Theoretisch ja

20.10.2022

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Da sage noch einer, die Deutschen seien eher zurückhal­tend gegenüber technischem Fortschritt. Ihre Einstellung zur E-Mobilität beweist das Gegenteil. Hingegen scheint die Autoindustrie die Signale der Zeit nicht zu empfan­gen. Über Patente verfügt sie zwar zur Genüge. Bei deren Realisierung bekleckern sie sich jedoch nicht gerade mit Ruhm.

Elektrofahrzeuge gewinnen bei den deutschen Verbrau­chern an Beliebtheit. Das ist eines der Ergebnisse der De­loitte Global Automotive Consumer Study 2022. War noch im vergangenen Jahr die Zahl der Befragten, die als nächs­ten Pkw ein Elektroauto wählen würden, zurückgegangen, so stieg sie bei der aktuellen Befragung deutlich. Rund 40 % würden bei ihrem nächsten Autokauf ein Hybridfahr­zeug wählen (2021: 26 %). Der Anteil derjenigen, die ein rei­nes Elektrofahrzeug bevorzugen würden, steigt von 6 % im Jahr 2021 auf jetzt 15 %. Allerdings: Rund 41 % würden ihre Entscheidung, ein Elektrofahrzeug zu kaufen, überdenken, wenn der Preis fürs Laden ähnlich hoch läge wie der für fos­sile Brennstoffe. Dr. Harald Proff, Partner und Leiter Auto­mobilindustrie bei Deloitte Deutschland und Global, erklärt: „Niedrigere Treibstoffkosten sind eines der zentralen Argu­mente für den Kauf eines Elektroautos und wurden bei unse­rer Befragung als zweitwichtigster Faktor genannt.“ Noch häufiger gaben die Befragten die Sorge um das Klima als Grund für den Elektroautokauf an (61 %). Zudem spielt auch das Thema staatliche Förderung eine zentrale Rolle. Immer­hin 46 % der Studienteilnehmer motiviert diese, ein elektri­fiziertes Fahrzeug zu wählen. Wie die Deloitte-Studie zeigt, sind den Deutschen alternative Antriebe mehr wert. So wür­den 44 % der Befragten für alternative Antriebe draufzahlen. 31 % wären bereit, 400 bis 2.000 Euro mehr auszugeben, 13 % sogar über 2.000 Euro. Ein maßgebliches Kriterium für die Akzeptanz der Elektromobilität ist die Reichweite. Die befragten Konsumenten erwarten, mit einem vollgeladenen Stromer ohne Unterbrechung von München nach Düsseldorf fahren zu können.

Nur Elektro ist wirklich effizient

Die Autoindustrie empfängt solche Signale jedoch nur un­zureichend – oder sie will sie nicht erkennen. Im Auftrag der Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) hat das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI in Karlsruhe konventionelle und neue Antriebstechniken für Pkw hinsichtlich ihrer Wirtschaftlichkeit, ihrer Ökobilanz und ihren Potenzialen für die neuen deutschen Klimaschutzzie­le untersucht. Außerdem haben die Forschenden erhoben, wie die deutsche Automobilindustrie im internationalen Vergleich für die Erfordernisse der Wende bei den Antriebs­technologien aufgestellt ist. Die beiden Studien zeigen, dass elektrische Fahrzeuge die wirtschaftlichste und energieeffizi­enteste Option zur Minderung von Treibhausgasen darstel­len. Deutschland nimmt eine Führungsrolle bei Patent- und Markenanmeldungen nachhaltiger Antriebstechnologien ein. Bei den Absatzzahlen zeigt sich jedoch aktuell ein star­ker Fokus auf Plug-in-Hybride, obwohl diese nach Ansicht der Experten nur eine Übergangstechnologie sein sollten. Die neuen Klimaschutzziele, die der 2021 beschlossen hat, erfordern auch im Verkehr ein schnel­les Handeln. Die Ziele werden überwiegend durch den Wechsel auf batteriebetriebene Fahrzeuge erreicht werden können. Das Fraunhofer ISI hat vor diesem Hintergrund erst­mals die Auswirkungen der neuen deutschen Klimaziele auf alternative Antriebe detaillierter analysiert.

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