Veränderung – bewusst und mit Lust

24.11.2021

Konrad Stadler / Foto: © Stadler Schott

Einfach ausprobieren

Ein gutes Beispiel sind Modellstädte wie Kopenhagen oder Amsterdam, die auf das Fahrrad als das bevorzugte Verkehrsmittel setzen. Die saubere Luft, der abnehmende Lärm, überhaupt die Atmosphäre in der ganzen Stadt zeigen einen hochattraktiven Weg auf. Fahrräder sind hip. Erfolgreiche Business-Leute brüsten sich weder mit dem Mercedes noch mit einer Rolex – daran würde man die Stehengebliebenen erkennen – sondern mit einem coolen Retrobike. Das Neue kommt über das Ausprobieren in die Welt. Das sieht der Managementvordenker C.O. Scharmer ebenso wie der Philosoph Karl Popper. Weiterentwicklung beruht auf dem Mechanismus aus Versuch und Irrtum. Wir brauchen deshalb Führungskräfte, die den Menschen den Anstoß geben, etwas zu versuchen. Zaghaften könnte der Zusatz helfen: Wenn es nichts wird, dann machen wir es wieder wie immer. Wir brauchen aber auch einen neuen Zugang zum Irrtum. Unternehmen scheitern mit der Einführung eines Fehlermanagements, weil die Mitarbeiter ein Beschuldigungssystem darin sehen. Für Popper ist das Lernen aus dem Irrtum das Erfolgsprinzip der Evolution. Voraussetzung ist ein konstruktiver Umgang mit Kritik.

Sich einlassen

Der Wind der Veränderung kann als Bedrohung oder als Erfrischung aufgefasst werden. Die Schlüsselstelle ist das Sich-einlassen. Jede und jeder kann das bei sich selbst beobachten. Es kommt ein neues Thema auf mich zu; zum Beispiel eine neue Aufgabe in der Firma, ein englischsprachiges Seminar, die Nutzung einer App im Nahverkehr. Wie stelle ich mich dieser Neuerung. Werte ich ab: So ein Blödsinn! Weiche ich aus: Sollen das andere machen! Oder kann ich eine Neugier, ein offenes Entgegennehmen in mir wach werden lassen. Das Ergebnis wird fundamental anders sein, je nach meiner mentalen Ausrichtung. Die amerikanische Psychologin Carol Dweck unterscheidet das statische und das dynamische Mindset. Das dynamische Mindset öffnet für neue Gedanken, Ideen und Erfahrungen - bis ans Lebensende. Man sieht das den Leuten an. Sie wirken frischer, freudiger. Sie erfreuen sich an den Möglichkeiten des Lebens und finden Gefallen an der persönlichen Verwandlung.

Die Verwandlung

Das ist der Kern des Umgangs mit dem Wandel. Der Schweizer Philosoph Peter Bieri definiert einen gebildeten Menschen so: Er lässt sich beim Lesen eines Buches selbst verwandeln. Er hält nicht fest, sondern lässt sich überraschen, lässt sich inspirieren, er nimmt Denk- und Handlungsimpulse auf. Der gebildete Mensch ist das Gegenteil des einfältigen Menschen, der auf seiner Meinung und auf seinem Weltbild beharrt.

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