Verletzung der Nachuntersuchungsobliegenheit in der Krankentagegeldversicherung

20.05.2025

Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke. Foto: Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte

Das Landgericht Kaiserslautern befasste sich in seinem Urteil vom 13.06.2024 (Az.: 3 O 833/21) mit Frage, wann eine Verletzung der Nachuntersuchungsobliegenheit in der Krankentagegeldversicherung vorliegt. Die Versicherungsnehmerin unterhielt eine Krankentagegeldversicherung und eine Berufsunfähigkeitsversicherung. In der Krankentagegeldversicherung war ein Krankentagegeld ab dem 43. Tage vollständiger Arbeitsunfähigkeit in Höhe von täglich 100 Euro vereinbart.

Im August 2018 wurde die Versicherungsnehmerin, von Beruf (Sport-)Lehrerin, aufgrund von Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule arbeitsunfähig. Nach Ablauf der Karenzzeit leistete die Krankentagegeldversicherung an die Versicherungsnehmerin.

Um die weitere Leistungspflicht zu prüfen, ließ die Krankentagegeldversicherung am 19.12.2018 eine ärztliche Untersuchung durchführen. Die ärztliche Untersuchung kam zu dem Ergebnis, dass die Versicherungsnehmerin weiterhin arbeitsunfähig war. Eine orthopädische Ursache war jedoch nicht zu erkennen, weswegen eine neurologische Untersuchung empfohlen wurde. Letztendlich wurde bei der Versicherungsnehmerin das Vorliegen von Tarlov-Zysten diagnostiziert, wodurch Nervenschmerzen ausgelöst wurden. Am 30.10.2019 wurde die Versicherungsnehmerin diesbezüglich operiert.

Mit Schreiben vom 18.11.2020 bat der Versicherer die Versicherungsnehmerin erneut, sich einer ärztlichen Untersuchung zu unterziehen, was diese ablehnte. Daraufhin berief sich der Versicherer auf eine Verletzung der Nachuntersuchungsobliegenheit. Es wurde sodann versicherseits ein ärztliches Gutachten basierend auf der Aktenlage erstellt. Ab dem 29.03.2021 stellte die Krankentagegeldversicherung die Leistungen ein und wandelte den Versicherungsvertrag in eine Anwartschaftsversicherung um.

Arbeitsunfähigkeit oder Berufsunfähigkeit?

Die Versicherungsnehmerin war der Meinung, dass in dem Zeitraum vom 14.08.2018 bis zum 30.06.21 vollständige Arbeitsunfähigkeit vorlag und sie nie berufsunfähig im Sinne der Versicherungsbedingungen, sondern immer nur arbeitsunfähig war. Außerdem sei ihr auch keine Verletzung der Nachuntersuchungsobliegenheit vorzuwerfen, da sie sich immer um einen Termin bemühte. Lediglich eine psychiatrische Begutachtung habe sie abgelehnt.

Der Versicherer hingegen war der Meinung, dass die Versicherungsnehmerin berufsunfähig war und deswegen Leistungsfreiheit eingetreten sei. Hilfsweise bestritt der Versicherer, dass die Versicherungsnehmerin zu dem Zeitpunkt überhaupt noch vollständig arbeitsunfähig war. Die Tarlov-Zysten seien bereits im Jahr 2019 operiert worden, wodurch nicht nachvollziehbar war, weshalb ab dem 30.03.2021 noch eine Arbeitsunfähigkeit vorlag. Weiterhin berief sich der Versicherer auf eine vorsätzliche Verletzung der Nachuntersuchungsobliegenheit der Versicherungsnehmerin (siehe auch Versicherungsschutz trotz Ablehnung einer ärztlichen Untersuchung? (OLG Saarbrücken)).

Um den Fortbestand des Versicherungsverhältnis und dadurch das noch offene Krankentagegeld für die drei Monate geltend zu machen, klagte die Versicherungsnehmerin vor dem Landgericht Kaiserslautern. Die Parteien stritten folglich um das Krankentagegeld für die besagten Monate und um die Frage, ob das Versicherungsverhältnis weiterhin bestand.

LG Kaiserslautern: keine Verletzung der Nachuntersuchungsobliegenheit!

Das Landgericht Kaiserslautern entschied, dass das Versicherungsverhältnis weiterhin bestand und der Versicherer der Versicherungsnehmerin das Krankentagegeld für die drei Monate schuldete. Das Landgericht Kaiserslautern stellte fest, dass die Versicherungsnehmerin ihre Arbeitsunfähigkeit für den Zeitraum vom 30.03.2021 bis zum 30.06.2021 ausreichend nachweisen konnte. In dieser Zeit war es der Versicherungsnehmerin nicht möglich, ihre Tätigkeit als Sportlehrerin auszuüben. Außerdem brachte der Versicherer nichts vor, was darlegen konnte, dass sie in der Zeit eine andere berufliche Tätigkeit ausübte.

Darüber hinaus kam das Gericht zu der Entscheidung, dass der Versicherungsnehmerin zwar eine Verletzung der Nachuntersuchungsobliegenheiten vorzuwerfen sei, dies jedoch nicht zur Leistungsfreiheit des Versicherers führte. Die Obliegenheitsverletzung konnte zwar nicht gerechtfertigt werden, da der Versicherer von seinem Untersuchungsrecht nicht extensiv oder schikanös Gebrauch machte, die Verletzung der Nachuntersuchungsobliegenheiten führte jedoch trotzdem nicht zur Leistungsfreiheit des Versicherers. Dies wäre nur der Fall, wenn die Obliegenheitsverpflichtung geeignet gewesen wäre, die Interessen des Versicherers ernsthaft zu gefährden (BGH, Urt. v. 24.06.1981 – IVa ZR 133/80).

Auch eine Leistungsfreiheit wegen Eintritt der Berufsunfähigkeit lag nicht vor. Zu dem maßgeblichen Zeitpunkt war es nicht möglich, eine Berufsunfähigkeit bereits hervorzusehen. Vielmehr war eine teilweise Besserung der Beschwerden bereits vorhanden und künftig weiterhin wahrscheinlich (hierzu Beendigung des Krankentagegeldes durch Berufsunfähigkeit? (OLG Saarbrücken)).

Fazit

Das Urteil des Landgericht Kaiserslautern zeigt, dass nicht jede Verweigerung der Untersuchung zu einer Verletzung der Nachuntersuchungsobliegenheiten führt und den Versicherer zur Verweigerung der Versicherungsleistung berechtigt. Gleichwohl sollten Versicherte natürlich nicht leichtfertigt Nachuntersuchungen verweigern. Es kommt stets auf die konkreten Umstände des Einzelfalles an. Im Zweifel kann es sich daher anbieten, einen im Versicherungsrecht spezialisierten Fachanwalt zu kontaktieren.

Ein Gastbeitrag von Rechtsanwalt Björn Thorben M. Jöhnke, Partner der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte und seit 2017 Fachanwalt für Versicherungsrecht.

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