Ankern, Priming, Behalt-Effekt, Geschenke

14.06.2021

Wolfgang Thust, Vertriebs- und Rhetoriktrainer, Keynote-Speaker und Buchautor

Wir alle wissen, dass es „geborene Verkäufer“ gibt, aber wir wissen auch ganz genau, dass wir das Verkaufen lernen können. Gerade wenn wir eine Vertriebsmannschaft aufbauen und zum Erfolg unseres Unternehmens führen wollen, können wir nicht immer nur auf die „geborenen Verkäufer“ zurückgreifen, sondern müssen als Führungskräfte im Vertrieb auch aus „vorhandenem Material“ Verkäufer entwickeln.

Selbst die „geborenen Verkäufer“ können durch eine qualifizierte Weiterbildung noch erfolgreicher werden. Mein gesamtes Vertriebsleben war das meine Kernkompetenz und leidenschaftliches Engagement, meine Verkaufsmannschaft durch ständige Weiterbildung zu entwickeln. Hier und heute will ich in dieser Kolumne allerdings keine Themen aus üblichen Verkaufsschulungen präsentieren. Ich will hier Verkaufstechniken vorstellen, die alle von Wissenschaftlern entwickelt, erforscht und oft hundert- oder gar tausendfach nachgewiesen sind.

Vorher muss ich allerdings nochmal auf den moralisch/ethischen Aspekt eingehen. Es gibt Zeitgenossen, die lehnen Verkaufstechniken rundheraus ab und verteufeln sie als üble Verkaufstricks. Selbst wenn ein Leser dieser Zeilen diese Position vertreten sollte, will ich ihm entgegenhalten: Wer diese Möglichkeiten nicht nutzen will, braucht sie nicht zu nutzen, allerdings ist es vorteilhaft sie zu kennen, um diese im täglichen Leben zu erkennen und sich selbst ihnen zumindest, soweit es geht, zu entziehen. Bemerkenswert ist, dass man den Wissenschaftlern, den Professoren, die mit diesen Techniken geforscht haben, solche Vorwürfe nicht macht. Ganz im Gegenteil: Prof. Dr. Dr. Daniel Kahnemann hat für seine Verhaltensforschungen als aktuell bester lebender Psychologe den Nobelpreis in Wirtschaftswissenschaften erhalten. Damit ist es der einzige Psychologe, der in Wirtschaftswissenschaften einen Nobelpreis erhalten hat! Nun endlich zurück zum Thema:

Vorab eine Untersuchung als kleines Beispiel: In einem ganz normalen Gespräch wird einer Testperson nebenbei erzählt, dass gerade ein neuer Mercedes GT vorgestellt wurde, der mit einigen Sonderausstattungen insgesamt etwas mehr als 380.000 Euro kostet. Er macht weiter, indem er noch von einem Porsche 918 erzählt, der sogar über 1.300.000 Euro kostet. Vielleicht trägt die Testperson weiter zu solchen Superlativen bei, indem sie weiter Traumautos zu sehr hohen Preisen nennt. Das Gespräch wird dann mit anderen Themen weitergeführt. Die hohen Preise wurden also im Gehirn der Testperson „geankert“! Nach einiger Zeit bekommt diese Testperson die Frage gestellt, wie hoch wohl der Durchschnittspreis aller in Deutschland angebotenen PKW-Neufahrzeuge ist. Seine Antwort: Ich schätze zwischen 70 und 80.000 Euro.

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