Der Geschäftsklima-Index: David gegen Goliath

11.11.2022

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Der Index der Kleinstunternehmen und Solo-Selbstständigen verzeichnet zum

dritten Mal in Folge einen Negativrekord (minus 25 Punkte), während die Situation der Gesamtwirtschaft unverändert bleibt. Jedes 5. Kleinstunternehmen sieht die Existenz des Betriebes bedroht. Hauptgrund für die einbrechende Geschäftslage ist das Ausbleiben der Aufträge.

Bei Geschäftslage und Existenzbedrohung ist die Schere am größten zwischen Gesamtwirtschaft und Selbstständigen

„Die aktuelle Situation ist für Solo-Selbstständige und Kleinstunternehmen deutlich schwieriger als für größere Unternehmen”, sagt Klaus Wohlrabe, Leiter der ifo-Umfragen zu den Ergebnissen des Jimdo-ifo Geschäftsklimaindex vom Oktober. Sowohl die aktuelle Lage als auch die Erwartungen in Hinblick auf die kommenden Monate haben sich bei den Kleinstunternehmen noch einmal deutlich verschlechtert. Aus der Geschäftslage und den Geschäftserwartungen berechnet sich das Geschäftsklima – und das liegt mit minus 25 Punkten bei den Selbstständigen auf dem tiefsten Punkt seit der ersten Erhebung im August 2021. Zwischen September und Oktober ist der Index noch einmal um 4,1 Punkte gesunken. „Diese Entwicklung steht konträr zu der gesamtdeutschen Wirtschaft, wo der Index zwischen September und Oktober de facto konstant geblieben ist.”

Bei der tatsächlichen wirtschaftlichen Lage zeigt sich der größte Unterschied zwischen Groß und Klein. Bei den Solo-Selbstständigen rutschte die Geschäftslage zwischen September und Oktober um ganze 5,6 Punkte nach unten und damit zum ersten Mal seit Monaten wieder ins Negative (minus 2,8 Punkte). Damit liegt sie 17,4 Punkte unterhalb der Geschäftslage der Gesamtwirtschaft. Es ist davon auszugehen, dass die Geschäftslage der Solo- und Kleinstunternehmen in den kommenden Monaten noch weiter ins Minus rutscht. Konkret bedeutet das, dass sie nicht genug Umsatz machen.

Diese Entwicklung hat für die Kleinen drastische Auswirkungen: 19,7 % der Kleinstunternehmen sehen sich aktuell in ihrer Existenz bedroht, während es bei der Gesamtwirtschaft gerade einmal 7,5 % sind. Laut Matthias Henze, Mitgründer und CEO von Jimdo, deutet sich hier ein Muster an: „Die Solo-Selbstständigen und Kleinstunternehmen sind momentan wieder die größten Krisenverlierer – wie schon bei Corona. Das müssen wir jetzt schnell auffangen und genau hinschauen, was sie in der aktuellen Lage an Unterstützung wirklich brauchen.”

Hauptgrund für das schlechte Geschäftsklima: Zu wenig Neuaufträge

Die Solo-und Kleinstunternehmen leiden laut ifo-Institut vor allem unter dem

zunehmend sinkenden Auftragsbestand. Es kommen über alle Sektoren hinweg zu

wenig neue Aufträge rein.

Kaufzurückhaltung der Kunden ist vor allem in der Krise deutlich spürbar

Auch der VGSD (Verband der Gründer und Selbstständigen Deutschland) bestätigt

die sinkende Auftragslage bei seinen Mitgliedern. „Neben steigenden Kosten und

Unsicherheit leiden die Solo- und Kleinstunternehmer*innen vor allem unter der

Kaufzurückhaltung ihrer Kunden”, sagt Dr. Andreas Lutz, Vorstandsvorsitzender des

VGSD e.V.. Er hat konkrete Lösungsvorschläge, um die Selbstständigen in der

aktuellen Situation zu entlasten: „Es ist wichtig, dass die Strom- und Gaspreisbremse

schnell kommt, um für Beruhigung zu sorgen. Und für die besonders hart von der Covidkrise betroffenen Branchen sollte die Neustarthilfe verlängert werden. Ebenfalls ein wichtiges Signal wäre eine Gleichbehandlung der Selbstständigen in Hinblick auf die bis zu 3000 Euro, die Angestellte und Beamte steuer- und sozialversicherungsfrei erhalten können. Und mehr als ein Jahr nach der Bundestagswahl sollte nun auch entschlossen die Umsetzung des Koalitionsvertrags in Angriff genommen werden, zum Beispiel eine faire Berechnung der Krankenversicherungsbeiträge und eine wirksame Reform des Statusfeststellungsverfahrens."

Einer, der von der aktuellen Krise direkt betroffen ist, ist Kunsthandwerker Benjamin

Stuht. Er merkt die drastisch sinkende Nachfrage: „Bis Juli und August lief es noch

richtig gut. Im September ist der Umsatz dann um knapp 80 Prozent eingebrochen.

Wäre ich im Vollerwerb mit meiner Selbstständigkeit, hätte ich mir etwas anderes

suchen müssen. Von den Weihnachtsmärkten erhoffe ich mir, dass die Leute trotzdem etwas kaufen, für mich sind diese super wichtig, sonst bricht mein Umsatz weiter ein. Von der Politik erwarte ich erstmal gar nichts, ich nehme die Sachen lieber selbst in die Hand."

Weitere Informationen zum Ifo-Schnelldienst finden Sie hier. (ml)