"Es darf keine Insolvenzen 1. und 2. Klasse geben"

09.10.2019

RA Martin Zeil, Bayerischer Staatsminister a.D. Kanzlei SLB Kloepper, München, auf der ZInsO-Praktikertagung / Foto: © Ralph Veil

Am 23. und 24. September fand in Bad Godesberg bei Bonn die ZinsO-Praktikertagung statt. Dabei wurde das Thema Insolvenz aus vielen verschiedenen Perspektiven erläutert. Theorie sowie aktuelle und vergangene Fälle standen ebenso auf der Agenda wie die Beschäftigung mit Möglichkeiten der Zukunft.

Das Timing für die 2. ZinsO-Praktikertagung, die vom Deutschen Institut für angewandtes Insolvenzrecht und Rechtsanwalt Ralph Veil von der Kanzlei Mattil & Kollegen ausgerichtet wurde, war quasi perfekt: Die Konferenz begann ausgerechnet an dem Tag, als die Insolvenzmeldung von Thomas Cook sämtliche Medienberichte beherrschte. Doch auch ansonsten mangelte es nicht an spannenden Themen auf der Veranstaltung. Den Anfang machte Hermann-Josef Tenhagen. Der Chefredakteur des Online-Finanzportals Finanztip erklärte, unabhängig von der Pleite von PIM-Gold, dass er skeptisch gegenüber Gold als Geldanlage sei. Im Vorfeld der PIM-Pleite war Tenhagen selbst Opfer eines massiven DDoS-Angriffs geworden, bei dem der Verdacht im Raum steht, das PIM-Gold somit kritische Berichterstattung über sich unterbinden wollte (finanzwelt berichtete). Seine Zweifel an Goldinvestments lässt sich Tenhagen auch nicht durch die Beliebtheit des Investments zerstreuen. Dasselbe gelte auch für Renten- und Lebensversicherungen, die nach wie vor bei vielen deutschen Anlegern eine große Rolle spielen würden. Kritik übte Tenhagen zudem an den Kosten für aktiv gemanagte Fonds und Robo-Beratern.

Ebenfalls Kritik, aber an der Wirtschaftspolitik, äußerte Martin Zeil. Der FDP-Politiker und ehemalige bayerische Wirtschaftsminister warf in seinem Vortrag die Frage auf, ob manchmal die staatliche Unterstützung nach einer Insolvenz besser sei als staatliche Eingriffe vor einer Insolvenz. „Insgesamt ist festzustellen, dass es kaum Beispiele dafür gibt, dass staatliche Unterstützungsmaßnahmen vor der Insolvenz erfolgreich waren. KnausTabbert (Wohnwagen), Rosenthal (Geschirr) und manroland (Druckmaschinen) hingegen, bei denen Bürgschaften oder Investitionsförderungsmaßnahmen nach der Insolvenz im Zusammenhang mit neuen Investoren gewährt wurden, konnten nicht nur überleben, sondern haben sich zum Teil äußerst erfolgreich entwickelt“, so Zeil, der in seinem Vortrag auch den aktuellen Fall Condor aufnahm. So berichtete er von einem in der Nacht vor der Veranstaltung gestellten Unterstützungsantrag für die angeschlagene Fluglinie. Ob dieser genehmigt werde, dürfe die Politik nicht anhand der Unternehmensgröße treffen. „Es darf keine Insolvenzen 1. und 2. Klasse geben“, fasste Zeil seine Überzeugung zusammen.

Welche Folgen eine Finanzmarktkrise für zwei Alpenstaaten hätten und welche Rolle die BaFin bei Krisen spielt, lesen Sie auf Seite 2