Stabilität in einem anspruchsvollen Umfeld

20.06.2025

Thomas Hein, Leiter Vertrieb Immobilienfinanzierung bei der ING Deutschland / Foto: © ING

Exklusiv

Unsichere Zeiten, volatile Märkte, eine unberechenbare USPolitik – das Baufinanzierungsgeschäft scheint vor einigen Herausforderungen zu stehen. Wie ist die Stimmung am Immobilienmarkt im Frühsommer 2025? finanzwelt sprach mit Thomas Hein, Leiter Vertrieb Immobilienfinanzierung bei der ING Deutschland.

finanzwelt: Herr Hein, nach einiger Zeit auf stürmischer See schien Ende des letzten Jahres bereits der sichere Hafen in Sicht. Hat sich der Markt der Baufinanzierung nun verändert?

Thomas Hein: Die Nachfrage nach Immobilien und damit auch nach Baufinanzierungen ist deutlich gestiegen – das spricht dafür, dass der Markt wieder von Optimismus gestützt wird. Unsere Kundinnen und Kunden beschäftigen sich wieder mehr mit der eigenen Immobilie, die Zinsen sind etwas gesunken und die Nachfrage steigt. Es bleibt aber abzuwarten, wie sich die Zinsenwicklung in Zukunft darstellt. Hier müssen wir sicher einen intensiven Blick auf die politischen Entwicklungen in Amerika, aber natürlich auch bei uns werfen. Wir sind sehr gespannt, was die neue Bundesregierung mit dem Sondervermögen am Ende alles umsetzen wird.

finanzwelt: Die Branche reagiert immer recht feinfühlig auf politische und wirtschaftliche Veränderungen. In volatilen Zeiten mit globalen Krisen, unsicherer Zins- und Zoll-Politik und einer unberechenbaren US-Regierung: Gibt es noch Konstanten, auf die man bauen und sich verlassen kann?

Hein: Eine Konstante im Moment ist, dass nichts konstant ist. Unser Markt ist sehr volatil. Die neue Bundesregierung plant schon jetzt viele Veränderungen und auch wir als Bank müssen uns ständig anpassen und mit neuen Produkten und Prozessen auf sich verändernde Marktbedingungen reagieren. Doch wenn man genauer hinschaut, entdeckt man bei aller Bewegung auch die eine oder andere Konstante. So ist der Wunsch nach den eigenen vier Wänden nach wie vor groß – auch der nach einer guten Beratung durch die Banken und deren Vermittlerinnen und Vermittler. Viele Menschen wollen in einem volatilen Umfeld auf Sicherheit bauen. Sie wünschen eine Beratung, die auf ihre individuelle Situation angepasst ist, die Perspektiven aufzeigt und Tipps gibt. Nach wie vor – und auch das ist eine Konstante, die wir ganz deutlich sehen – ist die Finanzierung der eigenen Immobilie eine der größten finanziellen Entscheidungen im Leben, die nur wenige Menschen alleine, ohne professionelle Unterstützung treffen wollen.

finanzwelt: Erwarten Sie für die kommenden Monate steigende Zinsen?

Hein: Aktuell sehen wir leicht sinkende Zinssätze. Aber es bleibt, wie schon erwähnt, abzuwarten, wie der Staat mit seinem Sondervermögen umgeht und wie er die Refinanzierung sicherstellen will. Je nachdem, wie diese Szenarien aussehen, können sie natürlich auch Auswirkungen auf den Zinsmarkt nach sich ziehen. Voraussichtlich wird die Europäische Zentralbank den Zinssatz noch etwas weiter senken. Langfristig aber wird es als Folge der höheren Verschuldung zu einem Anstieg der Marktzinsen kommen.

finanzwelt: Aufgrund des Schuldenpakets sind die Renditen für zehnjährige Staatsanleihen zuletzt deutlich gestiegen – und somit auch die Bauzinsen. Ist gerade ein guter Zeitpunkt für den Immobilienkauf?

Hein: Ganz unabhängig von der Zinssituation, die ganz aktuell wieder von Zinssenkungen geprägt ist: Ein guter Zeitpunkt für den Immobilienkauf hängt immer von der individuellen Situation der Käuferinnen und Käufer und von dem gerade auf dem Markt befindlichen Objekt ab. Kann man sich das Objekt leisten, erfüllt es alle Wünsche und ist die Finanzierung im Alter abbezahlt? Ein ‚Ja‘ auf diese Fragen ist das entscheidende Kriterium, das für den Kauf einer Immobilie spricht. Wenn dann die Zinsen günstig sind, nimmt man diesen Nebeneffekt natürlich gerne mit.

finanzwelt: Die derzeitige Mietpreisbremse soll verlängert werden. Wie ist hierzu Ihre Einschätzung?

Hein: So eine Mietpreisbremse bedeutet immer einen Eingriff in den Markt, der durchaus zu Ungleichgewichten führen kann und im schlechtesten Fall notwendige Sanierungen oder Modernisierungen verhindert. Wir schauen gespannt auf die Politik der neuen Bundesregierung und darauf, ob und mit welchen Inhalten die Mietpreisbremse verlängert wird. Luft nach oben ist für uns bei diesem Thema auf jeden Fall vorhanden.

finanzwelt: Energie, Nachhaltigkeit, Biodiversität – sind das noch Themen, mit denen sich die ING Deutschland auseinandersetzt, oder haben sich inzwischen die Prioritäten verschoben?

Hein: Nach wie vor sind diese Themen für uns wichtig. Auch wenn vielleicht in der Öffentlichkeit gerade der Eindruck entsteht, dass die Energieeffizienz von Immobilien nicht mehr ganz den Stellenwert hat, den sie noch in der Vor-Trump-Ära hatte. Wir sind davon überzeugt und sehen es auch als unsere gesellschaftliche Aufgabe an, die Welt, in der wir wohnen, mit Blick auf die kommenden Generationen möglichst positiv zu gestalten.

finanzwelt: Wie stark prägen aktuell Governance- und Nachhaltigkeits-Faktoren die Entscheidungen der Entwickler und Kapitalgeber?

Hein: Die ESG-Kriterien haben bei uns nach wie vor eine hohe Priorität. Am Ende des Tages geht es darum, die gesteckten Ziele von Regierungen und Unternehmen in Europa zu erreichen. Und möglichst ohne Abstriche. Das muss selbstverständlich unter Einhaltung der Governance-Vorgaben passieren. Produktangebote wie die Baufinanzierung Green, mit der wir den Kauf oder Bau von Immobilien mit der Energieeffizienzklasse A oder A+ mit einem Zins-Rabatt von 0,10 % honorieren, zeigen, dass das möglich ist. Auch unser neues Modernisierungsprodukt Baufi Energy mit 0,10 % Zins-Rabatt für Darlehen ab 100.000 Euro, wenn durch die Modernisierung die Energieeffizienzklasse der Immobilie verbessert wird (mind. F), ist ein Resultat der oben genannten Faktoren. Daran gilt es weiterzuarbeiten. Wenn sich auch andere Kapitalgeber sowie Käuferinnen und Käufer weiter an diesen ESG-Kriterien orientieren, dann werden sich auch Entwickler entsprechend verhalten.

finanzwelt: In welchen Bereichen der Baufinanzierung wird Künstliche Intelligenz bei der ING Deutschland bereits erfolgreich eingesetzt? Strategie, USP, Kundenkontakt, Abwicklung, Beratung?

Hein: Wir prüfen aktuell in vielen Bereichen, wie sich die KI in der Baufinanzierung der ING nützlich machen kann. Ganz konkret ist sie bereits bei unseren Vermittlerinnen und Vermittlern erfolgreich im Einsatz. Unser Digitalisierungsbeauftragter ist mit vielen von ihnen im Gespräch und zeigt auf, wie sich Prozesse schneller und mit weniger Aufwand durch KI gestalten lassen. Die Resonanz ist groß und schlägt sich schon jetzt zum Beispiel in automatisierten Marktanalysen nieder. Aber auch KI-gestützte Chatbots, mit denen sich Kundenanfragen in Echtzeit beantworten lassen, machen das Geschäft unserer Vermittlerinnen und Vermittler deutlich effizienter – und kommen auch bei den Kundinnen und Kunden sehr gut an. (sg)