Das Drama der gestiegenen Zinsen

27.02.2023

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Jahrelang galt ein Immobilieninvestment als die Lizenz zum Gelddrucken. Immer mehr Investoren und auch Laien sprangen auf diesen Zug auf. Niedrige Zinsen machten selbst gigantisch hohe Kaufpreise finanzierbar. Besonders glücklich konnten sich diejenigen schätzen, die noch zu Beginn der Boomphase eingekauft hatten. So manch einer hat in dieser Zeit die Grundlage eines Millionenvermögens geschaffen. Doch das Blatt hat sich gewendet. Die Krise trifft nicht nur diejenigen, die eine Immobilie erwerben wollen. Sie wird noch viel weitreichendere Folgen haben, bis hin, dass es zu zahlreichen Insolvenzen von Immobilieneigentümern kommen könnte. Schauen wir uns das ganze Drama einmal an.

Jahrelang gab es einen grandiosen Verkäufermarkt. Durch die niedrigen Zinsen konnten sich nicht nur viele Menschen ein Eigenheim leisten, die Immobilie war auch als Kapitalanlage hoch interessant. Es konnte mit niedrigen Raten finanziert werden und wenn die Immobilie einigermaßen gut vermietet war, blieb nach Abzug der Finanzierungsrate häufig ein positiver Cashflow übrig, so dass die Gesamteinnahmen des Kapitalanlegers stiegen. Durch diese erhöhten Einnahmen konnte dann oft auch die Finanzierung für eine nächste Immobilie recht einfach genehmigt werden. Es war wie eine Lizenz zum Reichwerden. Hinzu kamen die Kapitalanleger, die ihr Eigenkapital sinnvoll und inflationsgeschützt anlegen woll-ten. Viele Immobilien wurden nur deswegen gekauft, weil es an alternativen, nicht speku-lativen, volatilen Kapitalanlagen fehlte. Somit gab es mehr Immobilienkäufer als Immo-bilien am Markt, was die Preise für Immobilien vor allem in Großstädten in schwindelerre-gende Höhen trieb. Das ist jetzt aber alles anders und hat massive Auswirkungen, nicht nur bei Käufern und Verkäufern, sondern auch bei denjenigen, die ihre Immobilien zum Vermögensaufbau gekauft haben.

Prognosen eher düster

Immobilieninteressenten stehen vor der Herausforderung, dass die Immobilienpreise vielerorts nach wie vor hoch sind, auch wenn teilweise ein Rückgang der Preise bereits zu spüren ist. Während im Sommer dieses Jahres häufig noch stagnierende Immobilienpreise prognostiziert wurden, sehen die aktuellen Prognosen sehr viel düsterer aus. Inzwischen prognostizieren verschiedene Experten einen Rückgang von 6 bis 8 %. Meine persönliche Meinung ist, dass wir in vielen Regionen mit einem noch stärkeren Rückgang rechnen müssen. Den immer noch hohen Kaufpreisen stehen die stark gestiegenen Zinsen gegenüber, was eine Finanzierung für manch einen Interessenten unmöglich macht, obwohl er sich diese Anfang des Jahres noch mit Leichtigkeit hätte leisten können.

Ein Zahlenbeispiel soll das verdeutlichen. Ein Interessent möchte eine Immobilie mit einem Kaufpreis von 500.000 Euro erwerben. Er kann 100.000 Euro Eigengeld einbringen. Je nach Höhe der Grunderwerbsteuer und möglicher Maklercourtage muss er ca. 450.000 Euro  finanzieren. Bei 2 % Tilgung hätte dieser Käufer Anfang 2022 eine Finanzierungsrate von rund 1.125 Euro gezahlt (bei 1 % Zinsen und 2 % Tilgung). Im Dezember muss er für die gleiche Finanzierungssumme bereits das Doppelte, also 2.250 Euro monatlich leisten (bei 4 % Zinsen und 2 % Tilgung). Er könnte die Tilgung auf 1 % reduzieren, doch selbst dann läge die monatliche Rate noch bei rund 1.875 Euro. Somit ist für viele potenzielle Käufer die Finanzierung einer Immobilie nicht mehr realisierbar. Dadurch sinkt die Nachfrage am Immobilienmarkt. Hinzu kommen diejenigen, die eine Bestandsimmobilie haben und beispielsweise in den letzten Jahren nur eine zehnjährige Zinsbindung vereinbart haben. Viele dieser Finanzierungen laufen in den nächsten Jahren aus. Eine Anschlussfinanzierung wird erheblich teurer und damit für manch einen nicht mehr finanzierbar. Auch diese Immobilien werden dann wohl zwangsläufig verkauft. Damit wiederum steigt das Angebot von Immobilien noch weiter an.

Nicht nur für diejenigen, die in den nächsten Jahren eine Anschlussfinanzierung mit viel höheren Zinsen abschließen müssen, kann das zu einem finanziellen Drama werden. Bei manch einem Immobilieneigentümer zeichnet sich ein finanzielles Desaster auch durch gestiegene Energie- und Lebenshaltungskosten aus. Viele Finanzierungen wurden sehr knapp kalkuliert. Bei der Prüfung der Einnahmen und Ausgabenrechnung wurde in der Vergangen-heit bei den Banken oft nur darauf geschaut, dass es gerade so passte und ein mehr oder weniger deutlicher Einnahmenüberschuss vorhanden ist. Vielen Finanzierungsanbietern reichte ein Überschuss von 1 bis 250 Euro in der Haushaltsrechnung aus. Kaum jemand hat damit gerechnet, dass unsere Kosten dermaßen explodieren würden. Meine Prognose ist, dass sich viele dieser Kunden zwangsläufig von ihren Immobilien trennen müssen, wesweg-en noch mehr Immobilien auf den Markt geschwemmt werden. Auch andere Faktoren, wie zum Beispiel staatliche Sanierungsauflagen oder die demografische Entwicklung beschleunigen diese Situation und führen wohl zu einem weiteren Sinken der Immobilienpreise.  Aber wer weiß. Vielleicht sinken die Zinsen auch wieder, dann könnte der Gegentrend  starten. Danach sieht es allerdings aktuell nicht aus.

Nicht nur Verlierer

Es gibt aber auch klare Gewinner der Situation. Dazu gehören Vermieter, und zwar die Vermieter, die ausreichend Liquidität und/oder langfristige Zinsvereinbarungen haben und somit nicht in die Überschuldungs- und Teuerungsfalle geraten. Die Mieten werden vielerorts steigen, denn die Nachfrage nach Mietwohnungen ist durch die aktuelle Situation hoch. Der neue Trend ist Mieten statt Kaufen, denn für viele Menschen ist der Traum vom Eigen-heim durch die hohen Zinsen im Vergleich zu den letzten Jahren nicht mehr realisierbar.

Der Immobilienboom mag vorerst vorbei sein, doch neue Chancen für ein Immobilieninvestment werden sich durch die sinkenden Immobilienpreise in den nächsten Jahren er-geben. Und wer weiß, was mit dem Zinsniveau passiert. Alles ist möglich, wie uns die Vergangenheit gezeigt hat. Historisch gesehen ist unser aktuelles Zinsniveau nach wie vor niedrig.

Daniela Landgraf Moderatorin, Professional Speaker, Autorin