Eine sichere Sache

21.08.2014

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2015 sinkt der Garantiezins für viele Vorsorgepolicen auf nur noch 1,25 %. Grund genug, auf ein hervorragendes Jahresendgeschäft für den Vertrieb zu hoffen. Den Kunden die Vorteile eines Vertragsabschlusses noch im alten Jahr schmackhaft zu machen, sollte leicht fallen. Doch Einbußen in der Zukunft könnten die Folge sein.

Den deutschen Lebensversicherern steht ein fulminantes Jahresendgeschäft ins Haus – dabei hätten sie selbst und auch die Vermittler gut und gerne darauf verzichten können. Denn zum Jahreswechsel werden nicht nur Lebensversicherungen und die von den Kunden eigentlich dringend benötigte Absicherung gegen das Risiko der Berufsunfähigkeit teurer. Betroffen sind auch Todesfallpolicen, Riester-Verträge, Teile der betrieblichen Altersversorgung, die Pflegeversicherung sowie alle Rürup-Verträge und Fondspolicen, bei denen es eine Beitragsgarantie gibt. Hintergrund ist die vom Bundesfinanzministerium mit Wirkung zum 01.01.2015 beschlossene Absenkung des Höchstrechnungszinses in der Lebensversicherung von 1,75 auf 1,25 %. Zur Erinnerung: Es ist gerade mal 15 Jahre her, dass dieser Satz noch bei 4 % lag. Nun ist der Höchstrechnungszins allein wenig aussagekräftig, wenn es um die gesamte Überschussbeteiligung eines bis zum vereinbarten Ende der Laufzeit gehaltenen Vertrages geht. Dennoch kann sich jede marginale Absenkung der Garantie vor allem bei längeren Vertragslaufzeiten kräftig auswirken. Das Softwarehaus Intelligent Solutions Services AG, kurz iS2, hat es für den jetzt anstehenden Zinsschritt plakativ nachgerechnet. Demnach liegt die garantierte Ablaufleistung für einen 33-jährigen Versicherungsnehmer, der noch in diesem Jahr einen Vertrag mit einer Laufzeit von 32 Jahren zu alten Konditionen abschließt, um fast 14 % höher, als wenn er erst 2015 tätig würde. Stephan Hämmerl, Vorstand iS2, appelliert deshalb an alle Vermittler: „Warten Sie nicht auf den Herbst, sondern starten Sie Ihr Jahresendgeschäft jetzt. Die Senkung des Rechnungszinses liefert Ihnen dafür die besten Argumente." Um am Ende wirklich zum Erfolg zu kommen, müsse den Kunden der Vorteil in Euro und Cent aufgezeigt werden. Das Unternehmen hat zu diesem Zweck ein interaktives Kampagnentool „Garantiezins-Senkung" entwickelt, das die Konsequenzen der Zinssenkung detailliert ausweist. Nach Angaben von iS2 soll es flexibel und tarifneutral funktionieren. Und sich deshalb besonders für unabhängige Vermittler eignen, die ihre Kunden gesellschaftsübergreifend beraten. Entscheidend ist jedoch, wie weit die Lebensversicherer mitziehen. Bei nahezu allen Gesellschaften dürften über die Entwicklung neuer Tarife noch etliche Wochen ins Land ziehen, bis belastbares Zahlenmaterial vorliegt.

So mancher Marktteilnehmer will explizit jedoch nicht vom Schlussverkauf reden, wie etwa Oliver Pradetto, Geschäftsführer des Maklerpools blau direkt. Dennoch kämen die Kunden gar nicht um das Thema herum – zum Vorteil der Vermittler, so Pradetto: „Die Lebensversicherung ist immer noch das beste Produkt für regelmäßige Sparbeiträge von Kleinverdienern. Es wäre fatal, wenn Vermittler die aktuelle Aufmerksamkeit der Verbraucher jetzt nicht intensiv nutzen würden." Skeptisch zeigt sich hingegen Stefan Liebig, Geschäftsführer der vfm-Gruppe: „Ich glaube nicht, dass es zu einem Schlussverkauf kommen wird, wie wir es schon gesehen haben. Es wird sehr moderat ausfallen, allenfalls eine Beitragsersparnis bei biometrischen Risiken könnte attraktiv sein. Aber auch hier sind die momentan diskutierten 8 bis 10 % nur bedingt interessant. Vermutlich werden nur die Kunden noch in 2014 abschließen, die auch in 2015 gekauft hätten. Somit fehlt das Geschäft im Folgejahr."

Ein Bereich, in dem die Vorsorgequote ebenfalls zu wünschen lässt, ist die Berufsunfähigkeitsversicherung. Getrieben von falschen Erwartungen in das soziale Netz, einer gewissen Unbekümmertheit mit diesem Thema und Bedenken hinsichtlich der Annahme- und Preispolitik und der Leistungsbereitschaft der Versicherer, sind die meisten Erwerbstätigen entweder überhaupt nicht oder völlig unzureichend abgesichert. Geht es allein um die Beiträge, dürfte die Abschlussbereitschaft der Kunden im kommenden Jahr eher sinken denn steigen. Der Finanzdienstleister MLP hat nämlich herbe Folgen der Garantiezinssenkung für die Prämienlandschaft der BU-Versicherer errechnet. Je nach Altersgruppe und Dauer der Absicherung dürften die Prämien demnach 2015 in der Spitze um fast 7 % steigen. Je länger der Versicherungszeitraum ausfalle, umso kräftiger am Ende die Preiserhöhung. Ein 25-Jähriger müsste für den Abschluss einer selbstständigen Berufsunfähigkeitsversicherung mit 1.000 Euro vereinbarter Monatsrente und einer Laufzeit bis zum Beginn der gesetzlichen Altersrente mit 67 Jahren gegenüber einem Vertragsabschluss im Jahr 2014 mit einer Beitragssteigerung von 6,7 % rechnen. Bei einem 35-Jährigen werde sich der monatliche Beitrag bei identischen Vertragsbedingungen um 4,8 % erhöhen. Steige gleichzeitig der Vertragsumfang – beispielsweise durch eine garantierte jährliche Rentendynamik um 3 % im Leistungsfall – falle das Beitragsplus noch deutlicher aus. Die Ursache für die große Beitragssteigerung liege darin, dass die Versicherer für den Fall der Berufsunfähigkeit ein Finanzpolster in Höhe der voraussichtlichen Leistungen aufbauten. Und eben dieser Kapitalstock wird mit dem Garantiezins verzinst – je niedriger die Verzinsung, desto höher der Beitrag." Die mit dem Lebensversicherungsreformgesetz auf den Weg gebrachte Garantiezinssenkung wird Auswirkungen auf die Kosten von BU-Versicherungen haben – selbst bei marktbedingt gegenläufigen Tendenzen", sagt Christian Ball, Finanzmathematiker und Aktuar beim Beratungshaus MLP. Wer jetzt für einen BU-Schutz seiner Kunden sorge, schütze diesen mittelfristig vor Preissteigerungen. Wichtiger sei jedoch, dass die Kunden nächstes Jahr womöglich gar keinen Schutz mehr erhielten. „Unserer Auffassung nach führt die höhere Abgabe von Risikogewinnen zu verminderter Risikobereitschaft bei Versicherern. Wer eine medizinische Vorgeschichte hat, könnte ab 2015 keinen Versicherer mehr finden, der ihn nimmt." (hwt)

Garantiezinssenkung - Onlineausgabe 03/2014