Große Unbekannte

22.06.2021

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Mit Riesenschritten geht es auf die nächste Bundestagswahl zu. Und mal wieder steht für die kommende Legislaturperiode die Altersabsicherung der Bürger auf dem Programm. Doch diesmal ist einiges anders: Erstens ist der Wahlausgang durch das Erstarken der Grünen völlig offen, und zweitens legen die Parteien sehr dezidierte und voneinander stark abweichende Pläne vor. Auch für Makler wird es deshalb spannend.

Eine Altersarmut sei nahezu unausweichlich, tönt es schon seit vielen Jahren aus so mancher Ecke des öffentlichen Lebens. Die Deutschen legten zu wenig auf die Seite, das Rentensystem sei überfordert, Riester und bAV funktionierten nicht wie vorgesehen. Kurzum: Die Politik müsse dringend einschreiten. Viele Beobachter konzedieren dabei der betrieblichen Altersversorgung die letztlich wichtigste Rolle. Dr. Michael Martin, Leiter Leben Produktmanagement und Marktmanagement der NÜRNBERGER Versicherung, sagt dazu: „Bei der Frage nach dem rentabelsten Förderweg für Arbeitnehmer in Deutschland ist dies mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG) 2017 klar mit einem ‚Ja‘ beantwortet worden. Durch den BRSG-Arbeitgeber-Pflichtzuschuss auf Entgeltumwandlungen sind so geförderte, steuer- und sozialversicherungsbefreite Direktversicherungen, Pensionskassen und Pensionsfonds nach § 3 Nr. 63 EStG im Normalfall die beste Empfehlung.“ Nur für Familien mit Kindern und niedrigem Einkommen sei ein Riester-Vertrag durch die Kinderzulage rentabler. Aber auch nur, solange die Kinder im Haus seien. Fraglich sei, wie lange die Versicherer Riester-Verträge – insbesondere wegen der verpflichtenden Beitragserhaltungsgarantie – noch anbieten könnten. Die Beitragserhaltungsgarantie werde in der bAV vom Gesetzgeber so nicht gefordert, sondern eine Wertgleichheit der Versorgung im Verhältnis zu den Beiträgen. Klar sei, dass niedrigere Garantien eine aktienorientierte Anlage ermöglichten und damit Chancen auf eine noch attraktivere Vorsorge eröffneten.

Transparenz, Einfachheit und Convenience

Der deutliche Vorteil der bAV liege aber auch darin, dass der vom Gesetzgeber geforderte Pflichtzuschuss von 15 % die Untergrenze darstelle. Viele Arbeitgeber gingen deutlich über das geforderte Minimum hinaus. Damit werde nicht nur die Attraktivität des Arbeitgebers gestärkt, sondern auch die der betrieblichen Altersvorsorge. Auch Martin Gräfer, Vorstand der Bayerischen, setzt auf diese Karte: „Für Arbeitnehmer sehe ich die bAV absolut als eine ganz entscheidende Rolle – aber bitte so, dass bei Rentenbezug nicht eine Bestrafung beispielsweise durch unerwartete Belastung der aufgebauten Altersvorsorge etwa durch die gesetzliche Krankenversicherung erfolgt.“ Auch hier sei Transparenz, Einfachheit und Convenience von entscheidender Bedeutung. Wichtig sei, dass aber auch Selbständigen die Möglichkeit geboten wird, wirklich für das Alter vorzusorgen. Die heutige Basis-Rente sei dafür bestens geeignet und eine sehr gute Lösung. Aber auch hier müsse gerade den Solo-Selbstständigen der wirtschaftliche Freiraum gegeben werden, auch wirkungsvoll Vorsorge zu treffen. Laura Gersch, Vorstand Firmenkunden und Personal bei der Allianz Lebensversicherung, will stärker den Kontext gewürdigt sehen: „Mit Blick auf die Riesterrente und Verbesserungen in der bAV spricht sich die Allianz dafür aus, rasch konkrete Maßnahmen zu entscheiden und umzusetzen. Dazu gehört bei Riester-Verträgen, wie im Fünf-Punkte-Plan der Anbieterverbände vorgeschlagen, unter anderem ein insgesamt vereinfachtes Zulageverfahren und eine Anpassung des Garantieniveaus, um Renditechancen zu erhöhen. Letzteres erscheint auch in der bAV bei der Beitragszusage mit Mindestleistung sinnvoll.“ Zudem wäre eine bessere Durchgängigkeit der Förderung zwischen bAV und privater Vorsorge gerade angesichts wechselnder Erwerbsbiografien ein Baustein, um die Verbreitung der geförderten Altersvorsorge dort zu erhöhen, wo Menschen besonders davon profitierten.

Parteien wünschen grundsätzliches Umdenken

Viel kommt demnach darauf an, wie entschlossen die kommende Bundesregierung das Thema angehen wird. Die Vorstellungen der in Frage kommenden Parteien sind hier sehr unterschiedlich.  CDU und CSU stellen sich bei steigender Lebenserwartung eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit vor. Riester soll in ein Standardprodukt auf Aktienbasis ohne 100-prozentige Beitragsgarantie umgewandelt werden. Wer´s nicht will, muss widersprechen. Auch in der bAV soll diese Beitragsgarantie fallen. Und es soll – unter Arbeitgeberbeteiligung – verpflichtende bAV oder private Altersvorsorge geben. Ziel sind die Geringverdiener. Die Grüne wünscht sich als Ersatz für Riester einen Bürgerfonds mittels Kapitaldeckung und Opt-out. Aus der gesetzlichen Renten- soll eine Bürgerversicherung werden, in die auch Selbstständige einzahlen müssen. Die SPD will das Sozialpartnermodell bei der bAV weiter stärken und in der privaten Altersversorgung so etwas wie eine europaweite Rente einführen. Die FDP schließlich möchte eine gesetzliche Aktienrente. Für jeden Arbeitnehmer sollen dort – hälftig vom Arbeitgeber – 2 % des Bruttoeinkommens eingezahlt werden. Entsprechend sollen die Zahlungen zur gesetzlichen Rente reduziert werden. Und es ist eine erhebliche Stärkung der bAV geplant. Hierzu gehört ein Opt-out für Beschäftigte, weil komplette Belegschaften einbezogen werden sollen. Und es soll flexiblere Anlagevorschriften für Versicherer, Pensionskassen und so weiter geben.

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