Nur ein erster Schritt

25.06.2021

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Seit drei Monaten besteht für Vermittler die Pflicht, im Kundengespräch das Thema Nachhaltigkeit anzusprechen. Das bedeutet aber nicht, dass die Branche damit automatisch grüner wird. Hierzu bedarf es wohl noch weiterer Aktivitäten des Gesetzgebers – auch weil ein wesentliches Problem noch nicht gelöst ist.

Es ist mit Sicherheit rein zufällig, dass ausgerechnet im März, dem Monat, in dem die Natur langsam aus dem Winterschlaf erwacht und die Pflanzen wieder ergrünen, mit der EU-Offenlegungsverordnung eine Richtlinie in Kraft getreten ist, deren Ziel es ist, den Finanzmarkt „grüner“ zu machen, indem sie rechtliche Rahmenbedingungen für Transparenz schafft. Ein Schritt, den Uwe Mahrt begrüßt. „Die Mehrheit der Menschen erkennt, dass Nachhaltigkeit für unsere Zukunft unerlässlich ist“, so der Geschäftsführer von Pangaea Life. Für Peter Jäderberg ist die Regelung eigentlich schon seit Jahrzehnten überfällig und er ist langfristig optimistisch, dass diese ein notwendiger und hilfreicher Schritt für die Förderung der Diskussion, des Bewusstmachens und des Verständnisses für nachhaltige Geldanlagen ist. Jedoch sieht der Geschäftsführer von Jäderberg & Cie. das Problem, dass den Vermittlern damit aktuell nun noch mehr Arbeit aufgebürdet wird – mit äußerst negativen Folgen: „Die Berichts- und Beratungspflicht ist zwar zu begrüßen, doch ist die Compliance in Umfang und Formalismus so bürokratisch aufgebläht, dass es die innovativen, in der Regel kleinen Unternehmen, die disruptive Nachhaltigkeitslösungen entwickeln, sowie die qualifizierten, in der Regel unabhängigen Berater als existenzbehinderndes Monstrum zu ersticken droht.“ Zudem fürchtet er, dass die Verordnung eine negative Entwicklung fördert, nämlich dass viel bereitwillig und dringend erforderliches Geld für die Herausforderung einer nachhaltigen Gestaltung der Zukunft im Kreislauf des Kapitalmarktes versickert.

Noch ein langer Weg

Durch die Offenlegungsverordnung sind Vermittler dazu verpflichtet, ihre Kunden im Beratungsgespräch nach deren Nachhaltigkeitspräferenzen zu befragen. Aber wird damit gleich eine „grüne Revolution“ auf den Finanzmärkten ausgelöst? Nicht automatisch, glaubt Gunter Schäfer: „Ob die Verordnung langfristig dafür sorgen wird, dass nun als nachhaltig etikettierte Produkte sich, was die Inhalte und Ausschlüsse betrifft, noch glaubwürdiger und überzeugender aufstellen, wird die Zukunft bringen. Aber der gesunde Menschenverstand sagt, dass dies von jetzt auf gleich nicht funktionieren kann“, so der CMO|CCO|Bereichsleitung Bankenvertrieb der ÖKOWORLD AG, für den die Regelung nur der erste Schritt ist: „Dafür sind insbesondere in der Politik noch viele Hausaufgaben zu machen. Nur so kann es global mehr Unternehmen geben, in die man guten Gewissens investieren kann. Der Zeitgeist und das gesteigerte Bewusstsein tragen Anteil daran, dass nachhaltige Investments stärker in den Fokus rücken. Aber die Nachhaltigkeitsberatung in der breiten Masse muss nun wachsen und reifen, sich entwickeln.“ Uwe Mahrt ist diesbezüglich bereits sehr optimistisch: „Die heute schon große Nachfrage ist unserer Prognose nach erst der Anfang: Auf Aspekte der Nachhaltigkeit zu achten, wird künftig in der Beratung völlig normal sein.“ Bis dahin dürfte auf Anlegerseite aber noch viel Informationsbedarf nötig sein, wie eine YouGov-Studie im Auftrag von Commerz Real deutlich macht: Demnach wissen 75 % der Anleger nicht, was sich hinter dem Begriff ‚ESG-Kriterien‘ verbirgt“. Von den 25 %,die es wissen, haben sich gerade einmal 6 % darüber informiert.

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