Digitale Stärken im Vertrieb, aber Defizite im Service
15.12.2025

Chris Berger, Head of AOE FinTech & Gründer und Geschäftsführer von Finnoconsult. Foto: © Finnoconsult
Die neueste Ausgabe der Innoscore-Studie „Digital Customer Experience bei deutschen Versicherungsunternehmen 2025“ zeigt: Die Möglichkeit zum digitalen Vertragsabschluss ist mittlerweile Standard, doch es bestehen besondere Service-Defizite – insbesondere in den Bereichen Omnichannel-Kommunikation und Barrierefreiheit. Die Analyse analysiert 94 Versicherer in Europa und Nordamerika im Zeitraum zwischen Mai und September und macht die digitale Customer Experience in 11 Dimensionen (480 Kriterien) vergleichbar.
Die Allianz Deutschland (7,25) verteidigt den ersten Rang, gefolgt von einer deutschen Top 3, die durch die CosmosDirect (6,60) und die HUK(6,30) komplettiert wird. Die Top-Position basiert auf kontinuierlicher Weiterentwicklung der digitalen Services, beispielsweise mit einer Live-Videoberatung ohne Termin, aber auch Verbesserungen im den Bereichen Website sowie Cybersicherheit. Die Wiener Städtische (6,28) als bestplatzierter österreichischer Anbieter erreicht den vierten Rang mit besonderen Leistungen in den Bereichen Omnichannel-Kommunikation, Kundenbindungsprogramme und Innovation, während die Schweizer Helvetia (5,94) insbesondere mit Barrierefreiheitsmaßnahmen wie einem neuen Fokus-Modus und bei der Meldung von Schadensfällen überzeugt.
Auffällig: Ein Großteil der Top-20-Platzierungen wird von Versicherern aus Deutschland, Österreich und der Schweiz belegt. Die führenden Anbieter überzeugen durch digitale Services, Servicequalität und innovative Produkte.
Top 5 nach Ländern
· Deutschland: Allianz (7,25), CosmosDirect (6,60), HUK (6,30), AXA (6,26), ERGO (5,96)
· Österreich: Wiener Städtische (6,28), Generali (5,84), UNIQA (5,47), DONAU – VIG (5,33), Allianz (4,98)
· Schweiz: Helvetia (5,94), Zurich (5,58), Smile (5,56), Allianz (5,55), Generali (5,54)
Ländervergleich DACH
· Deutschland: Die digitalen Services sind weitgehend etabliert. Besonders Online-Terminvereinbarung und Vertragsabschluss funktionieren zuverlässig bei 78 % der Anbieter. Fast die Hälfte, rund 47 %, bietet jedoch keine Sofortberatung via Chat oder Live-Formate an
· Österreich: Die meisten Anbieter ermöglichen digitale Vertragsabschlüsse, während direkte Terminvereinbarungen bei einem Drittel eingeschränkt bleiben. 80% bieten keine Möglichkeiten zur digitalen Sofortberatung. Die Bearbeitung von Kundenanfragen ist mit nur 20 % Ausfallquote bei bestehenden Kontaktwegen insgesamt solide.
· Schweiz: Technische Basis für digitale Services ist vorhanden, jedoch fehlen bei 49 % der Anbieter Sofortberatungen und rund ein Drittel der Anfragen (34 %) wird nicht beantwortet. Die Integration digitaler Services in den Kundenprozess bietet weiterhin Optimierungspotenzial.
Experte Prof. Dr. Fred Wagner, Vorstand des Instituts für Versicherungswissenschaften an der Universität Leipzig: „Die Ergebnisse zeigen erneut, dass digitale Exzellenz längst mehr erfordert als funktionierende Einzelbausteine. Zwar setzen einige Versicherer beachtliche Akzente und es gibt einzelne Leuchttürme, doch insgesamt bleibt der digitale Leistungsstand heterogen und oft hinter den Erwartungen zurück. Besonders deutlich wird, dass konsistente, ganzheitlich gedachte digitale Kundenerlebnisse und eine nutzerzentrierte Digitalstrategie noch nicht zum Branchenstandard gehören – und gerade dort liegt der Schlüssel zur Zukunftsfähigkeit.”
Nach Angaben der Studie ist Digitalisierung, etwa im Online-Vertrieb, mittlerweile Standard - nur 13 % der Anbieter bieten keinen digitalen Vertragsabschluss an. Die Orientierung innerhalb der Angebote bleibt jedoch problematisch: 4 % verzichten auf zentrale Tools wie Prämienrechner oder Produkt-Wizards. Herausforderungen zeigen sich zunehmend im Service.
Allerdings gibt es eine digitale Beratungslücke: Über die Hälfte der betrachteten Versicherer (53 %) bietet keine Sofortberatung via Chat oder andere Live-Formate an. Bei etwa einem Drittel (34 %) findet sich gar keine direkte Möglichkeit zur Online-Terminvereinbarung - die Branche läuft Gefahr, Kunden zwar digital zu gewinnen, sie bei Beratungsbedarf jedoch zu verschrecken.
Kundenbindungsprogramme sind zur festen Größe geworden. Vorteilsprogramme für Bestands- oder Neukunden haben sich fest etabliert - 90 % der Anbieter bieten Anreize für Bestands- oder Neukunden, doch nur wenige präsentieren diese sichtbar auf ihrer Webseite, sodass der Mehrwert ihnen oft noch verborgen bleibt.
„Die Digitalisierung ist im Versicherungsmarkt angekommen, doch viele Kundenerwartungen werden noch nicht erfüllt. Angebote, die nur einen Online-Abschluss ermöglichen, reichen nicht aus – entscheidend ist, die Kunden entlang ihrer gesamten digitalen Reise zu begleiten. Dass mehr als die Hälfte der Branche keine Sofortberatung anbietet, zeigt, dass echter digitaler Service weiterhin kein Standard ist. Hier besteht dringender Handlungsbedarf“, sagt Chris Berger, Head of AOE FinTech & Gründer und Geschäftsführer von Finnoconsult. (mho)

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