Den Durchblick behalten

01.03.2023

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2023 hat gerade erst begonnen und schon sind weitere Regeln für die Finanzbranche in Kraft getreten. Dabei den Überblick zu behalten ist gar nicht so einfach. Wer sich in der Beratung jedoch nicht an neue Vorgaben hält, dem drohen Haftungskonsequenzen. Worauf muss sich die Beraterschaft in 2023 einstellen?

Seit dem 01. Januar 2023 finden die technischen Regulierungsstandards (RTS) der EU- Offenlegungsverordnung (SFDR) Anwendung. Sie legen laut BaFin den konkreten Inhalt, die zu verwendende Methodik und die Art der Darstellung der offenzulegenden Informationen fest. So weit, so gut. „Für Vermittler nach § 34f GewO ergeben sich aus den technischen Regulierungsstandards der Offenlegungsverordnung zunächst keine eigenen Berichtspflichten, da sie vorläufig noch nicht von der SFDR erfasst sind. Für BaFin -beaufsichtigte Vermittler und Vermögensverwalter ergeben sich detailliertere berichtspflichten auf Unternehmensebene, insbesondere zu den PAIs“, erläutert Dr. Klaus Möller, Vorstand DEFINO Institut für Finanznorm AG. Allerdings seien Vermittler durchaus indirekt betroffen. Denn durch detaillierte Berichtspflichten der Produktanbieter, erhielten Vermittler mehr Informationen zu Produkten im standardisiert aufbereiteten EET (European ESG Template). Damit sollten sie ihren Kundinnen und Kunden mehr Produkte entsprechend der zuvor abgefragten ESG-Präferenzen anbieten können. Allerdings seien die Angaben im EET bisher lückenhaft und wegen nicht einheitlicher Berechnungsmethoden nur schwer vergleichbar.

Die neuen Standards betreffen zudem nur zwei der sechs EU-Umweltziele, weitere RTS für die restlichen vier stehen noch aus. Michael H. Heinz, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Versicherungskaufleute (BVK), kommentiert: „Die Entwicklung ist momentan schwer absehbar und erzeugt eine nicht unerhebliche Unsicherheit auf Seiten der Vermittlerschaft. Die RTS können zudem noch überarbeitet werden, denn trotz des Inkrafttretens am 1. Januar besteht eine dreimonatige Vetophase des EU-Parlaments und des Rats.“ Laut Dr. Möller gebe es mit einer erneuten Erweiterung mehr Anforderungen an die berichtspflichtigen Unternehmen und Produktanbieter. Doch auch das betrifft Vermittler nur indirekt. Zukünftig werde es dadurch ein größeres Angebot an taxonomiekonformen Produkten geben, was in der Vermittlung berücksichtigt werden muss.

Nachholbedarf bei der Präferenzabfrage

Umfragen aus dem vergangenen Jahr belegen, dass das Thema Nachhaltigkeitspräferenz sowohl auf Beraterseite als auch bei den Kunden stockt. Knapp die Hälfte der Vermittler interessiert sich kaum für das Thema oder fühlt sich gezwungen, sich damit auseinanderzusetzen. Gleichzeitig erklären zwei von drei Vermittlern, noch nie oder in den letzten vier Wochen nicht von Kunden auf ESG-Themen angesprochen worden zu sein. Wer sich jedoch nicht an die Abfragepflicht hält, dem droht eine Haftung. Der BVK-Präsident sieht dabei zwar neue Vertriebschancen und Cross-Selling-Optionen, weiß aber um eine große Lücke zwischen umfassender Transparenz und Aufklärung, wie nachhaltig Produkte wirklich sind. Durch die Regulatorik müssten Vermittler diese Lücke schließen. „Doch das können wir nicht. Deshalb sehen wir für die Lösung dieses Problems primär die Produktgeber in der Pflicht“, so Heinz. Laut Dr. Möller müssen sich beide Seiten an das Thema Nachhaltigkeit heranrobben, das herrschende Regulierungschaos erschwere diesen Prozess jedoch. Es gebe weder klare Leitlinien für die Abfrage, noch einen Konsens darüber, was als nachhaltig zu bewerten sei.

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