Aus Grau mach Grün

15.08.2022

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Konkrete Umsetzung

Laut Wojtalewicz seien die wichtigsten Maßnahmen, um den Bestand ESG-fit zu machen kein „Hexenwerk“. Dazu gehöre beispielsweise Dämmung, moderne Fenster sowie effizientere Heizsysteme. „Dann der Einsatz erneuerbarer Energien, vor allem Solarenergie. Auch Mini-Windkraftanlagen und Geothermie können in Zukunft eine Rolle spielen. Die gestiegenen Kosten bremsen die Bestandssanierung, aber das ist ein vorübergehender Effekt. Wichtig ist, dass die Eigentümer mit staatlichen Förderprogrammen unterstützt werden“, so der d.i.i.-Vorstand. „Wir brauchen eine langfristige Planungssicherheit: Mit welchen konkreten Maßnahmen die Regierungen dem Klimawandel langfristig begegnen wollen und wie die Erreichung der deklarierten Ziele im Immobiliensektor gefördert werden soll.“ Für Dr. Schäfer ist dabei entscheidend, dass die oft sehr hohen Sanierungskosten im Verhältnis zur Wirtschaftlichkeit stehen. „Es geht hier gar nicht um Gewinnmaximierung. Niemand wird einen Anreiz verspüren, Bestandsimmobilien ESG-fit zu machen, wenn die Kosten dafür nicht zu refinanzieren sind. Das wäre ein Zuschussgeschäft. Das macht niemand. Es ist auch keine Frage des ‚Wollens‘ sondern des ‚Könnens‘ und des finanziellen Spielraums“, so Dr. Schäfer. „Es verschenkt auch niemand sein Auto, weil ein anderer der Meinung ist, das sei eine gute Idee. Nochmals: Es muss der notwendige Rahmen dafür geschaffen werden, der den Immobilienbesitzern den notwendigen finanziellen Spielraum einräumt, um ihre Immobilien ESG-fit zu machen.“

Wie hilfreich ist die EU-Taxonomie wirklich?

Beide Immobilien-Experten begrüßen die Taxonomie als transparenzschaffenden Versuch, die so notwendigen Rahmenbedingungen zu gestalten. „Eigentümer und Investoren brauchen ein gemeinsames Verständnis davon, was ‚nachhaltig‘ eigentlich ist. Bislang herrscht hier noch viel Unsicherheit mit der Folge, dass weniger getan wird, als möglich wäre“, meint Wojtalewicz. Genau hier gibt es für Dr. Schäfer einen Haken: „An dem ‚Green-Labeling‘ von atom- und gasbasiertem Strom im Rahmen der EU-Taxonomie sieht man allerdings bereits, dass sich wohl die Erkenntnis durchsetzt, dass die notwendige ‚Grünisierung‘ erstens mindestens kostendeckend und zweitens makroökonomisch leistbar sein muss. Ganz pragmatisch gesprochen müssen die energetischen Ressourcen verfügbar und finanzierbar sein. Dies ist aktuell, auch auf Grund der multiplen Krisen, ja nicht der Fall.“ Trotz dieser Gegebenheiten und auch eines raueren Klimas für Neubauprojekte schätzt Wojtalewicz Immobilien generell als wichtige Assets in resilienten Portfolios. Für Wertsteigerungen im Bestand durch ESG-Sanierungen seien heute dafür jedoch mehr Expertise, Marktkenntnis und Kapazitäten nötig. Der immero-CEO schätzt die klassische Wohnungswirtschaft dahingegen als zukünftig deutlich weniger attraktiv ein.

Klar ist: Ohne eine nachhaltigere Ausrichtung der Branche wird die EU ihre Klimaziele nur schwer erreichen. Und um das zu schaffen, müssen jetzt Unsicherheiten bei der Finanzierung und den Rahmenbedingungen beseitigt werden. (lb)