„Den demografischen Wandel kann man nicht aussitzen“

10.01.2022

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Die Bruttowertschöpfung aus der (teil-) stationären Pflege liege laut Pawils aber immer noch über der des Betreuten Wohnens. Er sieht die Zukunft deswegen im richtigen Mix aus beiden Konzepten. Ideale Projekte seien sogenannte Hybridwohnformen, die stationäre Pflege, betreutes Wohnen und Tagespflege unter einem Dach oder auf einem Campus miteinander verbinden. „Der Pflegemix innerhalb solcher modernen Konzepte bietet für jeden Menschen die Möglichkeit, individuell auszuwählen, wie man im Alter selbstbestimmt leben möchte und auch welche Pflege zu welchem Zeitpunkt benötigt wird. Ein Ort, an dem man gerne leben möchte, in einem vielfältigen Umfeld in der Mitte der Gesellschaft“, ergänzt Pawils.

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Quelle: © Eigene Darstellung (Pflegestatistik 2019)[/caption]

Bauflächenpreise in Rekordhöhe

Das Statistische Bundesamt (Destatis) berichtete im August 2021, dass Bauland noch nie so teuer war, wie im Jahr 2020. Der Durchschnittspreis für einen Quadratmeter Baufläche lag im vergangenen Jahr bei 199 Euro. Diese Preisentwicklung ist hauptsächlich auf die allgemeine Flächenknappheit, vor allem in Metropolregionen und Ballungsgebieten, zurückzuführen. Für die angespannte Lage am Pflegeimmobilienmarkt spielen aber auch weitere Faktoren eine Rolle, wie Rauno Gierig, CSO der Verifort Capital AG, erklärt: „Hier sind drei zentrale Faktoren zu nennen, wie zunächst sicherlich teure Grundstückspreise und der Flächenmangel. Dann ist der Markt der Healthcare-Immobilien in Deutschland teilweise staatlich reguliert. Das sorgt für die hohe Stabilität solcher Investments, stellt aber auch hohe Anforderungen an Mieter und Betreiber der Objekte. Und nicht zuletzt braucht es auch das nötige Know-how beim Fonds- und Asset-Management. Man baut nicht mal eben irgendwo ein Pflegeheim, das ist Expertenwissen.“ Die Branche fordert eine weniger starke staatliche Regulierung, um den Druck auf den Markt zu entschärfen und den dringend notwendigen Bau von neuen Pflegeimmobilien zu erleichtern. Die strengen Anforderungen an Mieter und Betreiber sollen aber gleichzeitig Anleger einerseits und pflegebedürftige Bewohner andererseits schützen. Das Marktpotenzial ist hoch und der Bedarf an Investitionen enorm. „Um den entstehenden Bedarf zu decken, rechnen Experten bis zum Jahr 2030 mit notwendigen Investitionen von ca. 30 Mrd. Euro für die Schaffung neuer Pflegeplätze und zusätzlich rund 40 Mrd. Euro für den Erhalt und Umbau von bestehenden Häusern. Das ist eine riesige Herausforderung und Chance zugleich, denn allein durch öffentliche Träger und Mittel kann der Bedarf nicht bedient werden“, meint Sandro Pawils dazu. Auch Rauno Gierig bestätigt, dass Anleger und besonders institutionelle Investoren das Potenzial erkannt haben, er sieht deshalb besonders den Staat in der Pflicht, den Pflegeimmobilienmarkt zu stärken: „Auch die öffentliche Hand wird mehr investieren müssen und sei es nur, um dem schon jetzt real bestehenden Fachkräftemangel zu begegnen. Wenn qualifizierte Kräfte, oft Frauen, daheimbleiben, um dort die Altenpflege zu stemmen, verursacht das am langen Ende hohen volkswirtschaftlichen Schaden. Da muss die Bundesregierung aktiv werden, den demografischen Wandel kann man nicht aussitzen.“

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