Sonne, Regen oder ein Mix aus beidem?

19.06.2024

(v.l.n.r.) Felix Herrmann, Chefvolkswirt, ARAMEA Asset Management AG, Uwe Eilers, Vorstand, FV Frankfurter Vermögen AG und Maximilian Kreitlmeier, Teamleiter Portfoliomanagement und Analyse Investment, Fonds Finanz Maklerservice GmbH

Die ersten Monate des laufenden Jahres sind gut verlaufen. Erstaunlich positiv. Nun stellt sich die Frage, wohin die Reise führt. Setzen die Leitindizes dieser Welt ihre Aufwärtsbewegung fort? Woher könnten neue Impulse kommen? Welche Regionen und Sektoren stehen in den kommenden Monaten im Fokus? Wann setzt eine Korrekturphase ein? Es bleibt spannend. Investoren sollten sich dabei vor Augen führen, dass Rücksetzer auch Chancen für Zukäufe bieten. Und generell sollten Sie als Berater sowieso den Langfristcharakter jedes Investments im Gespräch hervorheben. Eine finanzwelt-Expertenrunde stellte sich Mitte Mai 2024 den Fragen der Zeit.

finanzwelt: Meine Herren, angesichts der multiplen Krisen und schwächelnder Konjunktur, welche Erwartungen hegen Sie für die Entwicklung der internationalen Aktienmärkte in den kommenden Monaten?

Felix Herrmann» Grundsätzlich gibt es aus meiner Sicht weiterhin gute Argumente für eine solide Aktienmarktperformance bis Jahresende. Klammert man kurzfristigen saisonalen Gegenwind einmal aus, dann spricht aus meiner Sicht die wirtschaftliche Erholung in der Eurozone und damit anziehende Unternehmensgewinne genauso für steigende Aktienkurse wie die Aussicht auf fallende Leitzinsen. Das Repricing dürfte an den Zinsfront abgeschlossen sein – das ist eine gute Nachricht für den Markt.

Uwe Eilers» Die aktuellen Krisen (vor allem Ukraine, Israel-Iran und Gaza) sind im Wesentlichen in den Aktienmärkten eingepreist. Gleiches gilt für die unsicheren Konjunkturdaten. Viel wichtiger wird die weitere Zinsentwicklung, vor allem bei den langfristigen Zinsen in den USA und Europa, sein. Sofern diese weiter steigen sollten, könnte dies der Auslöser eines deutlichen Rückgangs der diversen Aktienmärkte sein. Aufgrund dieser Erwartung agieren wir derzeit sehr verhalten und haben die Aktienquoten auf einem recht niedrigen Niveau heruntergefahren.

finanzwelt: Die Zinsentwicklung ist ein gutes Stichwort. Wird die EZB vor der Fed reagieren, Herr Kreitlmeier?

Maximilian Kreitlmeier» Es zeichnet sich ab, dass dieses Mal die EZB eine Vorreiterrolle einnimmt und vor der US-Fed die Zinsen senkt, da die Volkswirtschaften der Eurozone fragiler und schwächer sind als die US-Wirtschaft. Schnelle und drastische Zinssenkungen sind in den USA nicht nötig und wären sogar kontraproduktiv, da sie die Inflation nur unnötig befeuern würden. Speziell die US-Wirtschaft kommt mit den hohen Zinsen gut zurecht. Das sogenannte ‚Higher for Longer‘, also eine länger anhaltende Phase mit höheren Zinsen ist derzeit das wahrscheinlichste Szenario. Dennoch könnte auch die Fed im Laufe des Jahres die Zinsen senken, wenn die Inflation zurückgeht. Die Schuldensituation der USA dürfte durchaus Druck auf die Notenbank ausüben, denn die Regierung muss bis Jahresende einen großen Teil der Schulden umfinanzieren. Die höchsten US-Leitzinsen der letzten 30 Jahre sind dabei eine zusätzliche Bürde für den Staat. Jede noch so kleine Zinssenkung würde entlasten.

finanzwelt: Sie sprachen die USA als größte Volkswirtschaft bereits an. Dort spielte in der Vergangenheit die Musik: Tech-Aktien und KI. Sind US-Aktien nach wie vor so attraktiv?

Eilers» Wachstums- und Tech-Werte stehen bei uns weiterhin oben auf der Liste, allerdings nicht die ‚Big 7‘, sondern die zweite und dritte Reihe, die teils deutlich zurückgeblieben ist. Dabei kommt man im Tech-Bereich an den USA nicht vorbei, auch wenn es zusätzlich diverse interessante Aktiengesellschaften in Europa und Japan gibt.

Kreitlmeier» Aus struktureller Sicht haben die USA einen enormen Vorsprung in den Bereichen Chipentwicklung, Software, KI, Cloudinfrastruktur und vieles mehr. US-Firmen können trotz Sparmaßnahmen weiterhin massiv in Forschung und Entwicklung investieren und Innovationen forcieren. Das wird so schnell kein anderes Land einholen und in gleichem Maße weltweit in Unternehmensgewinne umwandeln können. Langfristig sehen wir die führenden Unternehmen dieser Bereiche weiterhin in den USA. Anleger sollten dennoch wachsam sein, denn in manchen Tech-Segmenten haben sich auch Weltmarktführer aus anderen Ländern etabliert. Man denke beispielsweise an die Zulieferer für den Halbleitermarkt.