Der Druck auf Jerome Powell aus Richtung des Weißen Hauses dürfte zunehmen
07.07.2025

Felix Herrmann - Foto: Copyright ARAMEA AM AG
Halbzeit an den Märkten. Wie sind die Aussichten in den USA, Europa und dem Rest der Welt? Felix Herrmann, Kapitalmarktstratege der ARAMEA Asset Management AG, ist Experte auf diesem Gebiet. Im exklusiven Interview geht er auch auf den neuen hauseigenen Fonds (ARAMEA Intelligence Fonds) ein.
finanzwelt: Das erste Halbjahr 2025 ist Geschichte. Turbulent, volatil war es. Vom Liberation Day bis hin zum Krieg im Nahen Osten. Wie blicken Sie auf die kommenden Wochen, Herr Herrmann?
Felix Herrmann: Ich erwarte, dass die Politik Trumps im zweiten Halbjahr aus Marktsicht tendenziell freundlicher wird. Zölle machen verstärkt Platz für Deregulierungen und Steuersenkungen. Gleichzeitig dürften die negativen wirtschaftlichen Folgen der Zölle erst im zweiten Halbjahr 2025 so richtig spürbar werden. Die US-Wirtschaft dürfte sich fortgesetzt abkühlen – ohne dabei Gefahr zu laufen, in die Rezession abzugleiten. Diese konfligierenden Trends gilt es für den Markt gegeneinander abzuwägen.
finanzwelt: In den USA feiern die Börsen wieder Rekorde. Vorbei Tristesse, obwohl die Schuldenlast doch immens drückt?
Herrmann: Die Schulden sind für US-Aktien ein weniger bedeutsames Thema als für den US-Rentenmarkt. Die USA sind und bleiben auch unter Trump das Land, in dem die wichtigen Megatrends unserer Zeit ihr Zuhause haben. Anleger waren zum Amtsantritt Trumps nicht ohne Grund in den USA übergewichtet. Nicht ohne Grund war noch vor einem halben Jahr nahezu jeder Anleger der Meinung, dass an US-Aktien kein Weg vorbeiführt. In den USA werden nicht nur die größten Gewinne erwirtschaftet – auch das Gewinnwachstum dürfte in Zukunft das von europäischen Unternehmen nach wie vor in den Schatten stellen. Kurzum: Das große Geld wird in den USA verdient.
finanzwelt: Trump und Powell – ein ungleiches „Paar“. Bereits jetzt kursieren Namen eines Nachfolgers des US-Notenbankchefs im kommenden Jahr. Erwarten Sie Zinssenkungen im zweiten Halbjahr? Wie viele Zinsschritte sehen Sie zum aktuellen Zeitpunkt?
Herrmann: Trotz der bestehenden Unsicherheit geht die US-Fed offenbar davon aus, dass die Zollpolitik Trumps einen stärkeren stagflationären Schock für die US-Wirtschaft darstellt. Auf der letzten Sitzung des FOMC wurden die Inflations- und Wachstums-prognosen entsprechend nach oben bzw. unten korrigiert. Da wir davon ausgehen, dass die Fed auch bei moderat steigenden Arbeitslosenzahlen weiter äußerst sensitiv auf das von uns erwartete Anziehen der Preissteigerungsraten reagieren dürfte, halten wir die Wahrscheinlichkeit für hoch, dass es in diesem Jhr vermutlich keine weitere Zinssenkung in den USA mehr geben wird.
Der Druck auf Jerome Powell aus Richtung des Weißen Hauses dürfte somit weiter zunehmen. Powells zweite Amtszeit als Fed-Chef endet am 15. Mai nächsten Jahres. Es ist davon auszugehen, dass Trump schon einige Zeit vorher einen neuen Chef nominieren könnte. Neben US-Finanzminister Scott Bessent, der die Idee eines Schatten Fed-Chefs ins Spiel gebracht hatte, zählt unter anderem Christopher Waller zu den heißen Kandidaten. Er gilt innerhalb des FOMC als die einflussreichste „Taube“. Zumindest hat er auch immer wieder die Wichtigkeit einer unabhängigen Federal Reserve betont. Bleibt abzuwarten, ob er sich an diese Aussagen erinnert, sollte Trump ihn nominieren.
finanzwelt: Der US-Präsident sieht sich als „Deal-König“. Wie sehr sind die USA im Zoll-Wirrwarr selbst auf Einigungen angewiesen (auch angesichts der gedämpften Wirtschaftsaussichten)?
Herrmann: Jeder Handelsdeal, der die Handelshemmnisse zwischen den USA und den Handelspartnern reduziert, ist auch aus Sicht der USA ein guter Deal. Da die harten Wirtschaftsdaten in den USA zeitnah zu bröckeln beginnen dürften, können auch die USA jeden konjunkturellen Rückenwind gut gebrauchen.
finanzwelt: Europa hat wieder etwas Rückenwind. DAX & Co. profitieren. Ist das mehr als ein Sommerlüftchen, um den USA sozusagen Paroli zu bieten?
Herrmann: Europa-Aktien haben also durchaus eine Chance, weiteren Boden gut zu machen. Hierfür gibt es aus unserer Sicht jedoch mindestens zwei notwendige Bedingungen. Zum einen muss das politische Wagnis steigender Staatsausgaben in Europa aufgehen. Wird das Geld bei uns in Europa im Schnitt einer produktiveren Verwendung zugeführt als in den USA, dürften globale Anleger perspektivisch weniger gewillt sein, für US-Titel weiterhin einen derart hohen Bewertungsaufschlag zu zahlen. Die Latte hängt dabei nicht sonderlich hoch, da Trump vor allem Steuergeschenke an die Reichen verteilt – das Wachstum in den USA wird er mit dem „Big Beautiful Bill“ vermutlich nur unwesentlich anschieben.
Zum anderen bedarf es vor allem kurzfristig einer De-Eskalation im Mittleren Osten sowie – und das ist vermutlich noch wesentlich wichtiger – eines Abebbens der Handelsstreitigkeiten.
Die expansivere Geldpolitik der EZB im Vergleich zur Fed sowie die Tatsache, dass institutionelle Anleger oft etwas Zeit brauchen, um ihre Asset Allocation (in diesem Fall zu Ungunsten der USA) anzupassen, sprechen auch dafür, dass Europa durchaus das Potenzial hat, in der zweiten Jahreshälfte mehr als nur Mitläufer im Vergleich zu US-Aktien zu sein.
Aber machen wir uns nichts vor: Für mehr als ein temporäres Zwischenhoch wird es für europäische Aktien wohl nicht reichen.
finanzwelt: In Krisenzeiten schauen viele Anleger auf den Goldpreis, der aktuell über der Marke von 3.300 US-Dollar je Unze steht. Ist die Goldrallye ausgereizt?
Herrmann: Gold erfährt seit geraumer Zeit eine strukturelle Nachfrage durch große Zentralbanken, die ihre Devisenreserven umschichten. Dieser Trend sollte sich fortsetzen und den Goldpreis gut unterstützt halten. Wir rechnen gegen Jahresende mit einem Goldpreis von 3.500$.
finanzwelt: Ende vergangenen Jahres haben Sie den Aramea Intelligence Fund aufgelegt. Was sind die Charakteristika des Fonds? An wen richtet sich das Produkt?
Herrmann: Der ARAMEA Intelligence Fonds ist der erste KI-gesteuerte Anleihenfonds in Deutschland und setzt auf einen innovativen Zwei-Säulen-Ansatz. Das Basisportfolio investiert in kurzlaufende Staatsanleihen mit Investment-Grade-Rating (aktuell: AA-) aus Ländern wie Deutschland, Frankreich und Italien. Die geringe Duration von 1 bis 3 Jahren soll helfen, Zinsrisiken im Basisportfolio gering zu halten.
Ergänzt wird die Strategie durch ein KI-Overlay, das in Zusammenarbeit mit Private Alpha und unter Nutzung der Microsoft Cloud entwickelt wurde. Die proprietäre CaesarDPT-Plattform analysiert historische sowie Echtzeit-Marktdaten, erkennt Muster – von EZB-Redetexten über Orderbuchdaten bis hin zu ESG-Ratings – und generiert gezielte Long- oder Short-Signale sowohl für Duration als auch Credit-Spreads. Die daraus abgeleiteten Handelsimpulse werden dann vom Fondsmanagement mittels Bund- und Credit-Futures umgesetzt.
Der Selektionsprozess verbindet menschliche Expertise mit den KI-Signalen, wobei das lernende System etwa ein aussagekräftiges Trendsignal pro Monat liefert. Durch die Nutzung bisher wenig verwendeter Indikatoren kann so zusätzliches Alpha-Potenzial erschlossen werden. Der Fonds richtet sich sowohl an Privatanleger als auch institutionelle Investoren.

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