„Private Equity ist eine resiliente Anlageklasse“

05.04.2023

Norman Lemke, Mitgründer und Vorstand der RWB Group / Foto: © RWB

Im finanzwelt-Interview erklärt Norman Lemke, Vorstand RWB PrivateCapital Emissionshaus AG, wie es um den Sektor Private Equity bestellt ist. Trotz aktueller Herausforderungen hat sich die Assetklasse im vergangenen Jahr gut geschlagen.

finanzwelt: 2022 war auch für den weltweiten Private-Equity-Sektor ein Jahr voller Herausforderungen. Wie blicken Sie angesichts des veränderten Umfelds (Zinswende, geopolitische Störfeuer) derzeit auf ihre Assetklasse?

Norman Lemke: Private Equity ist eine resiliente Anlageklasse und hat sich im vergangenen Jahr mit einer guten Performance als stabilisierender Portfoliobaustein erwiesen, während öffentliche Märkte gleichzeitig eine deutliche Korrektur erlebten.

Das unterstreichen auch die Ergebnisse unserer Private-Equity-Dachfonds: 70 Prozent zeigten trotz der Herausforderungen im vergangenen Jahr eine positive Entwicklung, 20 Prozent unserer Fonds bewegten sich seitwärts und nur zehn Prozent haben vergleichsweise moderat an Wert verloren.

finanzwelt:  Welche Themen wirken aktuell auf die Branche ein?

Lemke: Anleger und ihre Berater suchen im aktuellen Umfeld mit hoher Inflation händeringend nach stabilen und ertragreichen Anlageformen. Das Interesse an Private Equity im Privatkundensegment nimmt daher spürbar zu. Privatanleger haben uns in diesem Jahr bereits deutlich mehr Kapital zugesagt als zum gleichen Zeitpunkt in 2022 oder 2021.

Unter institutionellen Investoren ist das Fundraising-Umfeld hingegen schwieriger geworden. Das liegt nicht etwa daran, dass Alternatives bzw. Private Equity als unattraktiv eingeschätzt werden. Vielmehr sind es die Kursrückgänge in anderen Bereichen der Asset Allokation, die über den Denominator-Effekt die Position von Private Equity zu stark haben wachsen lassen. Institutionelle Investoren, die entsprechende Allokationsrichtlinien einhalten müssen, agieren daher aktuell zurückhaltend.

Private-Equity-finanzierte Firmen sind nicht automatisch immun gegen Inflation. Kosten für Rohstoffe, Energie und Personal sind gestiegen und können die Gewinne schmälern. Es profitieren daher vor allem mittelständische Unternehmen, die Markt- oder Technologieführer in ihrer jeweiligen Nische sind. Dank dieser Position sind sie meist in der Lage, gestiegene Kosten in Form höhere Preise an die Kunden weiterzugeben.

Die gestiegenen Leitzinsen erschweren zudem jenen Private-Equity-Fonds die Arbeit, die in der Ära der Niedrigzinsen mit viel Leverage die Multiples gesteigert haben. Diese Praxis geht heute nicht mehr auf. Im Fokus stehen daher Fondsmanager, die mit operativen und strategischen Verbesserungen Wachstum und Margenverbesserungen erzielen. Diese Fondsmanager agieren traditionell im mittleren Marktsegment, in dem es darum geht, mittelständische Unternehmen auf ihrem weiteren Wachstumsweg zu unterstützen.

finanzwelt: Wird Ihr Augenmerk 2023 bspw. verstärkt auf dem Management des bestehenden Portfolios liegen?

Lemke: Wir investieren kontinuierlich und daher auch im Jahr 2023 in neue Private-Equity-Fonds. Im Ergebnis befinden sich in unseren Anlageprodukten Fonds verschiedener Auflegungsjahre, so dass Anleger ihr Kapital über eine Vielzahl an Unternehmen verschiedener Branchen und Länder sowie über mehrere Marktzyklen hinweg streuen.

Bei unsere reiferen Dachfonds wollen wir an die Auszahlungsserie der beiden vergangenen Jahre anknüpfen. 2022 konnten wir 18 Ausschüttungen in Höhe von insgesamt rund 180 Millionen Euro an bestehende Anleger tätigen.

finanzwelt: Welche Entwicklungen stellen Sie bei den Transaktionen fest? Sind kleinere Deals weiterhin attraktiver?

Lemke: Aufgrund der gestiegenen Leitzinsen kommen aktuell nur wenige der häufig kreditfinanzierten Mega-Deals zustande.

Im unteren und mittleren Marktsegment hingegen beobachten wir vergleichsweise rege Aktivität. Die Abhängigkeit von Fremdkapital ist hier deutlich geringer, weil weniger Leverage zum Einsatz kommt.

Mit unserem Investitionsfokus auf das mittlere Buyout-Segment sehen wir uns daher in der aktuellen Phase gut positioniert und verzeichnen auch weiterhin Rückflüsse aus erfolgreichen Unternehmensverkäufen.

finanzwelt: Insbesondere das VC-Geschäftsklima kühlte zuletzt deutlich ab. Wie sehen Sie hier die Perspektiven?

Lemke: Venture Capital profitiert überproportional, wenn die Konjunktur läuft und Zinsen niedrig sind. Dafür leidet das Segment stärker in Situationen wie der aktuellen. Aufgrund dieser Abhängigkeit verzichten wir seit 2005 auf die Beimischung von VC-Fonds in unsere Dachfondsprodukte.

finanzwelt: Wie schätzen Sie angesichts der Gesamtmarktlage die Chancen für Exits, im Besonderen einem möglichen IPO-Fenster, ein?

Lemke: Aufgrund der hohen Volatilität herrschen weiterhin keine guten Bedingungen für Börsengänge. Gerade bei Private-Equity-Fonds aus dem Large- und Mega-Cap-Segment ist der IPO ein häufiger gewählter Exit-Kanal. Die Haltedauern könnten sich daher verlängern. Bessere Aussichten auf Rückflüsse gibt es im unteren und mittleren Marktsegment. Es ist vom geschrumpften IPO-Markt kaum betroffen, stattdessen treten überwiegend strategische Investoren sowie andere Private-Equity-Fonds als Käufer auf.

finanzwelt: Welche Branchen/Sektoren erachten Sie derzeit weiterhin als optimistisch?

Lemke: Die Zeiten in denen Multiples mithilfe von Fremdkapital ausgeweitet werden konnten, sind aufgrund der gestiegenen Leitzinsen vorbei. Unabhängig vom jeweiligen Branchenfokus sehen wir daher Private-Equity-Fondsmanager, die ihre Portfoliounternehmen mit ihrer Expertise und ihrem Know-how auf nachhaltiges Wachstum ausrichten, im Vorteil.

Bei großen Unternehmen ist diese Einflussnahme zwar ebenso möglich. In Konzernstrukturen ist jedoch die Veränderungsgeschwindigkeit regelmäßig schwerfälliger als im Mittelstand. Daher bevorzugen wir weiterhin das mittlere Marktsegment.

finanzwelt: Welche Pläne verfolgen Sie 2023?

Lemke: Wir sind aktuell mit zwei Dachfonds im Vertrieb. Langfristige Anleger können ab 5.000 Euro bzw. 50 Euro im monatlichen Ratensparplan in die achte Generation unserer RWB International-Serie investieren. Damit beteiligen sie sich über eine Vielzahl von Private-Equity-Fonds an hunderten voneinander unabhängigen Unternehmen. Rückflüsse aus erfolgreichen Unternehmensverkäufen werden beim International-Fondskonzept zunächst in neue Fonds reinvestiert. Das Kapital arbeitet also mehrfach.

Eine vergleichsweise kürzere Laufzeit weist der RWB Direct Return 5 auf. Anleger können sich ebenfalls ab 5.000 Euro über verschiedene Private-Equity-Fonds an Unternehmen aus dem Mittelstand beteiligen. Bei diesem Konzept gibt es nur eine Investitionsrunde und daher die Aussicht schnellere Rückflüsse. (ah)