Potenzial des Pflege-Bahr

27.05.2013

Seit Jahresbeginn ist er da, der Pflege-Bahr. So richtig aber auch wieder nicht – den wenigsten ist der Pflege-Bahr bekannt. Und das, obwohl Pflege ein existenzielles Risiko ist, welches im Alter auf drei von vier Frauen und jeden zweiten Mann zukommen wird. Eines der zentralen Themen der Zukunft.

Dabei macht gerade die von der Politik mit 5 Euro beschlossene monatliche Subventionierung klar, wie dringend notwendig Pflege-Vorsorge ist. Denn: Wie viele Menschen werden bis zu 2.000 Euro für Pflegekosten aus Alterseinkommen oder Vermögen zahlen können? Auch wenn sich in den vergangenen Monaten das Bewusstsein im Thema Pflege zunehmend gewandelt hat, haben bis jetzt noch nicht einmal 3 % der Deutschen für das „Risiko Pflegefall“ vorgesorgt. Der Pflege-Bahr ist daher eine einmalige Chance, damit die Pflege vom Nischen- zum Standardprodukt wird.

Die Meinungen und die mediale Berichterstattung zu den Bemühungen unseres Gesundheitsministers waren bislang aber eher kontrovers. Von einem misslungenen Start war die Rede und ein typisch deutsches Phänomen bestimmte den Blick auf den Pflege-Bahr: das halb leere Glas. Die kritische Würdigung neuer Maßnahmen ist immer wichtig. Werden aber nur die Grenzen und nicht auch das Potenzial eines Konzepts betrachtet, ist dies für das übergeordnete Ziel kontraproduktiv. Warum also das Glas nicht halb voll sehen? Der Pflege-Bahr hat viele, teilweise einzigartige Vorteile:

Er verfügt über ein gutes Bedingungswerk. Durch den gesetzlich vorgeschriebenen Kontrahierungszwang können Bevölkerungsgruppen mit gesundheitlichen Vorbelastungen erstmals für den Pflegefall vorsorgen. Außerdem bietet die staatliche Förderung für die Pflege-Beratung in doppelter Hinsicht einen guten Einstieg: für den Pflege-Bahr selbst und für ergänzende ungeförderte Tarife. Denn zum einen verfügt der Pflege-Bahr über besonderes Potenzial für die Zielgruppen „20+“. Wird früh mit der Vorsorge begonnen, ist das Preis-Leistungsverhältnis attraktiv und es können gute Tagegeldhöhen abgesichert werden. Und selbst wenn das verfügbare Budget nicht reicht, um die strukturellen Grenzen des Pflege-Bahr durch die Kombination mit einem ungeförderten Tarif auszugleichen: Im ersten Schritt ist eine Teilabsicherung immer besser als gar keine Absicherung. Gerade bei niedrigeren Einkommen. Zum anderen wird umfassende Pflege-Vorsorge nur durch eine Kombination zu erreichen sein: durch den fein abgestimmten Dreiklang von gesetzlicher Pflegepflichtversicherung, staatlich gefördertem Pflege-Bahr und ergänzender ungeförderter Pflege-Vorsorge. Der Pflege-Bahr avanciert so ein weiteres Mal zum Türöffner.

Damit die Deutschen stärker vorsorgen, muss die Pflege fester Bestandteil jedes Beratungsgespräches werden. Es ist die Aufgabe der privaten Versicherungswirtschaft und der Berater, Pflege zu erklären und die Potenziale aufzuzeigen. Eine Umfrage zur privaten Vorsorge für den Pflegefall der IW Consult, Tochter des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln, bestätigte bereits: Junge Menschen und Bildungsnahe reagieren auf staatliche Pflege-Förderung besonders gut. Selten gab es für die Pflege-Vorsorge einen so guten Aufhänger.

(Philipp J. N. Vogel, Vorstand DFV Deutsche Familienversicherung AG)

Meinung - Printausgabe 03/2013