Wohnimmobilien: Käufer warten auf den richtigen Preis

05.04.2023

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Laut neuster Savills-Analyse zeigt sich der Wohnimmobilienmarkt in Deutschland aktuell zwiegespalten. Im ersten Quartal 2023 fiel das Transaktionsvolumen am Markt um 80 % unter das Quartalsmittel der letzten fünf Jahre. Dennoch erwarten die Analysten mittelfristig mehr Transaktionen als im vergangenen Jahr.

In Q1 2023 wurden in Deutschland Wohnimmobilien für etwa 1,2 Mrd. Euro gehandelt (Transaktionen ab 50 Wohnungen). Ein so niedriges Quartalsvolumen wurde zuletzt Anfang 2011 erfasst. Dieses Volumen verteilt sich auf lediglich 20 Transaktionen. Zum Vergleich: Im Mittel der vergangenen zehn Jahre gab es pro Quartal durchschnittlich dreimal so viele Verkäufe. Karsten Nemecek, Managing Director Corporate Finance – Valuation bei Savills Germany, berichtet: „Angesichts der Unsicherheit bei den Zinsen agieren viele Investoren nach wie vor zurückhaltend. Dies erklärt die spürbar gedämpfte Marktaktivität der letzten Monate. Angebotsseitig könnte das Transaktionsvolumen in diesem Jahr hingegen leicht in zweistellige Milliardenhöhen steigen. Die Frage ist, ob genug Nachfrage vorhanden sein wird. Während wir bei Neubauten weiterhin eine rege Nachfrage unter den institutionellen Käufern erwarten, ziehen sich ebendiese Käufer zunehmend aus dem nicht sanierten Bestand zurück. Weil außerdem die Wohnimmobilien-AGs auf die Verkäuferseite gewechselt sind und auf die Gebote der Private-Equity-Fonds bislang kaum Eigentümer eingehen, könnte das Transaktionsvolumen noch längere Zeit unterdurchschnittlich bleiben.“

Kleinteiliger Markt und stärkere Bedeutung von eigenkapitalstarken Käufern

Dass das Volumen trotz der wenigen Transaktionen überhaupt auf mehr als eine Milliarde Euro kletterte, lag an zwei Portfolioverkäufen im dreistelligen Millionenbereich. Diese zeichneten zusammen für fast die Hälfte des Volumens verantwortlich. Abgesehen davon stellte sich der Markt laut Savills überwiegend kleinteilig dar. Es dominierten Verkäufe im mittleren und unteren zweistelligen Millionenbereich. Marco Högl, Director und Head of Residential Capital Markets bei Savills Germany, kommentiert: „Weil die Wohnimmobilien-AGs als Käufer weggefallen sind und viele Fondsmanager nur sehr selektiv agieren, stoßen kleinere und mittlere Losgrößen derzeit auf mehr Interesse, beispielsweise unter Privatinvestoren und Family Offices. Wir beobachten, dass in den kommenden Monaten mehr Eigentümer solche Produkte an den Markt bringen wollen, sodass ab Spätsommer oder Herbst steigende Transaktionszahlen wahrscheinlich sind.“

Family Offices zeichneten im ersten Quartal für rund ein Viertel des Ankaufsvolumens verantwortlich, während sie in den vergangenen fünf Jahren nie über 2 % Marktanteil kamen. Ihr stärkeres Engagement wird die Zurückhaltung anderer Investorentypen jedoch nicht auffangen können. Offene Spezialfonds und Fondsmanager waren im ersten Quartal mit 58 % Volumenanteil die aktivsten Investoren. Nemecek konstatiert: „Für Investoren mit Fremdkapitaleinsatz sind die derzeitigen Angebotspreise am Wohninvestmentmarkt oftmals nicht darstellbar. Dies erklärt ihr sehr selektives Handeln, obwohl viele Fondsvehikel weiterhin nach Objekten für ihr Portfolio suchen. Eigenkapitalkäufer können in diesem Umfeld offensiver agieren und haben angesichts des temporär ausgedünnten Bieterfelds relativ viele Kaufoptionen, die Produkte, die viele Investorenkriterien erfüllen, bleiben jedoch begehrt. Sie setzen in der Regel auf hochwertige Objekte, die langfristige stabile Kapitalwerte und Mietzahlungen versprechen.

Auch opportunistische Investoren stehen in den Startlöchern, wobei diese eher auf ältere Bestandsportfolios schielen. Die Preisvorstellungen der Private-Equity-Fonds decken sich aber nur in Ausnahmefällen mit denen der Eigentümer, sodass wir bislang nur relativ wenige Ankäufe beobachtet haben. Für die opportunistischen Akteure sind vor allem die noch lange anhaltende Anspannung der meisten Wohnungsmärkte und damit die Aussicht auf langfristig steigende Mieten und Preise ausschlaggebend für ein Engagement am deutschen Wohnungsmarkt.“

Zweiteilung des Marktes in Neubau und Bestand

Weil bei unsanierten Bestandsobjekten der Druck zu mehr Sanierungen steigt und somit ein Kostenrisiko besteht, dürften sich risikoaverse institutionelle Investoren noch stärker auf komplettsanierte Gebäude und Neubauten fokussieren. Im ersten Quartal 2023 entfielen fast 44 % des Transaktionsvolumens auf den Kauf von Projektentwicklungen und damit deutlich mehr als im Mittel der vergangenen fünf Jahre (24 %). Der Neubaufokus dürfte auch im weiteren Jahresverlauf hoch bleiben. Högl erläutert: „Wir erwarten eine noch stärkere Zweiteilung des Marktes zwischen Neubau und Bestand. Neubauten werden das Produkt für institutionelle Investoren bleiben. Weil das Angebot vor dem Hintergrund der rückläufigen Bautätigkeit knapp bleibt, dürften sich die Preise hier bald stabilisieren und langfristig hoch bleiben. Ältere Bestände werden hingegen zunehmend ein Produkt für Wohnbauspezialisten. Angesichts der Größe des unsanierten Wohnungsbestands erwarten wir eine dynamische Entwicklung im Value-Add-Segment. Die potenziellen Käufer solcher Bestände erwarten allerdings spürbare Preisnachlässe, die viele Eigentümer bislang noch nicht akzeptieren.“

Stabilität ist Trumpf: Anspannung der Mietwohnungsmärkte wird noch lange anhalten

Für Investoren auf der Suche nach kontinuierlichen und nahezu ausfallsicheren Mieten bleiben deutsche Wohnimmobilien laut Savills weiterhin erste Wahl. Während die Nachfrage nach Wohnraum ungebrochen hoch ist, wird das Angebot noch jahrelang knapp bleiben. Matti Schenk, Associate Director Research bei Savills Germany, kommentiert: „Jüngste Statistiken zeigen einen spürbaren Rückgang der Baugenehmigungen und weiterhin viele Stornierungen von Wohnbauprojekten. Dadurch dürften die Neubauzahlen auch in den kommenden Jahren gering bleiben. In den meisten Märkten müssen Eigentümer von Wohnimmobilien daher keinen strukturellen Leerstand fürchten und können mit steten Zahlungsströmen rechnen. Im Vergleich zu vielen gewerblichen Immobiliennutzungen verheißen Wohnimmobilien somit mehr Stabilität, sodass insbesondere langfristig orientierte Investoren sie weiterhin als Bestandteil ihrer Portfolios auswählen dürften.“

Ausblick 2023

Das weitere Geschehen am Wohninvestmentmarkt wird laut Savills maßgeblich von der Schnelligkeit des Preisanpassungsprozesses und vom Agieren der Politik abhängen. Högl prognostiziert: „Bei Neubauprodukten erwarten wir recht bald eine Bodenbildung der Preise, was erfolgreiche Transaktionen erleichtern wird und sich auch positiv auf das Transaktionsvolumen auswirken dürfte. Im Bestand wird entscheidend sein, ob die Eigentümer im Value-Add-Segment zu stärkeren Preisnachlässen bereit sind. Damit wieder mehr Geld in den Bestand und vor allem in dessen Sanierung fließt, müsste aber auch die Politik für mehr Planungssicherheit sorgen. Umfangreichere Förderprogramme oder Sonderabschreibungen wären ein Weg, um den Investoren die Angst vor der Sanierungswelle nehmen. Entscheidend wird wohl das dritte Quartal.“ (lb)