Wehe, wenn die Zinsen steigen

05.10.2021

Rolf Ehlhardt, Vermögensverwalter, I.C.M. Independent Capital Management Vermögensberatung Mannheim GmbH / Foto: © I.C.M.

Mit den kräftig ansteigenden Inflationsraten, kündigt die US-Notenbank, aber auch die EZB an, die Geldflut zu reduzieren bzw. zinsmäßige Veränderungen vorzunehmen. Das wäre zwar die richtige Politik, es darf aber mit Fug und Recht bezweifelt werden, ob daraus eine Zinswende abgeleitet werden kann.

Die viel zu lange Zeit der Befeuerung der Wirtschaft durch die Notenbanken, die spätestens seit 2011 hätte eingestellt werden müssen, da seit dem die Wirtschaft florierte, bringt nun die „Geldhüter“ in die Bredouille. Durch die explodierende Geldmenge, ausgelöst u.a. durch die Anleihenkäufe, wurden die Zinsen in Richtung „Null“ gedrückt. So konnten sich sowohl bonitätsschwache Staaten, aber auch „Konkurs verdächtige“ Unternehmen billig finanzieren. Die Bonität dieser beiden Kreditnehmergruppen ist dadurch noch schlechter geworden. Durch die Pandemie haben aber auch „bessere“ Kreditqualitäten zum Teil hohe Finanzierungen aufgenommen.

Bei Staaten berechnet man die Bonität mit der Quote Schulden zu BIP. Waren noch zur Einführung des Euro zu Beginn des Jahrhunderts 60 % die obere Grenze, haben heute alle wesentlichen Industrienationen dieses Kriterium zum Teil weit überschritten. Deutschland mit knapp über 70 % ist noch der weiße Rabe. USA mit 132 %, Frankreich 117 %, Spanien 119 %, Italien 159 % befinden sich schon im „Finanzen-Haraki-Land“. Griechenland mit 208 % wird von Japan mit 256 % sogar noch überflügelt. Da die Notenbanken diese Kredite durch die Käufe der Staatsanleihen finanziert haben (natürlich mit Zwischenschaltung befreundeter Banken, da direkte Staatsfinanzierung verboten ist), muss uns allen klar sein: Die Finanzierung der Staaten ist mit Krediten finanziert.

Das "Gespenst" ist zurück

Der Immobilienmarkt hat von der Zinsentwicklung profitiert. Viele Bürger haben sich zu niederen Konditionen eine Immobilie geleistet, die sie sich früher zu „normalen“ Zinsen gar nicht hätten leisten können, auch die Wohnungen/Häuser damals noch preiswerter waren. Die Neubesitzer sind jetzt oft „bis zur Halskrause“ verschuldet. In vielen Fällen ist auch der „Notgroschen“ aufgebraucht.  Sicherheit für den Kredit ist eine viel zu teuer gewordene Immobilie. Sollten die Immobilienpreise fallen (z.B. wegen steigender Zinsen), reduziert sich für die Banken auch die Kreditsicherheit. Ein „externer“ Auslöser könnte z.B. in China erfolgen, da dort der zweitgrößte Immobilienentwickler Evergrande, aufgrund eines Schuldenberges von ca. 300 Milliarden Dollar, mit der Zahlungsunfähigkeit kämpft.

Im privaten Bereich sind die Verschuldungen ebenfalls kräftig angestiegen. Neben eventuell einer Immobilie, ist z.B. auch das Auto geleast. Früher sagte man dazu Ratenkredit, mit dem Unterschied, dass nach Tilgung des Kredites der Besitzer zum Eigentümer des Wagens wurde. Inzwischen least man so ziemlich alles. Auch Elektromärkte, Möbelhäuser und Baumärkte puschen ihre Umsätze mit Krediten zu 0-Zinsen. Es ist unübersehbar: Unser Lebensstandard ist ebenfalls Kredit finanziert.

Nun taucht ein fast schon vergessenes Gespenst wieder auf. Die Welt muss sich erstmals seit etwa 13 Jahren mit Inflationsgefahren auseinander setzen. In Deutschland aktuell 3,9 %, in den USA 5 %. Öl und Nahrungsmittelpreise sind zum Teil schon zweistellig gestiegen. Die Sparer werden zusätzlich mit einer „Guthabengebühr“ belastet. Der Geldwertverlust erhöht sich adäquat. Die Notenbänker und Politiker wollen uns mit „vorübergehend“ einlullen. So wie bei Einführung des „Soli“ in Verbindung mit dem Mauerfall 1989, bei der Bekämpfung der Finanzkrise 2008 (Geldmenge hat sich seitdem verachtfacht) oder gar bei dem Ende von Bretton Woods (Loslösung der Schuldenhöhe von Goldbestand) 1971, also vor 50 Jahren. Wie die Vergangenheit auch beweist, waren Inflationstrends nie „Eintagsfliegen“ sondern meist jahrelange Trends.

Welche Auswirkungen das "Schreckensgespenst" Inflation hat, lesen Sie auf Seite 2.