Auswirkungen der Reform für die Praxis

29.12.2022

Peter Gundermann, TILP Rechtsanwaltsgesellschaft mbH / Foto: Thomas Niedermueller / www.niedermueller.de

Am 22.07.2021 wurde das Gesetz zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts verkündet. Die Reform tritt in wesentlichen Teilen am 01.07.2023 in Kraft, weshalb schon jetzt ein genauerer Blick auf die Reformregelungen sinnvoll ist.

Sinnvolle Zusammenführung und Vereinheitlichung

Eine Zusammenführung des bislang im BGB und in 16 Landesstiftungsgesetzen recht zersplitterten Stiftungsrechts in das BGB war überfällig. Rechtsunsicherheiten im Hinblick auf etwaige Nichtigkeiten einzelner Regelungen der Landesstiftungsgesetze wegen Verstoßes gegen Vorgaben des BGB werden beseitigt. Die unterschiedliche Anwendung der verschiedenen Aufsichtsbehörden wird sich dadurch verbessern. Zum 01.01.2026 wird zudem ein Stiftungsregister eingeführt.

Auswirkungen schon jetzt („Vorwirkung“)

Die erst 2023 in Kraft tretenden Regelungen interessieren schon jetzt. Denn es ist zu berücksichtigen, dass die Neuregelungen gemäß der Gesetzesbegründung das heute schon geltende Stiftungszivilrecht wiedergeben. Sie sind daher schon jetzt bei der Rechtsanwendung zu beachten. Zentral ist stets die Frage und Auslegung, welche Pflicht eine Stiftung in Bezug auf den Kapitalerhalt trifft bzw. welche Kapitalanlage erlaubt ist. Die landesstiftungsrechtlichen Regelungen können nunmehr nach dem Bedeutungsgehalt der stiftungsrechtlichen Grundprinzipien, welcher nach bundesrechtlich einheitlicher Meinung definiert wird, ausgelegt werden. Von daher gibt es eine Vorwirkung des neuen Stiftungsrechts.

Kapitalerhalt oder Verbrauch

Die typische Stiftung ist die Stiftung, die auf unbestimmte Zeit errichtet wurde (sogenannte „Ewigkeitsstiftung“). Hier besteht das Stiftungsvermögen aus dem Grundstockvermögen und ihrem sonstigen Vermögen (§ 83 b Abs. 1 BGB n. F.). Zum Grundstockvermögen gehören:

  • das gewidmete Vermögen,
  • das der Stiftung zugewendete Vermögen, das vom Zuwendenden dazu bestimmt wurde, Teil des Grundstockvermögens zu werden (Zustiftung) und
  • das Vermögen, das von der Stiftung zu Grundstockvermögen bestimmt wurde (§ 83 b Abs. 2 Ziffer 1 bis 3 BGB n. F.).

Wichtig:

Nur das Grundstockvermögen ist ungeschmälert dauerhaft zu erhalten (§ 83 c Abs. 1 Satz 1 BGB n. F.). Der Stiftungszweck ist mit den Nutzungen des Grundstockvermögens zu erfüllen (§ 83 c Abs. 1 Satz 2 BGB n. F.). Im neuen Recht werden keine Vorgaben gemacht, welche Form der Vermögensanlage zulässig ist. Das Gesetz regelt keine bestimmte Aktienquote, damit eine Vermögenserhaltung gesichert ist.

Organhaftung

Die Rechtsstellung der Stiftungsorgane ergibt sich bislang nur über Verweisungen in das Vereinsrecht durch § 86 BGB. Künftig enthält das Stiftungsrecht selbst in den §§ 84 - 84c BGB-neu grundlegende Regelungen zu den Stiftungsorganen, ihren Rechten und Pflichten, der Beschlussfassung und Notmaßnahmen bei fehlenden Organmitgliedern. Das Mitglied eines Stiftungsorgans hat bei der Führung der Geschäfte der Stiftung die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsführers einzuhalten (§ 84 a Abs. 2 BGB n. F.).

Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn das Mitglied des Organs bei der Geschäftsführung unter Beachtung der gesetzlichen und satzungsgemäßen Vorgaben vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Informationen zum Wohle der Stiftung zu handeln (sog. Business Judgement Rule). Wenn jedoch mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Verlust aus einer Investition zu befürchten ist oder tatsächlich keine Prognosen im Bezug auf einen positiven oder negativen Ausgang abgegeben werden können, darf diese Kapitalanlage nicht vorgenommen werden. Möglich ist dann ein Schadensersatzanspruch wegen einer unzulässigen Anlage des Stiftungsvermögens gem. § 280 Abs. 1 BGB.

Exkurs – Haftung gegenüber der Stiftung wegen Falschberatung

Eine beratende Bank muss über ihren Vertragspartner so weit im Bilde sein, dass sie dessen Rechtsform und Spezifika kennt und bei der Anlageempfehlung beachtet. Das OLG Frankfurt am Main hat in seinem Urteil vom 28.01.2015 – 1 U 32/13 den der Bank zukommenden Pflichtenkreis erweitert, da der für den Kapitalstock geltende Vermögenserhaltungsgrundsatz von ihr zu beachten ist. Einer Stiftung, die aus stiftungsrechtlichen Gründen die Minderung ihres Kapitalstocks durch Anlagegeschäfte nicht riskieren darf, darf die anlageberatende Bank grundsätzlich keine den Kapitalstock der Stiftung reell gefährdende Investition empfehlen.

Sonderfall – Verbrauch von Grundstockvermögen ausnahmsweise zulässig

Gemäß § 83 c Abs. 2 BGB n. F. kann durch Satzung bestimmt werden, dass die Stiftung einen Teil des Grundstockvermögens verbrauchen darf. In einer solchen Satzungsbestimmung muss die Stiftung verpflichtet werden, das Grundstockvermögen in absehbarer Zeit wieder um den verbrauchten Teil aufzustocken. Nach Absatz 3 kann durch Landesrecht vorgesehen werden, dass die nach Landesrecht zuständigen Behörden auf Antrag einer Stiftung für einen bestimmten Teil des Grundstockvermögens eine zeitlich begrenzte Ausnahme von Absatz 1 Satz 1 zulassen können, wenn dadurch die dauernde und nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks nicht beeinträchtigt wird.

Verbrauchsstiftung

Die Stiftung wird in der Regel auf unbestimmte Zeit errichtet, sie kann aber auch auf bestimmte Zeit errichtet werden, innerhalb derer ihr gesamtes Vermögen zur Erfüllung ihres Zwecks zu verbrauchen ist (Verbrauchsstiftung), so geregelt in § 80 Abs. 1 Satz 2 BGB n. F.). Bei einer Verbrauchsstiftung besteht das Stiftungsvermögen aufgrund der Satzung nur aus „sonstigem Vermögen“ (§ 83 b Abs. 1 Satz 2 BGB n. F.). Im Unterschied zum „Grundstockvermögen“ ist das „sonstige Vermögen“ nicht zu erhalten.

Wechsel von Ewigkeitsstiftung in Verbrauchsstiftung

Wenn der Stiftungszweck nicht mehr dauernd und nachhaltig erfüllt werden kann, kann durch Satzungsänderung der Stiftung ein anderer Zweck gegeben oder der Zweck der Stiftung erheblich beschränkt werden. Die Voraussetzungen des § 85 Abs. 1 Satz 1 Nummer 1 liegen insbesondere vor, wenn eine Stiftung keine ausreichenden Mittel für die nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks hat und solche Mittel in absehbarer Zeit auch nicht erwerben kann. Eine auf unbestimmte Zeit errichtete Stiftung kann dann durch Satzungsänderung in eine Verbrauchsstiftung umgestaltet werden, indem die Satzung um Bestimmungen nach § 81 Absatz 2 ergänzt wird (§ 85 Abs. 1 Satz 4 BGB n. F.).

Stiftungsregister

Bereits vor dem 01.01.2026 entstandene Stiftungen müssen bis zum 31.12.2026 zur Eintragung in das Register angemeldet werden. Sämtliche Stiftungen müssen ab dann ihren Namen mit einem Rechtsformzusatz führen, und zwar Ewigkeitsstiftungen den Zusatz „eingetragene Stiftung“ oder „e. S.“ und Verbrauchsstiftungen den Zusatz „eingetragene Verbrauchsstiftung“ oder „e. VS.“. Zukünftig wird für den Rechtsverkehr klar sein, ob tatsächlich eine rechtsfähige Stiftung gegeben ist oder es sich um eine andere Rechtsform handelt. Mitunter bezeichnen sich gemeinnützige GmbHs als Stiftung und eingetragene Vereine als „Stiftung e. V.“.

Praxistipp

Liegt – wie im Regelfall – eine Ewigkeitsstiftung vor, ist genau zu prüfen, was alles zum Grundstockvermögen gehört, da sich der Kapitalerhaltungsgrundsatz nach § 83 Abs. 1 Satz 1 BGB n. F. nur auf das Grundstockvermögen beschränkt. Die Wahrscheinlichkeit eines Verlustes aus einer Investition ist von den Stiftungsorganen vor der Anlageentscheidung zu prüfen, auch ob eine Prognose im Bezug auf einen positiven oder negativen Ausgang abgegeben werden kann. Sollten der Stiftung Verluste im Zusammenhang mit Kapitalanlagen entstanden sein, ist stets auch die Möglichkeit von Schadensersatzansprüchen der Stiftung wegen Falschberatung und/oder fehlerhafter Information gegen Dritte zu prüfen, sollte das Investment auf einer Beratung und/oder Information durch Dritte basieren.

Gastbeitrag von Peter A. Gundermann, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, TILP Rechtsanwaltsgesellschaft mbH