Wer den Kunden ausbildet, verliert den Auftrag

28.05.2021

Philip Semmelroth, Experte für Unternehmenserfolg / Foto: © Dominik Pfau

Das Verkaufen erklärungsbedürftiger Produkte ist eine heikle Sache. Natürlich soll der Kunde verstehen, was er (hoffentlich) unterschreibt. Zu viele Details und Fachwissen schrecken Laien jedoch auch ab. Wer verunsichert ist, kauft nicht. Und wer sich im Verkaufsgespräch langweilt, überfordert oder dumm fühlt, wird wohl ebenfalls keinen Vertrag absegnen. Das macht das Geschäft des Finanzberaters oft so mühsam. Doch es geht auch anders.

Umsatz machen muss nicht anstrengend sein. Berater können an zahlreichen Stellschrauben drehen, die das Verkaufen von Finanzprodukten extrem effektiv machen. Sales-Talent ist nicht angeboren – jeder kann Handeln lernen. Wer sich nicht von Quartal zu Quartal schleppen und bei jedem Gespräch „das Beste hoffen“ will, der braucht Selbstbewusstsein, Persönlichkeit und Vertriebsturbos. Wer kompetent und mühelos Abschlüsse erzielen will, sollte dem Käufer das Leben leicht machen und seinen Frust minimieren. Vertriebsprofis erstellen daher zum Beispiel auch nur ein einziges übersichtliches Angebot – für die vorher mit dem Kunden definierte ideale Lösung. Dieses Papier formuliert er direkt als Auftragsbestätigung. Wer dem Laien die Wahl aus mehreren Varianten lässt, überfordert ihn. Schließlich will dieser ja einen Profi, damit er ihm die beste Lösung präsentiert.

Top-Verkäufer belehren nicht

Viele Berater, Makler, Vermittler tappen jedoch immer in die gleiche Falle: Sie verwandeln Verkaufsgespräche in Schulungen. Besonders dann, wenn sie in der professionellen Gesprächsführung nicht sattelfest sind. Aus Unsicherheit versuchen sie so unbewusst, die Kontrolle über den Diskurs zu behalten. Der hohe Redeanteil soll die Gefahr senken, dass das Gegenüber heikle Frage stellt. Doch was vielleicht in der Schule funktioniert hat, erweist sich in einer Verkaufssituation als Eigentor.

Manchen Verkäufern sieht man die Befangenheit schon am überdimensionierten Equipment an. Sie bringen einen Koffer voller Unterlagen, Broschüren und anderer Hilfsmittel mit, um das Gespräch besser zu strukturieren, enger lenken zu können. Damit Sie mich nicht falsch verstehen: Keineswegs möchte ich gründliche Vorbereitung ins Lächerliche ziehen. All diese Gimmicks können clever sein, wenn sie darauf abzielen, das Kundengespräch zu einem fantastischen Erlebnis zu machen. Ich war schon immer dafür, den Point of Sale zum Point of Experience zu machen. Doch wenn mehr und mehr Papierberge nur verhindern sollen, dass der Kunde anfängt nachzudenken, stimmt etwas nicht.

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