Kubicki im finanzwelt-Interview: „Kein Gnadenakt“

04.05.2020

Wolfgang Kubicki / Foto: © FDP

finanzwelt: Im Rückspiegel betrachtet: Hätten Bundesregierung und die Länder diesen Crash unserer Wirtschaft nicht mit einer schnelleren Reaktion auf das Corona-Virus abwenden oder minimieren müssen? Schon im Dezember 2019 sind die dramatischen Bilder der Corona-Krise aus China um die Welt gegangen, aber noch im Februar 2020 haben wir in Deutschland regulär Karneval gefeiert. Hatten wir durch unsere Nachrichtendienste und das Robert-Koch-Institut nicht schon weit vor März entsprechende Informationen?

Kubicki: Sicher ist man hinterher immer schlauer. Aber klar ist auch: Die Informationspolitik der Bundesregierung konnte kaum schlechter sein. Wir haben mehrere 180-Grad-Wenden erleben müssen. Zuerst hieß es, es handele sich um keine sonderlich schlimme Erkrankung und Deutschland sei gut vorbereitet. Dann wurde Corona immer schlimmer und die Kliniken steuerten auf einen Versorgungsnotstand zu. Zuerst sollten die Corona-Toten nicht obduziert werden, dann war es notwendig. Zuerst halfen Masken nichts, jetzt haben wir Maskenpflicht. Zuerst war die Verdoppelungszeit das entscheidende Kriterium, dann der ominöse Schätzwert „R“. Dieses Hin- und Her – immer getrieben von wissenschaftlichen Beratern – hinterlässt bei mir zumindest den Eindruck, dass sich die politischen Entscheidungsträger nicht zu sehr auf eine einzelne wissenschaftliche Meinung stützen sollten. Auf die Letztverantwortung der Politik hat der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet ja auch kürzlich hingewiesen und hat sich dafür einen Shitstorm eingehandelt, der vollkommen unverhältnismäßig war. Politik muss entscheiden – und muss hier verschiedene Aspekte abwägen, nicht nur die Argumente der Virologen, sondern auch von Ökonomen, Psychologen oder Soziologen, von Unternehmern und Gewerkschaften. Das letzte Wort haben in unserem Rechtsstaat dankenswerterweise immer noch die Gerichte – und nicht Angela Merkel.

finanzwelt: Letzte Frage: Wie kann die Verlagerung der Zuständigkeit für die Aufsicht über Finanzanlagenvermittler und Honorar-Finanzanlagenberater auf die BaFin noch verhindert werden?

Wolfgang Kubicki: Vermutlich gar nicht. Dieses Ziel haben Union und SPD im Koalitionsvertrag vereinbart – und jetzt liegt ein Gesetzentwurf der Bundesregierung vor. Das Gesetz wird ziemlich sicher kommen. (sh)