Gipfel erklommen?

04.07.2023

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Die ersten Monate im laufenden Jahr sind an den Kapitalmärkten gut verlaufen. Die harte Rezession wurde abgewendet. Doch mit Blick nach vorne könnte sich der zartblaue Himmel etwas verdüstern. Wolken ziehen auf. Der DAX kratzt an der 16.000er-Marke, doch Impulse für eine anhaltende Rallye fehlen. Im Fazit könnte es ungemütlicher werden für Aktien-Investments.

Beim Blick auf die Anzeigetafel in der Frankfurter Börse müsste vielen die Sonne sprichwörtlich aufgehen. Der deutsche Aktienindex nähert sich zum Stichtag 09.05. den 16.000 Zählern an. Mitte März standen wir noch bei 14.700 Punkten; seit Jahresbeginn hat das Börsenbarometer circa 2.000 Punkte hinzugewonnen. Ein Plus von gut 13 %. Das ist wahrlich ein ordentlicher Schluck aus der Pulle. Wie war das noch mit Rezession zu Jahresbeginn? Doch Vorsicht, liebe Anleger, die Zukunft könnte ungemütlicher werden. Das Klima rauer; das Fahren auf der Überholspur ein Ende finden. Ist das jetzt nur voreiliger Pessimismus? Nein, etwas Wasser müssen wir im Wonnemonat Mai in den Wein gießen.

Produktion schwächelt, Wachstum bröckelt

So hat das Neugeschäft der deutschen Industrie zuletzt deutlich nachgegeben. Laut Statista war der Einbruch so hoch wie seit der Hochphase der Corona-Krise nicht mehr. „Auch die Produktion war mit -3,3 % deutlich rückläufig, ebenfalls vor allem im Segment der Autoindustrie sowie der Bauwirtschaft, die erheblich unter den stark gestiegenen Zinsen leidet. In den kommenden Monaten dürfte sich der private Konsum inflationsbedingt schleppend entwickeln und die höheren Zinsen weitere Nachfrage vonseiten der Industrie ausbremsen. Hinzu kommt eine zwar wieder stärker wachsende chinesische Wirtschaft, die sich allerdings sehr stark auf den vor allem binnenwirtschaftlich relevanten Dienstleistungssektor konzentriert. Die Industriedynamik beschleunigt sich auch in China nur langsam, wie die im März um 9,3 % (Vergleich mit dem Vorjahr) gesunkenen Exporte Deutschlands nach China belegen“, bemerkt Carsten Mumm, Chefvolkswirt bei der Privatbank DONNER & REUSCHEL. Auch der Chefvolkswirt der Commerzbank, Jörg Krämer, legte jüngst in einem Artikel dar, dass er für die zweite Jahreshälfte keine Konjunkturerholung, sondern eher ein Schrumpfen des Bruttoinlandsprodukts erwarte. Die gestiegenen Zinsen rund um den Globus könnten dauerhaft die Nachfrage nach deutschen Gütern schmälern.

Fehlende Stimuli aus dem Ausland

Der deutsche Außenhandel leidet vor allem auch unter der gesunkenen Nachfrage aus den USA und China. Im März gibt es einen Dämpfer. Von Januar bis einschließlich März wurden Waren „Made in Germany“ im Gesamtwert von 398,2 Mrd. Euro ins Ausland geliefert, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Im März lagen die Ausfuhren mit 129,7 Mrd. Euro allerdings um 5,2 % niedriger als im Februar des laufenden Jahres. Auch die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) wird bei diesen Zahlen etwas hellhörig. Geopolitische Risiken, hohe Inflationsraten sowie gestiegene Zinsen lassen das Auslandsgeschäft der deutschen Unternehmen einbrechen, zumindest für den Moment. Zwar ist die chinesische Wirtschaft seit ihrer Wiedereröffnung zu Jahresbeginn wieder am Wachsen, aber das in erster Linie bedingt durch die Binnenwirtschaft. Hier bleibt abzuwarten, was die Zukunft bringt und welche Weichen gestellt werden. Doch was bedeutet dieses Szenario für den Aktienmarkt? Selters statt Sekt? Gewinne mitnehmen, ganz frei nach dem Motto: „Sell in May and go away?“

Der Blick auf den Verlauf der wichtigsten deutschen Indizes zeigt, dass in den vergangenen Wochen eher die großen Dickschiffe im DAX gekauft wurden. Dem Plus von circa 13 % beim Leitindex seit Jahresbeginn steht ein Zuschlag von lediglich 7 % beim MDAX gegenüber. Das ist auch ein Indiz dafür, dass viele kleinere, konjunkturabhängige Unternehmen einerseits vorsichtiger agieren, andererseits auch weniger gekauft werden. Das Damoklesschwert einer schweren Rezession schwebt zwar nicht mehr über Deutschland, aber die Gefahr eines Abschwungs ist nicht gebannt. Heißt das nun konsequenterweise, seine Positionen zu verkaufen? Der DAX hat in den zurückliegenden mehr als 30 Jahren zwischen Mai und September mal zugelegt, mal mit Abschlägen reagiert. Ein fundamentaler Trend aus der Börsenweisheit „Sell im May and go away“ lässt sich folglich nicht ableiten. Jedoch scheinen die fetten Monate des anhaltenden Zugewinns bei den Börsenindizes vorerst vorüber. Das gilt für DAX und MDAX/SDAX. Es fehlt an Impulsen für Zuwächse. Das sollten Sie Ihren Beratern mit auf den Weg geben.

Investitionen in deutsche Unternehmen grundsätzlich „ja“, aber selektiv und gerichtet auf das Geschäftsmodell und dessen Standhaftigkeit in Krisenzeiten. Zumal, und das darf bei der Diskussion um Aktien nicht mehr fehlen, es wieder Alternativen bei festverzinslichen Wertpapieren gibt. Der Anleihenmarkt lockt mit Renditen, man mag es nach der Dürrephase in den zurückliegenden Jahren kaum glauben. (ah)