Dekarbonisierung im Fokus

16.10.2023

Laut der jüngsten Umfrage des Urban Land Institute (ULI) berücksichtigen 89 Prozent der Immobilieninvestoren und -manager bei ihren Entscheidungen die Risiken des Übergangs zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft. Dies ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass diese Risiken von einem wachsenden Teil des Marktes ernst genommen werden. Zudem ist es ein Aufruf zum Handeln für alle weiteren Branchenteilnehmer, dieselbe Strategie zu verfolgen.

Im Rahmen der ULI C Change-Umfrage wurden 225 Entscheidungsträger des europäischen Immobiliensektors befragt. Mehr als 60 Prozent der Befragten gaben an, dass sich die Risiken der Energiewende in „fast allen" Fällen oder „häufig" auf ihre Investitionsentscheidungen auswirken.

Darüber hinaus ergab die Umfrage, dass dies bei 61 Prozent der Befragten dazu geführt hat, dass Akquisitionen aufgrund von diesen Risiken nicht zustande gekommen sind. Unabhängig davon haben 54 Prozent aufgrund dieser Risiken Vermögenswerte zur Veräußerung vorgesehen. Lisette van Doorn, CEO des ULI Europe: „Wir sehen, dass Übergangsrisiken bereits zu einem bedeutenden Faktor bei Investitionsentscheidungen geworden sind und einem ohnehin schon schwierigen Markt eine neue Ebene der Risikoanalyse hinzufügen."

In der Tat zeigen die Ergebnisse, dass der Business Case für die Dekarbonisierung klar ist: 64 Prozent der Befragten erkennen die Vorteile der Einbeziehung von Übergangsrisiken an, um die zukünftigen Anforderungen der Investoren zu erfüllen, während die Erfüllung der zukünftigen Anforderungen der Nutzer mit 46 Prozent an dritter Stelle steht. Auch dass die Regulierung hier weiter voranschreiten würde, ist bei den Befragten im Hinterkopf, wobei 52 Prozent der Befragten sich nun auf Übergangsrisiken konzentrieren.

62 Prozent der befragten Investoren und Immobilienmanager haben bereits eine oder mehrere Akquisitionen aufgrund einer Bewertung des Übergangsrisikos zu einem niedrigeren Preis abgeschlossen. In den Fällen, in denen die Transaktion zustande kam, wurde der Preis aufgrund des höheren Investitionsbedarfs und der Notwendigkeit, das Investment mit der Dekarbonisierungsstrategie des Käufers in Einklang zu bringen, nach unten verhandelt.

Bei der Überprüfung einer bestehenden Portfoliostrategie gaben mehr als 65 Prozent der Befragten an, dass die Analyse des Übergangsrisikos zu einem erhöhten Kapitalbedarf in der Zukunft führe, während 44 Prozent angaben, dass dies zu einer Veräußerung führe.

Auch hier spielte die Preisgestaltung eine Rolle, wobei 46 Prozent den Verkauf zu einem reduzierten Preis tätigten. Bei 38 Prozent der Befragten spielte die Preisgestaltung jedoch keine Rolle, was auf eine Informationslücke hindeutet, da noch nicht alle Käufer eine Due Diligence-Prüfung einschließlich einer Analyse des Übergangsrisikos durchgeführt haben.

Van Doorn: „Der Gegenwind aufgrund hoher Zinssätze und Inflation hat den Investmentmarkt in Europa in eine Phase der Stagnation getrieben. Da es an Transaktionen mangelt, herrscht Unklarheit darüber, wie viel in der Branche derzeit unternommen wird, um Übergangsrisiken in die Entscheidungsfindung einzubeziehen. Die Ergebnisse unserer Umfrage deuten darauf hin, dass viele in der Branche diese Zeit nutzen, um ihre Portfolien überprüfen und sich auf eine erneute Marktaktivität vorzubereiten. Es wäre ratsam, dass auch die weiteren Branchenteilnehmer auf einen anderen Markt vorbereitet sind, wenn die Transaktionsaktivität wieder anzieht - das ist unser Aufruf zum Handeln."

Das Programm ULI C Change wurde ins Leben gerufen, um die Branche bei der Beschleunigung und Ausweitung der Dekarbonisierung der bebauten Umwelt zu unterstützen. Eine der ersten Prioritäten war die Unterstützung bei der Bewertung und Offenlegung von Übergangsrisiken im Rahmen von Immobilienbewertungen. In diesem Sommer veröffentlichte das Programm die „Transition Risk Assessment Guidelines“. Diese unterstützen eine gemeinsame Methodik, die 12 Übergangsrisiken identifiziert, die jetzt und in Zukunft wesentliche Auswirkungen auf Immobilieninvestitionen haben. Laut der Umfrage haben 13 Prozent der Befragten damit begonnen, die ULI-Leitlinien zu verwenden, und beeindruckende 92 Prozent der Befragten stimmten zu, dass die Leitlinien zur Unterstützung der Analyse von Übergangsrisiken nützlich wären.

Eines der in den Leitlinien genannten Risiken steht im Zusammenhang mit der Bepreisung von CO2-Emissionen. Die Umfrage bestätigt, dass die Bepreisung in der Branche nach wie vor selten durchgeführt wird. Nur 8 Prozent der Befragten arbeiten in Organisationen, die einen kostenpflichtigen CO2-Preis einführen, während weitere 4 Prozent der Befragten zusätzlich eine Art Schattenberechnung mit einem intern verwendeten Preis für von CO2-Emissionen durchführen.

Vor diesem Hintergrund hat das ULI mit dem Programm C Change im Sommer eine erste Anhörungsrunde durchgeführt, um die Meinungen zum Thema zu bewerten und erste Ideen zu entwickeln, wie die Branche den Ansatz zur Preisgestaltung standardisieren könnte, welche Hindernisse es gibt und welche Unterstützung für den Aufbau eines Business Case erforderlich ist.

„Wir stehen zwar noch am Anfang dieser Reise, aber wenn die Branche die Verantwortung für die CO2-Emissionen übernimmt, indem sie in großem Maßstab zusammenarbeitet, um gemeinsam eine Lösung für die Bepreisung von Kohlenstoff zu finden, haben wir die besten Chancen, einen großen Einfluss auf die Kohlenstoffemissionen zu nehmen", so van Doorn abschließend. (fw)