Brüssel: Einigung zur Retail Investment Strategy erzielt
18.12.2025

AfW-Vorstand Frank Rottenbacher Foto: © AfW
In der Nacht zum Donnerstag haben sich die Trilog-Unterhändler des Europäischen Parlaments und der Mitgliedstaaten auf einen Kompromiss zur EU-Strategie für Privatanleger (Retail Investment Strategy, RIS) geeinigt. Nach über zweieinhalb Jahren intensiver Verhandlungen wurde damit kurz vor Ende der dänischen Ratspräsidentschaft ein politisch bedeutendes Paket finalisiert, das insbesondere für unabhängige Vermittler neue Anforderungen mit sich bringen wird.
Ziel des Maßnahmenpakets ist es, Privatanleger stärker zu schützen, den Zugang zu Kapitalmärkten zu erleichtern und die Wettbewerbsfähigkeit der EU-Finanzmärkte zu fördern. Die neuen Vorgaben betreffen zentrale Bereiche der Vermittlungspraxis und werden – vorbehaltlich der Veröffentlichung im EU-Amtsblatt – voraussichtlich ab dem zweiten Halbjahr 2028 gelten.
Im Fokus der Einigung steht, dass ein verbesserter Anlegerschutz durch mehr Transparenz bei Kosten und Nutzen von Finanzprodukten erreicht werden soll. So werden Anlagefirmen im Privatkundengeschäft ("retail investment firms") verpflichtet, sämtliche mit einem Produkt verbundenen Kosten vollständig offen zu legen und auf Basis europaweit definierter Standards zu bewerten, ob die Kosten im Verhältnis zur angebotenen Leistung stehen. Produkte, deren Kosten unverhältnismäßig sind, sollen nicht mehr zum Vertrieb zugelassen werden.
Ein weiteres zentrales Element ist die Einführung verstärkter Anforderungen im Bereich der Provisionsregelung. Zwar enthält das RIS-Paket kein allgemeines Provisionsverbot mehr, jedoch verschärft es die Transparenz- und Rechtfertigungspflichten im Zusammenhang mit Zuwendungen („Inducements“). Künftig müssen Vermittler eindeutig darlegen, welchen konkreten Mehrwert eine erhaltene Provision für die Kunden hat. Außerdem sind alle Provisionsbestandteile gesondert auszuweisen. Mitgliedstaaten behalten zusätzlich die Möglichkeit, auf nationaler Ebene weitergehende Beschränkungen – bis hin zu einem Provisionsverbot – einzuführen.
„Wir begrüßen, dass es kein Provisionsverbot auf EU-Ebene geben wird“, erklärt AfW-Vorstand Frank Rottenbacher. „Der Einsatz des AfW und vieler anderer für eine Regulierung mit Augenmaß hat sich in Punkt zumindest gelohnt. Ob und wie nun die neuen Anforderungen in der Praxis umsetzbar und für Vermittlerinnen und Vermittler sachgerecht sind, können wir jedoch erst beurteilen, wenn uns der endgültige Richtlinientext vorliegt.“
Gleichzeitig enthält die RIS-Vereinbarung auch neue Vereinfachungen. So wird die Geeignetheitsprüfung in bestimmten Fällen entlastet: Bei Empfehlungen von nicht-komplexen, kostengünstigen und breit diversifizierten Finanzinstrumenten entfällt künftig die Pflicht zur Abfrage der Kenntnisse und Erfahrungen der Kunden. Die individuelle finanzielle Situation und Anlageziele bleiben jedoch weiterhin prüfungsrelevant. Damit soll laut EU-Gesetzgeber ein besserer Zugang zu einfachen Produkten ermöglicht werden, ohne den Anlegerschutz grundsätzlich zu schwächen.
„Diese neue Regelung zur Geeignetheitsprüfung wird Auswirkungen auf die tägliche Beratungspraxis haben – sowohl im Hinblick auf die Dokumentation als auch auf die Auswahl geeigneter Produkte“, erklärt AfW-Vorstand Frank Rottenbacher. „Positiv ist, dass der Gesetzgeber den Vermittlern in bestimmten Fällen mehr Flexibilität einräumt. Gleichzeitig muss genau beobachtet werden, ob dadurch auch regulatorische Unsicherheiten entstehen.“
Zudem schreibt die RIS neue Standards für die Kundeninformation vor, insbesondere im Hinblick auf sogenannte Key Information Documents (KIDs). Diese müssen künftig stärker standardisiert, verständlicher und langfristig auch maschinenlesbar verfügbar gemacht werden. Ziel ist es, den Vergleich von Produkten zu erleichtern und die digitale Verarbeitung von Finanzinformationen zu fördern.
Das Maßnahmenpaket nimmt nach Angaben des Rates der EU darüber hinaus auch neue Themen in den Blick – etwa den Einfluss von Social Media und sogenannten „Finfluencern“ auf Anlageentscheidungen. Mitgliedstaaten werden angehalten, die finanzielle Bildung der Bevölkerung zu stärken und für fairere und transparenter gestaltete Marketingmaßnahmen zu sorgen.
Hinsichtlich des weiteren Zeitplans werden nun die technischen Arbeiten zur Finalisierung der Rechtstexte fortgesetzt. Die endgültige Fassung soll Anfang 2026 vorliegen. Nach ihrer Veröffentlichung im EU-Amtsblatt müssen die Mitgliedstaaten die neuen Vorgaben innerhalb von 24 Monaten in nationales Recht umsetzen. 30 Monate nach Veröffentlichung treten die Regelungen dann in Kraft – mit Ausnahme der PRIIPs-Vorgaben, die bereits nach 18 Monaten Anwendung finden werden. Da es sich bei der RIS um eine Richtlinie handelt, ist somit auch mit einem legislativen „Nachspiel“ auf nationaler Ebene in Deutschland zu rechnen. (mho)

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