Relevanz von altersgerechtem Wohnen bei der Quartiers- und Stadtplanung als viel zu gering wahrgenommen. Entsprechend ungünstig sind demnach die rechtlichen Rahmenbedingungen. Das fängt bereits bei der Lage an. Dem Wunsch nach urbanem Wohnen der befragten Senioren stehen hohe Kosten für Flächen und Altimmobilien gegenüber. Im Vergleich dazu wird aber staatlich geförderter Wohnungsbau durch eine Sozialquote sichergestellt. Laut Ministerium komme es auf den gemeinsamen Willen an, so viel bezahlbaren Wohnraum wie möglich zügig auf den Markt zu bringen.

Dr. Karl Reinitzhuber, CEO der Carestone-Gruppe, begrüßt das, sieht allerdings gerade auch in der Quartiers- und Stadtentwicklung echte Herausforderungen: „Wir laufen Gefahr, dass die Älteren im Wettbewerb um begehrten Wohnraum in den Metropolen den Kürzeren ziehen. Deshalb müssen die Bedürfnisse der älteren Generationen bei der Stadtentwicklung deutlich stärker berücksichtigt werden. Alle Beteiligten sollten diesem Thema eine höhere Priorität geben.“ Altersgerechtes Wohnen im urbanen Raum sollte aus Carestone-Sicht also ebenfalls mehr in den konzeptionellen Fokus der Verantwortlichen in der Stadt- und Quartiersplanung rücken. „Unsere Forderung ist, Flächen bzw. Altimmobilien für kreative Quartiersentwicklungen freizugeben“, so Reinitzhuber. Die entstehende diversere Sozial- und Altersstruktur sei für die Städte eine Bereicherung.

Mögliche Lösungsansätze

Fünf Punkte könnten nach Einschätzung von Carestone dazu beitragen, der massiv steigenden Nachfrage nach altersgerechtem Wohnen in Städten zu entsprechen:

1..Altersgerechtes Wohnen im urbanen Raum muss integraler Bestandteil von Quartiers- und Stadtteilplanung sein. Konkret sollten altersgerechte Wohnformen eine eigene Nutzungsart im Bauplanungsrecht erhalten, so dass entsprechende Flächen in allen Quartieren ausgewiesen werden. Dadurch wären definierte Kontingente für seniorengerechten Wohnraum solchen Projekten vorbehalten, die zu einer altersgerechten Durchmischung der Quartiere beitragen. Dies würde auch der bereits 2018 im Rahmen einer Studie des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung erkannten zunehmenden Segregation nach Altersgruppen in deutschen Städten entgegenwirken.

2..Insbesondere unter Berücksichtigung der seitens des Bundesbauministeriums angekündigten Schaffung von jährlich 100.000 neuen Sozialwohnungen, sollten Senioren- und Pflegeimmobilien mit staatlich gefördertem Wohnungsbau innerhalb der Sozialquote gleichgestellt werden. Über eine eigene Quote würde der Wettbewerb um Baugrundstücke mit dem klassischen Wohnungsbau vermieden werden und Wohnraum für Senioren wäre auch in urbanen Lagen erschwinglich.

3..Um das sozialpolitische Ziel, ausreichend Senioren- und Pflegewohnraum für eine immer älter werdende Generation zu schaffen und zugleich Klimaziele zu erreichen, sollte nach dem vorübergehenden Stopp und den Einschränkungen der KfW-Programme für den Neubau von Wohnimmobilien auf eine spezifische Förderung für energieeffiziente Pflegeimmobilien umgestellt werden. Diese tragen zum Klimaschutz wie auch zur Schaffung von dringend benötigtem Senioren- und Pflegewohnraum bei.

4..Um alternative Wohnformen, wie ambulant betreute Wohngruppen oder Pflege-WGs, in Städten in erfordertem Umfang umsetzen zu können, sollten die rechtlichen Regelungen auf Landesebene vereinheitlicht und vereinfacht werden. Anstelle der von Bundesland zu Bundesland unterschiedlichen baulichen Vorgaben wäre die zügige Umsetzung einer einheitlichen Heimmindestbauordnung notwendig. Ziel muss eine bundeseinheitliche Harmonisierung der baulichen Anforderungen sein. Das würde aktuell langwierige Prozesse beschleunigen und größere Anreize für Projektentwicklungen setzen.

5..Die Anpassung der Investitionskostensätze von Pflegeimmobilien sollte zeitnah an die Baukostenentwicklung angeglichen werden. So können zukünftig notwendige Modernisierungsmaßnahmen den langfristigen Erhalt und Betrieb der Pflegeimmobilie auch bei steigenden Baukosten gewährleisten.  (lb)