Happy Birthday DAX

23.07.2018

Dr. Marc-Oliver Lux, Geschäftsführer Dr. Lux & Präuner GmbH & Co. KG in München / Foto: © Dr. Lux & Präuner

Eine verrückte Zeit: Händler wedeln schreiend mit den Händen. Überall auf dem Boden zerknüllte Zettel. So ging es im Sommer 1988 an der Frankfurter Börse zu. Heute haben Computer die Händler verdrängt, von der Hektik früherer Jahre ist nicht mehr viel geblieben. Eine Konstante gibt es aber doch: den DAX.

Am 1. Juli 1988, also vor 30 Jahren, wurde erstmals ein Kurs für den heute prominentesten deutschen Aktienindex aufgerufen. Der DAX bündelt die Aktien der 30 größten an der Frankfurter Börse notierten Unternehmen. Diese Titel decken rund 80% der Marktkapitalisierung ab und liefern dadurch ein repräsentatives Bild des deutschen Aktienmarkts.

Beeindruckend ist vor allem die Wertentwicklung: Aus dem ersten offiziellen Kurs von 1163 Punkten wurden in der Spitze 13596 Punkte. Nimmt man den von der Deutschen Börse rückgerechneten Startkurs von 1000 Punkten zum 31. Dezember 1987 als Basis, hat der DAX bis heute jährlich 8,6% zugelegt. Auch in kleinen Schritten konnten Anleger viel Geld verdienen: Wer jeden Monat 50 EUR investiert hätte, wäre bei einem Einsatz von 18.000 EUR heute rechnerisch bei einem Depotbestand von knapp 69.000 EUR.

Die Geldvermehrung ist nicht etwa das Werk entfesselter Spekulanten, sondern Abbild unternehmerischer Leistung und der wirtschaftlichen Dynamik. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Bundesrepublik hat sich innerhalb von 30 Jahren nahezu verdreifacht. Viele Unternehmen sind noch kräftiger gewachsen: Siemens beispielsweise verbuchte laut Daten des Finanzdiensts Bloomberg 1988 ein Nettogewinn von umgerechnet 673 Millionen EUR - im vergangenen Jahr waren es mehr als 6 Milliarden EUR.

Ein wichtiger Beschleuniger ist die Globalisierung: Die Wirtschaft der USA und vor allem Chinas ist deutlich stärker gewachsen als das deutsche BIP. Davon profitieren auch die deutschen Exportfirmen. Siemens erzielte im Gründungsjahr des DAX mehr als die Hälfte des Umsatzes im Westen des damals noch geteilten Deutschlands - heute mehr als 85% im Ausland.

Noch schärfer ist das Tempo bei Volkswagen. Der Autokonzern steigerte seinen Nettogewinn seit dem DAX-Gründungsjahr von 365 Millionen auf mehr als 11 Milliarden EUR. Auch bei den Wolfsburgern spielt der Weltmarkt eine wichtige Rolle: Mehr als 40% seiner Fahrzeuge lieferte der VW-Konzern im vergangenen Jahr in China aus und belohnt sich damit für die in den 80er-Jahren gestartete Expansion in das damals für viele westliche Unternehmen noch exotische Riesenreich.

Um wirklich von den Kurssteigerungen des DAX zu profitieren, mussten Anleger jedoch schwere Krisen aushalten. In das Bewusstsein eingebrannt haben sich insbesondere die beiden großen Crashs nach der Jahrtausendwende: von März 2000 bis März 2003 verlor der DAX fast drei Viertel an Wert, von Juli 2007 bis März 2009 mehr als die Hälfte. Solche Einbrüche strapazieren die Nerven, sind aber der Preis, den Investoren für die auf lange Sicht hohe Rendite der Aktienmärkte bezahlen müssen.

Viele Privatanleger haben die psychische Belastung nicht ausgehalten: die Statistik des Deutschen Aktieninstituts zeigt, dass die Zahl der Besitzer von Aktien und Aktienfonds ausgerechnet im Crashjahr 2000 den Höhepunkt erlebte. Bis heute wurde dieses Niveau nicht wieder erreicht, die Zahl der Aktionäre ist zuletzt immerhin wieder gestiegen.

Der DAX ist bei Anlegern beliebt, aber auch ein wenig seltsam. Die meisten großen Indizes wie der EURO STOXX 50 bilden lediglich die Kursentwicklung der Mitglieder ab. Beim DAX werden dagegen auch die Dividendenzahlungen der Unternehmen mit eingerechnet. Auf lange Sicht hat das große Wirkung: als Kursindex, also ohne die Dividenden, steht der DAX nur bei rund 5700 Punkten - mit Dividenden mehr als doppelt so hoch.

Gewichtet werden die Mitglieder nach Marktkapitalisierung. SAP ist das Schwergewicht. Der Softwarekonzern macht derzeit rund 10% des DAX aus. Die fünf größten Unternehmen - neben SAP sind das Siemens, Bayer, BASF und Allianz - repräsentieren zusammen mehr als 40% des Index. Die Wertentwicklung wird also stark von wenigen großen Titeln bestimmt. Die Top-Performer sind dagegen oft kleinere Unternehmen. Über die vergangenen zehn Jahre haben Anleger mit Adidas, Henkel und Continental das meiste Geld verdient.

Im Vergleich zu anderen Länderindizes ist der DAX mit 30 Werten klein: Spaniens IBEX hat 35 Mitglieder, der französische CAC 40. Investoren in Großbritannien orientieren sich am FTSE 100, in den USA am S&P 500. Eine Aufstockung des DAX beispielsweise auf 50 Unternehmen hätte für Investoren Vorteile: Das Gewicht der großen Firmen würde abnehmen. Bislang unterrepräsentierte Branchen wie Technologie, Medien oder auch Maschinenbau würden aufgewertet. Angesichts der Popularität des Index sieht die Deutsche Börse aber noch kein Anlass für eine Reform.

Die für Anleger wichtigste Frage: Wie weit kann der DAX noch steigen? Die großen Trends - der technologische Fortschritt und die Globalisierung der Weltwirtschaft – dürften die Unternehmensgewinne weiter steigern und damit die Basis für Kursgewinne legen. Geht man davon aus, dass der DAX sein Wachstumstempo hält, würde er in 15 Jahren bei mehr als 40.000 Punkten, zu seinem 50. Jubiläum bei knapp 65.000 stehen. Ganz so einfach dürfte es in der Praxis aber nicht werden. Auch in Zukunft werden die Nerven der Anleger strapaziert werden - die üblichen Rezessionen, vermutlich auch schärfere Krisen werden die Kurse immer wieder mal unter Druck setzen.

Kolumne von Dr. Marc-Oliver Lux, Dr. Lux & Präuner GmbH & Co. KG in München

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