Kommt jetzt das Jahr der schwarzen Schwäne?

11.01.2024

Rolf Ehlhardt - Foto: © I.C.M. Independent Capital Management Vermögensberatung Mannheim GmbH

Unsere Wirtschaft befindet sich aktuell in einer Abwärtsspirale. Unser BIP sinkt, die Auftragseingänge gehen zurück und der Verbraucher hat - je nach Konsumschwerpunkt - seit 2021 einen Geldwertverlust von 15 % bis 25 %, und zwar aufgrund von Preissteigerungen, nicht durch Konsumausweitung. In Bezug auf die weltweite Höchstverschuldung viel zu hohe Zinsen, aber auch falsche Geldpolitik, falsche Wirtschaftspolitik, falsche Regulierungen, falsche Energiepolitik.

Alle Missstände werden in 2024 ihre Wirkung in der Wirtschaft hinterlassen. Wir verteilen massiv Gelder im Ausland, aber vernachlässigen unsere Infrastruktur, unser Bildungssystem und unser Gesundheitswesen. Wir sparen an den falschen Stellen, erhöhen aber gleichzeitig die Sozialleistungen. Wäre grundsätzlich ok, aber wir tun das auch bei denjenigen, die unseren Sozialstaat ausnutzen. Diese sind auch noch die Vorbilder für ihre Kinder. Eine Umkehr vom Abwärtstrend wäre nur möglich, wenn man die Politik, die diesen Trend ausgelöst haben, entsprechend ändert. Aber Änderungen sind nicht in Sicht.

Die von mir befürchtete Pleitewelle ist 2023 gestartet. Die Liste zieht sich von Mode, Metallindustrie, Maschinenbau bis hin zum Baugewerbe. Viele kleine Unternehmen haben aufgegeben, bevor sie pleitegingen. Etliche größere Firmen (unter anderen BASF, Conti) haben den Abbau von Arbeitsplätzen bekanntgegeben. Andere wandern ab oder investieren im Ausland. Die Wiedereinführung der 19prozentigen Mehrwertsteuer für Restaurants wird zu Umsatzeinbußen und dann zu Schließungen führen. Unverständlicherweise sind Essen-Lieferanten nicht davon betroffen. Eine klare Wettbewerbsverzerrung.

Morgen wird ́s schön?

Sicher ist: Alle politischen Fehlentscheidungen machen sich mit einer Zeitverschiebung irgendwann in der Wirtschaft negativ bemerkbar. In der Bauindustrie wirken sie schon heute, wo die hohen Bauzinsen die Neufinanzierungen haben einbrechen lassen. Ab Ende des Jahres stehen die zehnjährigen Zinsen aus dem Beginn der Niedrigzinsphase zur Prolongation an. Das wird die kommenden Jahre etliche Hausbesitzer an den Rand des Ruins bringen. Das umstrittene Heizungsgesetz und die neuen Dämmvorschriften werden ein Übriges dazu beitragen. Die Verlautbarungen aus der Politik klingen dagegen wie die Wettervorhersagen der Urlaubsgebiete bei Regenwetter: Morgen wird ́s schön.

Irreführend ist auch die Entwicklung der Inflationsrate. Die Medien berichten, dass sie fällt und sich auf die Zielrate von zwei Prozent zubewegt. Die Meldungen sollen offensichtlich die Meinung der Bürger dahingehend beeinflussen, dass die Inflation wieder im Griff ist. Die Realität ist, dass die Inflation seit 2021 (2020 = 100 Prozent) bei kumuliert etwa 120 Prozent angekommen ist und von da aus weiter steigt. Eine Steigerung von zirka zwei Prozent (auf dem erhöhten Niveau von 120 sind dies 2,4 Prozent) darf aber für 2024 stark angezweifelt werden. Der Fachkräftemangel, die Neuausrichtung von Lieferketten, die hohen Lohnsteigerungen, Erhöhung der CO2-Abgaben und bei den Flugtickets, die militärischen Ausgabenerweiterungen und sämtliche Gebührenerhöhungen von Bund, Ländern und Gemeinden werden die Steigerungsrate der Inflation eher in Richtung vier Prozent lenken. Hinzu kommen noch die oben erwähnten Preiserhöhungen der Restaurants und vor allem die Ölpreise, die sich im 4. Quartal 2023 kräftig ermäßigt hatten, beginnen wieder zu steigen. Saisonal ist Öl im letzten Quartal eines Jahres meist am billigsten, das heißt die Zeit der Preisentspannung könnte sich umkehren.

Die große Unbekannte

Die große Unbekannte für die Börsen ist die Reaktion der Notenbanken. Sollte sich die Steigerungsrate der Inflation von vier Prozent als realistisch erweisen, müssten die Geldhüter eigentlich die Zinsen erhöhen. Derzeit spekulieren die Anleger aber auf eine Zinssenkung und kaufen Aktien, deren Kurse natürlich steigen. Würden die Notenbanken wegen der über Erwartung liegenden Inflation aber die Zinsen hoch belassen oder sogar noch erhöhen, könnte dies zum wirtschaftlichen Overkill führen. Die Aktienkurse wären bei diesem Szenario deutlich zu hoch.

Senken die Notenbanken die Zinsen nur ein wenig, hätte es fast keine Auswirkung auf die viel zu hohe Inflation und würde gleichzeitig der schwächelnden Wirtschaft keinerlei Impulse verleihen. Die Wirtschaft wird in der Rezession verweilen. Die Aktionäre wären enttäuscht und reagieren mit Verkäufen. Die negative Realverzinsung würde steigen und das Gold als Vermögensversicherung würde weitere Preissteigerungen (in 2023 13,3 Prozent)erfahren.

Es ist zu befürchten, dass die Währungshüter hektisch und dann aggressiv die Zinsen senken, weil sie eine erhöhte Inflation als das kleinere Übel zur tiefen Rezession ansehen. Diese Entscheidung wäre ironischerweise Inflation treibend und die Geldentwertung würde sich weiter erhöhen. Die Goldpreise schießen in die Höhe. Die Aktienkurse schwanken zwischen der Hoffnung einer positiven Wirkung der niederen Zinsen auf die Wirtschaft und der Bedenken wegen weiterer Kaufkraftverluste.

Sollten aber die niederen Zinsen aufgrund der Kaufkraftverluste nicht ausreichend positive Wirkung in der Wirtschaft erzeugen, müsste der Anleger mit massiven Aktienkursrückgängen rechnen, der Goldpreise würde alle heutigen positiven Kursprognosen (2.500/ 3.000 US-Sollar pro Unze) „überrennen“.

Anleger werden von Angst erfasst

Bei einer solchen Entwicklung müssen wir sogar befürchten, dass der Rentenmarkt bei mittleren und langfristigen Laufzeiten fatalerweise mit steigenden Zinsen reagiert. Denn in diesem Umfeld steigen nicht nur die Geldwertverluste, sondern auch die Risiken massiv an, zumal sich auch die Insolvenzen und damit auch die Ausfallraten bei Anleihen deutlich erhöhen. Die nächste Bankenkrise? Die Anleger werden von Angst erfasst, denn in diesem Schreckensszenario wird auch der Immobilienmarkt schwach.

Mit den wieder höheren Zinsen würde das nächste Problem in den Vordergrund treten: Die Finanzierung der Staatsschulden weltweit. Müssen die Notenbanken ein „Quantitative Easing XXL“ starten? Aber nicht nur kleinere Staaten wären betroffen. Die USA zum Beispiel müssen in 2024 8.000 Milliarden Kredite refinanzieren. Dazu kommen Neuschulden von geschätzten 2.000 Milliarden. Bisher große Käufer wie China und die Ölstaaten reduzieren aber aktuell ihre Bestände an US- Staatsanleihen. Auch Japan dürfte sich zurückhalten, denn sie hadern bereits heute mit ihrem schwachen Yen gegen US-Dollar. Es käme zu einem Überangebot an Staatsanleihen.

Schwarzmalerei oder logische Marktreaktionen auf die zügellose Geld- und Schuldenpolitik der 2. Dekade? Wie sagte schon Wilhelm Busch: Wer anderen was vorgedacht, wird lange Zeit oft ausgelacht. Begreift man die Gedanken endlich, dann nennt sie jeder selbstverständlich. Hoffen wir, dass dieses Negativszenario nicht eintrifft. Aber die Wahrscheinlichkeit steigt. Eines wird allerdings klar: Wenn ein Problem auftritt, löst es das nächste aus. Darauf muss der Anleger vorbereitet sein. Ich sage daher: Es kommt nicht darauf an, die Überschwemmung Tag genau vorausgesagt zu haben, sondern, ob man ein Boot gebaut hat. Meine Boote für den Anleger heißen: Erhöhte Liquidität, höchste Qualität bei Kapitalanlagen und einen 20prozentigen Anteil in Edelmetallen. Politiker, Bankanalysten und Fondsanbieter werden sicher positivere Prognosen abgegeben. Sie müssen sich oder ihre Produkte ja auch verkaufen. Sie können dann aber im Nachhinein allen fachmännisch erklären, warum ihre Vorhersage nicht eingetroffen ist.

Kolumne von Rolf Ehlhardt, Vermögensverwalter, I.C.M. Independent Capital Management Vermögensberatung Mannheim GmbH.

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