Trotz Abwertung: „Keine andere Währung kann den Dollar verdrängen“
26.05.2025

Stephen Li Jen. Foto: Eurizon SLJ Capital.
In der aktuellen Lage erweist sich die US-Wirtschaft als relativ robust. Das negative BIP-Ergebnis für das erste Quartal spiegelt vor allem vorgezogene Importe wider und nicht etwa eine schwache Binnennachfrage. Tatsächlich waren die Investitionen bemerkenswert stark und der Konsum gab nicht nach. Der Ausverkauf von US-Aktien ist daher eher eine Folge der Umschichtung von Portfolios zu Lasten der USA als aufgrund Befürchtungen einer Rezession in den USA.
Die Welt hatte bereits viele US-Dollar-Anlagen gekauft, sowohl auf der Aktien- als auch Anleihenseite. Jahrelange Leistungsbilanzdefizite und Kapitalzuflüsse haben dazu geführt, dass die USA nun eine Nettoauslandsverbindlichkeit von 85 % des BIP bzw. 25 Billionen US-Dollar aufweisen. Eine derart unausgewogene grenzüberschreitende Vermögensverteilung ist so groß, dass eine vorübergehende Veränderung der globalen Stimmungslage sehr große Abflüsse aus US-Aktien, Anleihen und dem Dollar auslösen könnte. Diese Portfolioanpassung wurde nicht durch Rezessionsängste, sondern durch eine Neubewertung der künftigen Rentabilität US-amerikanischer Unternehmen motiviert.
Ein zweiter Grund, warum US-Anleihen diesmal trotz des Abverkaufs an den Aktienmärkten keine Rally verzeichneten, war der stagflationäre Auslöser des Aktienabverkaufs, der unklare Auswirkungen auf die Anleiherenditen hatte. Es handelte sich nicht um eine typische, nachfrageorientierte Rezession, die Kapital von den Aktien- zu den Anleihemärkten treiben würde.
Damit der US-Dollar als sicherer Hafen fungieren kann, müssen auch US-Staatsanleihen als sicherer Hafen gelten. Aufgrund der Art des Schocks und der Zusammensetzung der globalen Portfoliobestände konnte der Dollar jedoch nicht als sicherer Hafen dienen. Sollte es jedoch zu einer tiefen Rezession in den USA kommen, glaube ich, dass der Dollar in diesem Fall eine Rally erleben würde. Wenn die Weltwirtschaft in einen ausreichend beängstigenden Zustand gerät, dürfte der Dollar weiterhin ein sicherer Hafen sein.
Trotz globaler Umbrüche: US-Dollar bleibt dominierende Reservewährung
In den letzten 25 Jahren wurde der EUR/USD-Kurs zwischen 0,80 und 1,60 gehandelt. Während dieser Zeit haben nur sehr wenige Menschen davon gesprochen, dass der Dollar seine Vormachtstellung als Reserve- oder internationale Währung verlieren könnte. Wir haben zwischen 1,05 und 1,15 gehandelt. Aus historischer Sicht ist diese Entwicklung nicht ungewöhnlich. Tatsächlich liegt der faire Wert des EUR/USD unserer Meinung nach im Bereich von 1,20 bis 1,25.
Der Dollar war sehr lange überbewertet – darauf haben wir in den letzten Jahren wiederholt hingewiesen. Wir haben davor gewarnt, dass es angesichts dieser Überbewertung nicht viel brauchen würde, um den Dollar nach unten zu drücken. Die Diskussionen über den „amerikanischen Exzeptionalismus” war unserer Meinung nach fehl am Platz und eine übertriebene Beschreibung der USA und ihrer Vermögenswerte. Ebenso halten wir alle Diskussionen über einen „negativen amerikanischen Exzeptionalismus” für übertrieben. Die USA und der US-Dollar waren noch nie so gut, aber auch nicht so schlecht, wie es derzeit manche glauben.
Keine andere Währung kann den Dollar verdrängen. Sein Anteil an den weltweiten Währungsreserven dürfte jedoch weiter sinken, wobei er seine Spitzenposition behalten wird.
Die Einschätzung als internationale Währung sieht jedoch anders aus: Es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass der Dollar seine Dominanz als internationale Währung verlieren könnte. Ich bin seit zwei Jahren pessimistisch gegenüber dem Dollar eingestellt. Ich glaube jedoch nicht, dass eine Abwertung des Dollars mit einem Verlust seines internationalen Status einhergehen wird.
USA gewinnen derzeit durch einen schwächeren Dollar
Ein schwacher Dollar wäre eine gute Alternative zu Zöllen. Deshalb unterstütze ich die Idee des Mar-a-Lago-Abkommens. Wenn sich die Welt auf eine Abwertung des Dollars um 20 % einigen könnte, könnte sie die USA vielleicht davon überzeugen, keine Zölle in Höhe von 20 % zu erheben.
Marktkommentar von Stephen Li Jen, CEO bei Eurizon SLJ Capital.

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