Fünf Jahre Immobilien-Teilverkauf: „Die Motive für einen Teilverkauf haben sich deutlich gewandelt“

05.05.2023

Christoph Neuhaus, Gründer und Geschäftsführer, wertfaktor Immobilien GmbH

Vor fünf Jahren etablierte wertfaktor den Immobilien-Teilverkauf in Deutschland. Seitdem hat sich einiges getan: Für welche Immobilieneigentümer der Teilverkauf in der aktuellen Marktlage besonders interessant ist, wie sich die Branche entwickelt und warum er mehr Transparenz für eine der wichtigsten Voraussetzungen für das noch junge Equity-Release-Modell hält, erklärt Christoph Neuhaus, Gründer und Geschäftsführer von wertfaktor.

finanzwelt: Herr Neuhaus, der Immobilien-Teilverkauf wird in Deutschland bereits fünf Jahre alt. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?

Christoph Neuhaus» Das waren wirklich spannende Jahre. Als wir 2018 mit dem Immobilien-Teilverkauf auf dem deutschen Markt gestartet sind, wollten wir für Eigentümer eine Möglichkeit schaffen, ihr Immobilienvermögen in Bargeld zu wandeln – und zwar ohne komplett verkaufen oder einen Kredit aufnehmen zu müssen. Seitdem beobachten wir ein kontinuierlich steigendes Interesse an dem Modell. Allein zwischen dem 1. Halbjahr 2021 und dem 1. Halbjahr 2022 haben sich die Anfragen nahezu verzehnfacht.


finanzwelt: Beim Teilverkauf verkaufen Eigentümer einen Anteil ihres Hauses und erhalten dafür einen Wunschbetrag ausgezahlt …

Neuhaus» Ganz genau. Wir kaufen von unseren Kunden bis zu maximal 50 % ihrer Immobilie ab einem Auszahlungsbetrag von 100.000 Euro. Die Eigentümer bekommen den Kaufpreis ausgezahlt, bleiben wohnen und können weiterhin vollkommen frei über ihre Immobilie entscheiden. Für die Nutzung des verkauften Anteils zahlen sie dann ein monatliches Nutzungsentgelt. Das Besondere an dem Modell ist seine Flexibilität. Eigentümer können ihren Anteil jederzeit zurückkaufen, einen weiteren Anteil verkaufen, ihren Teil vererben oder das gesamte Haus mit wertfaktor am Markt komplett verkaufen.

finanzwelt: Kürzlich hat die Bankenaufsicht (BaFin) Immobilieneigentümer davor gewarnt, dass sie womöglich ihr Haus verlassen müssen, sollten sie das monatliche Nutzungsentgelt irgendwann nicht mehr zahlen können.

Neuhaus» Die BaFin spielt hier auf einen Vertragsbestandteil an, der für privatwirtschaftliche Geschäfte ganz normal ist und den es nicht nur beim Teilverkauf gibt. Auch wenn Sie Ihre Hypothek oder Miete nicht mehr zahlen können, müssen Sie früher oder später ausziehen. Aber ich kann Ihnen sagen, dass es erstens nur sehr selten zu solchen Fällen kommt und wir zweitens ein sehr enges und partnerschaftliches Verhältnis zu unseren Miteigentümern pflegen. Bisher konnten wir immer eine Lösung finden, die beiden Seiten gerecht wurde. Übrigens freut es uns, dass sich die BaFin dem Teilverkauf annimmt. Das zeigt auch die Relevanz, die das Thema mittlerweile hat. Wir haben der BaFin den Dialog angeboten, damit wir noch fairer und transparenter werden können. Dafür sind wir immer offen! Und arbeiten dazu auch eng in der Branche zusammen.


finanzwelt: Unter anderem haben Sie sich im Januar gemeinsam mit drei weiteren Teilverkauf-Anbietern eine freiwillige Selbstverpflichtung auferlegt...

Neuhaus» Ja, bisher war es für Interessenten schwierig, die unterschiedlichen Teilverkaufs-Angebote zu vergleichen. Was fehlte, waren einheitliche Standards – etwa für die Gestaltung der Verträge. Mit unserem ‚Code of Conduct‘ schaffen wir bestmögliche Transparenz und stellen auch hohe Qualitätsstandards etwa bei der Beratung sicher. Ich sehe das als einen wichtigen Schritt, um den Immobilien-Teilverkauf in Deutschland nach vorne zu bringen.

finanzwelt: Wie sieht der typische Eigentümer aus, der einen Teil seiner Immobilie an Sie verkauft?

Neuhaus» Viele unserer Miteigentümer stehen am Anfang ihres Ruhestands und wollen das genießen, was sie sich über ihr Arbeitsleben aufgebaut haben. Wenn der Großteil des Geldes in der Immobilie steckt, blieb dafür bisher nur der Gesamtverkauf. Für die meisten ist das jedoch keine Option. Für unseren „wertfaktor Seniorenreport 2022“ haben wir Eigentümer gefragt, unter welchen Umständen sie ihr Eigenheim verkaufen würden. 40 % schließen einen Verkauf komplett aus. Weitere 48 % würden nur unter bestimmten Bedingungen verkaufen – etwa, dass sie weiterhin wohnen bleiben können. Das eigene Haus ist für viele Menschen eben nicht nur ein reines Anlageobjekt.


finanzwelt: Das heißt, Sie sprechen mit dem Immobilien-Teilverkauf vor allem ältere Eigentümer an?

Neuhaus» Grundsätzlich kann jeder seine Immobilie teilverkaufen. Wir haben auch deutlich jüngere Kunden – ein Beispiel sind Paare, die sich scheiden lassen. Oft bleibt dann die Ehefrau mit den Kindern im Eigenheim und der Ehemann erhält den Erlös aus dem Teilverkauf. Andere Kunden suchen eine Anschlussfinanzierung für ihren Immobilienkredit oder finanzielle Mittel zur Überbrückung, beispielsweise weil sie auf Arbeitsuche sind.

finanzwelt: Im vergangenen Jahr hat sich das wirtschaftliche Umfeld deutlich gewandelt – die hohe Inflation sowie die steigenden Zinsen belasten aktuell vor allem auch den Immobilienmarkt. Wie erleben Sie das aktuelle Marktumfeld?

Neuhaus» Die Unsicherheit und das veränderte Zinsumfeld führen sicher dazu, dass Eigentümer mit dem Teilverkauf lieber noch etwas abwarten. Dennoch merken wir an den Anfragen, dass das Interesse weiter hoch ist. Was sich deutlich verändert hat, sind die Motive für einen Teilverkauf. Im Fokus stehen zunehmend Investitionen in eine klimafreundliche Sanierung. Das ist oft ein Thema bei den Gesprächen mit unseren Kunden. Viele bekommen aufgrund ihres Alters keinen Kredit mehr bei der Bank, trotz Immobiliensicherheit – oder sie wollen sich nicht mehr verschulden. Der Immobilien-Teilverkauf ist dann eine attraktive Option. Ein weiterer Vorteil: Auf Wunsch beteiligen wir uns als Miteigentümer mit bis zu 20.000 Euro an Sanierungs- und Investitionskosten – etwa für Wärmedämmung oder neue Fenster.


finanzwelt: Nach fünf Jahren: Was denken Sie, wie sich der Immobilien-Teilverkauf in Deutschland entwickeln wird?

Neuhaus» Mittelfristig erwarten wir, dass sich die gesamtwirtschaftliche Lage in Deutschland weiter normalisieren wird. Auch der Immobilien-Teilverkauf wird im Zuge dessen weiter auf Wachstumskurs gehen. Langfristig bietet der Immobilien-Teilverkauf großes Potenzial: Rund 6,5 Millionen weitestgehend schuldenfreie Eigenheime befinden sich im Besitz der Altersgruppe 65plus – und das ist nur Deutschland. Das ist ein riesiger Markt, den es zu erschließen gilt.


finanzwelt: Besten Dank für das Gespräch! (lvs)