Das Ende der Niedrigzinsen?

01.04.2013

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Mehrere Banken wollen die Vergaberichtlinien für Immobiliendarlehen verschärfen, die Bundesbank warnt vor steigenden Bauzinsen. Wozu sollten Vermittler potenziellen Bauherren jetzt raten?

„Können wir uns das überhaupt leisten?“ Diese Frage steht häufig ganz am Anfang, wenn junge Familien planen, ein Haus zu bauen oder zu kaufen. Ausgerüstet mit Taschenrechner, Kontoauszügen, Sparbüchern und Gehaltsabrechnungen beginnen sie zu rechnen: „Wie viel Eigenkapital steht uns zur Verfügung? Wie viel Fremdkapital brauchen wir?“ Der Weg führt dann zu Banken und Verbraucherzentralen. Am Ende müssen die potenziellen Bauherren eine Antwort auf die Ausgangsfrage finden. Und diese Antwort lautet immer häufiger: „Ja, können wir! “Das zeigt der „Stimmungsindex Baufinanzierung“, den das Marktforschungsinstitut Forsa regelmäßig im Auftrag der comdirect Bank erhebt. Dieser lag im März bei 112,9 Punkten, der höchste Wert seit Beginn der Aufzeichnung vor vier Jahren. Derzeit sehen58 % der Deutschen einen guten Zeitpunkt, eine Immobilie günstig zu finanzieren. „Angesichts der vergleichsweise guten Konjunktur in Deutschland trauen sich offenbar wieder mehr Bundesbürger eine größere Investition zu. Das verschafft Immobilien neuen Auftrieb, zumal die Sparzinsen nach wie vor niedrig sind“, so Jan Enno Einfeld, Leiter Beratung bei comdirect.

Fraglich ist, wie lange das noch so bleibt, denn im vierten Quartal 2012 haben einige Banken die Vergaberichtlinien für Immobiliendarlehen bereits verschärft. Laut Umfrage der Bundesbank begründeten die Kreditinstitute diesen Schritt mit einer schlechten Risikoeinschätzung und seit Juni 2010 stetig steigender Nachfrage nach Baukrediten. „Für das erste Quartal 2013 beabsichtigen die befragten Institute, die Kreditstandards in der privaten Baufinanzierung deutlich zu verschärfen“, teilte die Bundesbankmit. Isold Heemstra, Bereichsleiter Vertrieb Immobilienfinanzierung bei der ING DIBa Bank, bestätigt, dass einige Banken die Haushaltsrechnung verschärft haben, eine erhöhte Tilgung fordern oder Konditionssegmente verteuert haben. „Selber haben wir im vierten Quartal 2012 keine Verschärfung vorgenommen. Im laufenden Quartal haben wir die Haushaltsrechnung dahingehend verschärft, dass wir die Finanzierung mit einem Tilgungssatz von mindestens 2 % berechnen“, erklärt Heemstra. Bei der Prohyp GmbH kann man dagegen keine generelle Verschärfung der Vergaberichtlinien erkennen. Das Tochterunternehmen der Interhyp AG vermittelt Baufinanzierungen und sucht Vermittler zu den entsprechenden Konditionen. „Veränderungen, die wir bei unseren rund 400 Partnerbanken sehen, sind eher technischer Natur und betreffen zum Beispiel die Unterlagenanforderungen. So richten einige Banken ihr Geschäft inzwischen sehr stark an den Vorschriften des Pfandbriefgesetzes aus und fordern zusätzliche Unterlagen wie z. B. Flurkarten, die bislang entbehrlich waren. Einige Banken fordern zudem eine Mindesttilgung von 2 %, um Darlehenslaufzeiten von über 40 Jahren zu verhindern“, so Geschäftsführer Dirk Günther. Diese Veränderungen stellen seiner Meinung nach aber keine Verknappung des Angebots dar: „Vielmehr haben wir heute die größte Produktvielfalt in der Baufinanzierung seit Bestehen der Bundesrepublik – mit vielen größtenteils kostenlosen und flexiblen Möglichkeiten wie Sondertilgungen, Tilgungswechseloptionen und Zinsbindungen von bis zu 40 Jahren.“ Auch nach Wahrnehmung von Jochen Waczula, Mitglied der Geschäftsleitung BaufiTeam GmbH & Co. KG, hat keine direkte flächendeckende Verschärfung der Vergaberichtlinien stattgefunden. BaufiTeam bietet Finanzvermittlern Zugang zu Kreditgebern sowohl für private als auch für gewerbliche Finanzierungen. „Es handelt sich eher um eine indirekte Verschärfung durch das Ausblenden der steigenden Immobilienpreise bei der Objektbewertung. Die Banken bewerten also weiterhin die Objekte nach der Bewertungsverordnung und sehen sich die persönliche Bonität des Kunden genau an“, so Waczula. In den nächsten Monaten rechnet er mit einer neuen Art von Finanzierungsanträgen. Die klassische Finanzierung von Kauf und Neubau werde durch Modernisierung bzw. Umbau Konkurrenz erhalten. Insofern sei das Vorgehen einzelner Banken durchaus nachvollziehbar.

Die Bundesbank warnte darüber hinaus vor steigenden Zinsen für Immobilienkredite. Bundesbank-Vorstand Dombret wies allerdings darauf hin, dass kein Grund zur Beunruhigung bestehe. Mittelfristig könnten die Zinsen zwar steigen, allerdings sei in naher Zukunft kein deutlicher Anstieg zu erwarten. „Zwar können weitere Schritte zur politischen Union und zur Vergemeinschaftung von Schulden 2013 zu einer leichten Steigerung der Zinsen führen, die nachlassende Konjunktur und geringe Inflationsgefahr sollten jegliche Steigerungen jedoch stark begrenzen“, erwartet auch Heemstra. „Man muss sich vor Augen halten, dass die heutige Generation, die Immobilien kauft, im Prinzip immer nur mit fallenden Zinsen konfrontiert war. War der Zins für eine erstrangige Finanzierungmit zehnjähriger Festschreibung vor knapp 20 Jahren noch bei 8%, so ist er inzwischen bei rund 2,2 % angekommen“, ergänzt Waczula. Auch wenn die Zinsen leicht anziehen sollten, sei man noch weit von früheren Hochzinsphasen entfernt.

Dennoch stellt sich die Frage, wie Bauinteressierte auf die Warnung vor steigenden Zinsen reagieren werden. Wozu sollten Vermittler ihnen raten? „Vor allem sollten sie sich nicht in Panik versetzen lassen“, sagt Günther. „Erstens sehen wir kurzfristig keinen massiven Zinsanstieg. Zweitens ist es unerlässlich, sich das Objekt in Ruhe auszusuchen und zu prüfen und nicht aus vermeintlichem Druck heraus falsch oder zu teuer zu kaufen. Drittens bietet das aktuelle Zinsniveau ein Umfeld, in dem man attraktive Raten und eine solide Tilgung lange – also für 15 oder 20 Jahre – festschreiben sollte.“ Wiczula empfiehlt ebenfalls eine längere Zinsfestschreibung, bzw. sich im Fall einer bereits bestehenden Finanzierung mit dem Thema „Forward“-Darlehen zu beschäftigen. Dieses bietet die Möglichkeit, sich bereits heute die niedrigen Zinsen zu sichern, um eine in der Zukunft auslaufende Finanzierung zu günstigeren Konditionen ganz oder teilweise weiterzuführen. Dazu rät auch Christian Heikamp, Fachbereichsleiter Produktmarketing Baufinanzierung und Bausparen bei der DSL Bank: „Die angebotene Produktpalette bietet den Kunden bereits heute genügend Optionen. So kann man sich bei Neuaufnahme mit Volltilgervarianten bis 20 Jahre Sollzinsbindung vor jeglichem Zinsanstieg schützen. Umfinanzierern wird die Möglichkeit geboten, sich durch ‚Forward‘-Darlehen den aktuellen Zins bis zu fünf Jahre im Voraus zu sichern.“ Zudem ist die Risikobereitschaft von Bauinteressierten deutlich gestiegen. Dies ergab kürzlich eine Analyse von immobilienscout24. Ende 2012 wurde im Durchschnitt das 70fache der monatlichen Einkünfte als Kredit angefragt. Zwei Jahre zuvor benötigte ein Kreditnehmer nur rund 50 Monatsgehälter als Darlehen. Die Eigenkapitalquote hat sich in diesem Zeitraum nahezu halbiert.

Kurz und bündig

Wozu sollten Vermittler potenziellen Bauherren raten?

  • Bauinteressierte sollten sich um eine langfristige Zinsfestschreibung (für 15 oder 20 Jahre) und eine günstige Anschlussfinanzierung bemühen;
  • Die Lebensphasen der Kunden sollten vom Vermittler unbedingt berücksichtig werden: Auswirkung von Familienvergrößerung, Studienbeginn, Auszug der Kinder oder eventuelle Folgen von Arbeitslosigkeit und schwerer Krankheit;
  • Vor allem sollten Vermittler ihre Kunden davor warnen, sich angesichts niedriger Zinsen finanziell zu übernehmen und aus vermeintlichem Druck heraus zu teuer Eigentum zu erwerben.

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Kim Brodtmann_

Baufinanzierung - Printausgabe 02/2013

http://finanzwelt.de/wp-content/uploads/Preissteigernde_Faktoren_im_deutschen_Wohnimmobilienmarkt.pdf